Einführung in das Jugendstrafrecht

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Wird Ihnen die Begehung einer Straftat vorgeworfen, dürfte das eine ziemliche Belastung für Sie darstellen. Selbst als erwachsene Person ist dies mit großen Herausforderungen verbunden. Sind Sie bei Begehung der Tat Jugendlicher oder Heranwachsender gewesen, müsste bzw. könnte gegen Sie ein sogenanntes Jugendstrafverfahren geführt werden.

Jugendstrafverfahren sind Strafverfahren, bei denen neben den herkömmlichen, strafprozessualen Normen die besonderen Regelungen des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) gelten.

Jüngere Menschen gelten tendenziell als unreifer. Sie lernen stetig besonders viel Neues dazu und hierfür müssen sie Entscheidungen treffen. Dass diese Entscheidungen nicht immer einwandfrei durchdacht, weitsichtig und empathisch sind, ist oftmals Teil des Lernprozesses. Jüngere Menschen sind nicht selten impulsiver und emotionsgesteuerter. Die Verantwortung, die ein jeder von uns der eigenen Person aber auch den Mitmenschen gegenüber hat, prägt sich erst über viele Jahre hinweg sozialadäquat aus. Und wenn der Lebensweg bereits unter widrigen Umständen beginnt oder man in falsche Bahnen gerät, handelt man möglicherweise nicht so, wie es letztlich richtig gewesen wäre. Oftmals ist dieses Verhalten dabei auch gar nicht von langer Dauer, sondern „episodenhaft“.

Da sich jedoch auch Jugendliche für die eigenen Handlungen verantworten müssen, und trotz dessen die besonderen Umstände junger Menschen Berücksichtigung finden sollen, gibt es Jugendstrafverfahren.

Wann Jugendstrafverfahren im Vergleich zu herkömmlichen Strafverfahren angesetzt werden und was das für Auswirkungen hat, soll im Folgenden kurz veranschaulicht werden.


Wann kommt es zu einem Jugendstrafverfahren?

  • Jugendstrafverfahren werden gem. § 1 Abs. 1 JGG angesetzt, wenn Jugendlichen oder (teilweise) Heranwachsenden die Begehung einer Straftat vorgeworfen wird.
  • Jugendliche sind per Definition des Gesetzes Personen, die zum Tatzeitpunkt zwischen 14 und 18 Jahre alt waren, vgl. § 1 Abs. 2 JGG. Bei ihnen finden Strafverfahren ausnahmslos immer als Jugendstrafverfahren statt.
  • Heranwachsende sind Personen, die bei Tatbegehung zwischen 18 und 21 Jahre alt waren. Da Heranwachsenden mehr Reife zugesprochen werden muss, kommt es hier nur in Ausnahmefällen zur Anwendung von Jugendstrafverfahren. Wann dies genau der Fall sein soll, ist § 105 JGG zu entnehmen. Juristisch formuliert, ist das der Fall, wenn zum Tatzeitpunkt die Person nach seiner „sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand“ oder es sich „nach Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt“. Salopp ausgedrückt kann man sagen, dass entweder der Täter oder die Tat noch mit der von den jüngeren Jugendlichen vergleichbar sein muss.


Welche Besonderheiten gibt es in Jugendstrafverfahren?

Jugendstrafverfahren gliedern sich ebenso wie herkömmliche Strafverfahren im Regelfall in Ermittlungsverfahren, Zwischenverfahren und Hauptverfahren auf.

Auf der ersten Stufe steht das Ermittlungsverfahren, in dem der Vorwurf durch Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelt wird. 

Im Fall der Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft geht das Verfahren in das anschließende Gerichtsverfahren vor dem Richter über.


Gesetzeszweck des Jugendgerichtsgesetzes

Jugendstrafverfahren verfolgen dabei vordergründig den sogenannten Erziehungsgedanken des § 2 JGG. Man geht davon aus, dass jüngere Menschen empfänglicher für die pädagogische Einflussnahme des Staates sind. Das Verfahren soll also primär erzieherisch und weniger strafend auf den Beschuldigten einwirken.


Rechtsfolgen/Strafen in Jugendstrafverfahren

Aufgrund des Erziehungsgedanken wandelt das JGG die herkömmlichen Strafen (Geldstrafe oder Gefängnisstrafe) ab. In Jugendstrafverfahren wird vielmehr über die Strafen der Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel und Jugendstrafe verhandelt. Daneben besteht selbstverständlich unter den entsprechenden Voraussetzungen auch die Möglichkeiten der Verfahrenseinstellung oder des Freispruchs.


Erziehungsmaßregeln sind gem. § 9 JGG die Erteilung von Weisungen oder die Anordnung von Erziehungshilfen. Weisungen sind gem. § 10 JGG Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. In § 10 JGG sind beispielhafte Gebote und Verbote aufgezählt. Diese Weisungen sollen den Jugendlichen in ihrer Entwicklung unterstützen und vorbeugend von der Begehung neuer Taten abhalten.  

Zuchtmittel werden dagegen auferlegt, wenn eine Gefängnisstrafe noch nicht geboten wäre, dem Jugendlichen aber eindringlich zu Bewusstsein gebracht werden müsse, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen habe, vgl. § 13 Abs. 1 JGG. Beispiele für Zuchtmittel sind die Verwarnung (§ 14 JGG), die Erteilung von Auflagen (§ 15 JGG) oder der Jugendarrest (§ 16 JGG).  Eine Auflage könnte beispielsweise die Zahlung einer Schadenswiedergutmachung sein. Jugendarrest ist eine kurzweilige Freiheitsentziehung in einer Arrestanstalt. Dieser darf maximal bis zu vier Wochen betragen.

Die drastischste Form der Strafe in Jugendstrafverfahren ist die Jugendstrafe, § 17 JGG. Eine Jugendstrafe ist eine Gefängnisstrafe im Jugendgefängnis. Diese ist zu verhängen, wenn im Verfahren sogenannte „schädliche Neigungen“ festgestellt werden können. Diese liegen juristisch ausgedrückt vor, wenn bei dem Täter erhebliche Anlage- und Erziehungsmängel zu beobachten sind, welche ohne die Verbüßung der Jugendstrafe die Gefahr weiterer Straftaten begründen würde. Die Ursache der Straffälligkeit muss also derart tief sitzen, dass die Verhängung von Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel von der weiteren Begehung von Taten nicht mehr abhalten würden. Die Jugendstrafe ist das letzte und schwerste anzuwendende Mittel des Staates gegenüber jungen Tätern. 

Im Jugendstrafrecht gibt es zudem die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung. Ein Ermittlungsverfahren kann gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt werden, wenn die Rechts- oder Beweislage eine spätere Verurteilung nicht stützen würde. Ebenso kann während des gesamten Strafverfahrens gem. §§ 45, 47 JGG von der Verfolgung abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen hierzu vorliegen. Das kann beispielsweise bei der Geringfügigkeit der Schuld der Fall sein.

Kann der Vorwurf im Hauptverfahren nicht bewiesen oder rechtlich gestützt werden, ergeht ein Freispruch.

Um letztlich zu erörtern, welche Entscheidung angemessen ist, wenden Jugendstrafverfahren den Fokus verstärkt auf den individuellen Beschuldigten. Das Jugendgericht befasst sich in der Regel genau mit dem Leben und den Hintergründen des Angeklagten. Zudem wird das Jugendamt in Form der sogenannten Jugendgerichtshilfe dazu geholt.


Jugendgerichtshilfe (JGH)

Die Jugendgerichtshilfe ist durch das Jugendamt besetzt und wirkt als zuständliche Kraft am Jugendstrafverfahren mit. Diese Personen beschäftigen sich auf sozialpädagogischer Ebene mit dem beschuldigten Jugendlichen und tragen die entsprechenden Erkenntnisse und Schlüsse dem Gericht vor. Hierdurch wirken sie aktiv am Verfahren und dem Urteil mit.


Untersuchungshaft

Bei der Entscheidung, ob der Jugendliche in Untersuchungshaft untergebracht werden soll, ist § 72 JGG besonders zu beachten. Hiernach ist für die Abwägung zur Verhältnismäßigkeit der Haft die besondere Belastung für den Jugendlichen besonders zu berücksichtigen. Für Jugendliche unter 16 Jahren gelten zudem noch strengere Voraussetzungen, unter der die U-Haft angeordnet werden darf.


Eintragungen in Erziehungsregister und Führungszeugnis

Die beendenden Verfahrensentscheidungen – auch Verfahrenseinstellungen und Freispruch – werden in den Erziehungsregister eingetragen. Sobald der Betroffene 24 Jahre alt wird, werden die Eintragungen gelöscht. Bestehen bleiben jene Entscheidungen, die ohnehin im Bundeszentralregister gespeichert werden wie die Verhängung freiheitsentziehender Maßnahmen. Die Erziehungsregister dürfen Strafgerichte, Staatsanwaltschaften, Vormundschaftsgerichte, Familiengerichte und Jugendämter einsehen. Es hindert den Jugendlichen oder Heranwachsen somit nicht in der beruflichen Entfaltung bei Arbeitgebern.

Das Führungszeugnis gibt dagegen für bestimmte Fälle auch anderen Personen (und dem Betroffenen selbst) die Möglichkeit auf Auskunft zu bestimmten Eintragungen im Bundeszentralregister. Im Führungszeugnis stehenden insb. die folgenden Jugendgerichtsentscheidungen nicht:

  • Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel
  • Verurteilungen zur Jugendstrafen bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, sofern diese zur Bewährung ausgesetzt und nicht widerrufen wurden
  • Verurteilungen zur Jugendstrafe, wenn der Strafmakel als beseitigt erklärt wurde (§ 97 JGG Beseitigung des Strafmakels durch Richterspruch).

Die Schwelle, wann Eintragungen im Führungszeugnis für andere Personen zugänglich werden, ist also recht hoch. Der Jugendliche wird hierdurch für seine Zukunft recht gut geschützt. 


Letzte Worte

Jugendstrafverfahren stellen im Regelfall im Vergleich zu anderen Strafverfahren eine individuellere und schonendere Art der Verfahrensführung und Entscheidung dar. Es gibt für die Verteidigung gute und reichlich genutzte Ansatzpunkte, ein gutes Ergebnis für den Beschuldigten zu erzielen.


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