Elternunterhalt

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Entfällt mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz generell die Verpflichtung zur Zahlung von Elternunterhalt?

Nein, aber der Kreis der unterhaltspflichtigen Kinder reduziert sich stark!

Mit dem seit 10.12.2019 geltenden Angehörigen-Entlastungsgesetz setzt der Gesetzgeber das im Koalitionsvertrag vereinbarte Vorhaben um, Kinder von pflegebedürftigen Eltern dann von Unterhaltszahlungen zu befreien, wenn ihr Einkommen 100.000,00 € brutto nicht übersteigt.

1. Wie bestimmt sich die Jahreseinkommensgrenze von 100.000,00 € brutto?

Das Gesamteinkommen ist die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommenssteuerrechts, das heißt, nicht der Steuerpflicht unterliegende Einnahmen und sonstige Bezüge haben keinen Einfluss auf die Summe der Einkünfte. 2/3 der Kinderbetreuungskosten können ebenso in Abzug gebracht werden wie die Werbungskosten. Bei zusammen veranlagten Ehepartnern/Lebenspartnern ist eine gesonderte Berechnung für jeden Ehepartner/Lebenspartner erforderlich, da es ausschließlich auf die Einkünfte des unterhaltspflichtigen Kindes ankommt. Auf Einkommen des Schwiegerkindes kommt es ebenso wenig an, wie auf das Vermögen des Kindes.

2. Muss das Kind gegenüber dem Sozialhilfeträger Auskunft erteilen?

Der Sozialhilfeträger kann vom Unterhaltspflichtigen, anders als in der Vergangenheit, keine Auskunft über die Einkommensverhältnisse verlangen, solange keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Einkommensgrenze von 100.000,00 € brutto vorliegen. Derartige hinreichende Anhaltspunkte können gegeben sein, wenn

- das Kind bereits in der Vergangenheit Auskunft erteilt hat;

- das Kind einer einkommensstarken Berufsgruppe zugehörig ist, z. B. Organ einer Kapitalgesellschaft

mit mehr als 20 Mitarbeitern, Chefarzt eines Krankenhauses, Ingenieur in Großunternehmen;

- Internetauftritt des unterhaltspflichtigen Kindes.

Auf Einkommen des Schwiegerkindes kommt es für die Unterhaltsverschonung ebenso wenig an, wie auf das Vermögen des Kindes und des Schwiegerkindes, sodass auch insoweit künftig kein Auskunftsanspruch mehr besteht.

3. Kann ein Elternteil selbst Unterhalt vom Kind fordern?

Bedürftige Eltern haben die Obliegenheit zur Selbsthilfe, d. h.: Wenn die eigenen Einkünfte und das Vermögen nicht zur Bedarfsdeckung ausreichen, müssen sie versuchen, rückgriffsfreie Sozialhilfeleistungen, z. B. Grundsicherung, zu erhalten. Einen weitergehenden unterhaltsrechtlichen Bedarf als das Existenzminimum, welches in der Regel durch Sozialhilfeleistungen gewährt wird, hat ein Leistungsbezieher auch gegenüber den eigenen Kindern nicht.

4. Neubestimmung des unterhaltsrechtlichen Selbstbehalts

Auch wenn die Jahresbrutto-Einkünfte des Kindes 100.000,00 € übersteigen, ist noch nicht gesagt, ob Elternunterhalt zu zahlen ist. Zu berücksichtigen ist, dass bei Einkünften von 100.000,00 € brutto sich nach Abzug von Steuern und Vorsorgebedarf (besondere Steuerklassen und Freibeträge mal außer Acht gelassen) bei Beamten ein monatliches Nettoeinkommen von über 5.000,00 € ergibt, bei sozialversicherungspflichtigen Nichtselbstständigen ein Nettoeinkommen von rund 4.800,00 € und bei Gewerbetreibenden und Freiberuflern von rund 3.100,00 €.

Da grundsätzlich beim Elternunterhalt den Kindern eine gewisse Lebensstandardgarantie gewährleistet werden soll, können verschiedene Bereinigungsposten, z. B. der Unterhalt für die eigenen Kinder, sekundäre Altersvorsorge, Kreditverbindlichkeiten u. ä., noch weiter einkommensreduzierend angesetzt werden. Hier sollte im Hinblick auf die Unterschiedlichkeiten des Einzelfalls ein Fachanwalt für Familienrecht herangezogen werden.

Beim ermittelten unterhaltsrechtlichen Einkommen ist der seit 01.01.2020 geltende Selbstbehalt von 2.000,00 € zu berücksichtigen. Nur die diesen Betrag übersteigenden Einkünfte können überhaupt, und insoweit nur zur Hälfte, für etwaigen Elternunterhalt angesetzt werden.

5. Haftungsgemeinschaft bei Geschwistern

Mehrere Geschwister haften nach § 1607 BGB anteilig entsprechend ihrer unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit. Da eine schlüssige Unterhaltsforderung gegenüber einem die maßgebende Brutto-Jahreseinkommensgrenze überschreitenden Kind nur begründet werden kann, wenn der Sozialträger zur Haftungsverpflichtung und etwaigen Haftungsanteilen der Geschwister Stellung nimmt, wird hier wohl ausnahmsweise auch ein Auskunftsanspruch des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Kind, dessen Jahreseinkommen nicht auf den ersten Blick die maßgebende Grenze überschreitet, bestehen.

6. Wie sollte sich das Kind verhalten, das bislang Elternunterhalt bezahlt hat?

Unterhaltspflichtige Kinder sollten erst einmal ihre Zahlungen einstellen, sofern diese nicht tituliert sind. Sofern ein Unterhaltstitel besteht, sollte dieser herausverlangt werden. Erst 2021 kann festgestellt werden, ob die Jahreseinkommensgrenze für das Jahr 2020 überschritten ist und der Unterhaltsanspruch für dieses Jahr auf den Sozialhilfeträger übergegangen ist. Die zur Beurteilung des Überschreitens der Jahreseinkommensgrenze notwendigen Informationen stehen erst nach Fertigung der Einkommensteuererklärung und des Einkommensteuerbescheids bereit.


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