Enterbt – was nun? Enterben – was tun?

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Kaum eine Frage des Erbrechts hält mehr Konfliktpotential bereit als die der Enterbung. Das liegt nicht nur an der hohen Emotionalität, die ein solch drastischer Schritt für alle Beteiligten mit sich bringt, sondern vor allem auch an der komplizierten deutschen Rechtslage. Der Beitrag gibt hierüber einen Überblick und zeigt auf, dass trotz Enterbung Ansprüche der Betroffenen bestehen können. 


Grundsatz der Testierfreiheit erlaubt Enterbung naher Angehöriger

Stirbt jemand in Deutschland, ohne ein Testament zu hinterlassen, so sieht das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) vor, dass das Vermögen des Verstorbenen (des sog. Erblassers) automatisch den nahen Angehörigen des Verstorbenen zufällt. Diese werden durch den Tod des Erblasser dann zu dessen gesetzlichen Erben. Zumeist handelt es sich hierbei um die Kinder und/oder den Ehepartner des Verstorbenen.

Häufig hat der zukünftige Erblasser jedoch ein erhebliches Interesse daran, dass diese gesetzliche Regelung vermieden wird. Durch Errichtung eines Testaments kann er daher einseitig festlegen, dass bestimmte – vom Gesetz eigentlich als Erben vorgesehene – Personen gerade nicht zu seinen Erben werden sollen.

Die möglichen Gründe hierfür sind denkbar verschieden – vor allem aber sind sie in rechtlicher Hinsicht zweitrangig. Ob ein Erblasser sich mit einem seiner Kinder über die „falsche“ Wahl eines Partners oder Studiums zerstritten hat, ob er sein Vermögen lieber seiner „heimlichen Geliebten“ zuwenden möchte als seiner Ehefrau oder ob diese ihm selbst fremdgegangen ist, ist dem Gesetz vom Ausgangspunkt her zunächst einmal egal. Auch muss eine Enterbung vom Erblasser weder besonders begründet noch vorher angekündigt werden. Es gilt der Grundsatz der Testierfreiheit.


Form- und Auslegungsbedürftigkeit

Voraussetzung für eine Enterbung ist jedoch allemal ein wirksames Testament, aus dem der Wille, eine bestimmte Person nicht zu bedenken, auch tatsächlich hervorgeht. Testamente sind form- und auslegungsbedürftig.

Hier hält das BGB einige Stolpersteine bereit. Aus Sicht des Testierenden empfiehlt es sich daher unbedingt, einen fachkundigen Rechtsanwalt mit der Erstellung eines entsprechenden Testaments zu beauftragen. Je umfangreicher die verschiedenen Vermögenswerte, je zahlreicher die Anzahl der zu bedenkenden und nicht zu bedenkenden Personen, desto größer die Gefahr, dass selbstgewählte Formulierungen am Ende zu ungewollten Ergebnissen führen.

Aus Sicht des Enterbten bedeutet dies im Umkehrschluss, dass dieser häufig die Möglichkeit haben wird, unverhofft doch noch zum Erben zu werden. Viele Testamente, die auf den ersten Blick eine Enterbung beinhalten, erweisen sich bei genauerem Hinsehen als nicht hieb- und stichfest. Auch diese Prüfung übernimmt am besten ein Rechtsanwalt, der die typischen Schwachstellen derartiger Testamente ausmachen kann.


Ansprüche gegen die Erben

Sollte sich eine Enterbung naher Angehöriger letztlich aber als wirksam herausstellen, so sind diese trotzdem nicht völlig schutzlos gestellt. Sie können nämlich grundsätzlich diejenigen, die statt ihrer zu Erben des Verstorbenen geworden sind, auf Zahlung des sog. Pflichtteils in Anspruch nehmen. Diese Möglichkeit sieht das BGB als Ausgleich dafür vor, dass die Enterbten durch das Testament ihrer eigentlich vorgesehenen Erbenstellung beraubt worden sind. Mit anderen Worten: Sie erhalten zwar nicht das Erbe als Ganzes, aber immerhin einen gewissen Wertanteil hiervon. § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmt, dass dessen Höhe die Hälfte des Wertes dessen ist, was ihnen als Erben zugestanden hätte.

Das klingt zunächst einmal nach einer fairen und einfachen Regelung. Die Probleme fangen freilich an, wenn die Enterbten mit ihren Ansprüchen an die Erben des Verstorbenen herantreten wollen und nicht wissen, wie hoch genau der Wert des Erbes denn nun gewesen ist. In der Tat kann die Ermittlung des Nachlasswertes von einer Vielzahl von Faktoren abhängen und sich deshalb als äußerst schwierig erweisen. 

Der erste Schritt, den ein Anwalt im Namen des Enterbten gehen wird, ist daher häufig erst einmal die Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs. Der Erbe hat dem Pflichtteilsberechtigten gem. § 2314 BGB ein detailliertes Nachlassverzeichnis zur Verfügung zu stellen. Dieses wird dann zur maßgeblichen Grundlage einer Pflichtteilsforderung. Daneben können jedoch auch noch weitere Umstände eine wichtige Rolle spielen, so z.B. eine Vermögensübertragung, die der Erblasser in den Jahren vor seinem Tod vorgenommen und dadurch das Erbe gemindert hat.


Fazit

Sowohl für den Testierwilligen als auch für dessen potentielle und tatsächliche Erben birgt die Enterbung Chancen und Risiken. Um das Bestehen von Ansprüchen, vor allem aber um deren Bezifferung, lässt sich in der Praxis fast immer trefflich streiten, weswegen die Einschaltung eines Rechtsanwalts sich in jedem Verfahrensstadium rentiert. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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