Erbausschlagung und Frist - unter besonderer Berücksichtigung "abgerissener Familienverhältnisse"

  • 4 Minuten Lesezeit

Beim Ausschlagen eines Erbes kann man vieles falsch machen – weshalb man sich auf jeden Fall zügig beraten lassen sollte.

Welche Voraussetzungen für eine Erbausschlagung gelten

1. Objektive und subjektive Voraussetzungen für eine Ausschlagung

Objektive Voraussetzung ist der Eintritt des Erbfalls: Es muss eine Person verstorben sein.

Subjektive Voraussetzungen, also Voraussetzungen in der Person des Erben, sind die Kenntnisse

  • von dem Anfall der Erbschaft, das ist die Kenntnis vom Erbfall,
  • und vom Grund seiner Berufung zum Erben. Das wiederum setzt auf der Seite des Erben voraus, dass er
  • aufgrund seines nahen Verwandtschaftsverhältnisses, z.B. als Sohn oder Tochter oder auch als Ehegatte, davon ausgehen können muss, Erbe geworden zu sein
  • oder dass der Erbe genau weiß, dass er in einem Testament oder Erbvertrag als Erbe eingesetzt wurde.

2. Die Form und der Ort der Ausschlagung

Die Ausschlagung muss erfolgen entweder zur Niederschrift des Nachlassgerichtes oder durch Erklärung gegenüber einem Notar, der die Erklärung beglaubigen muss.

Zuständig ist das Nachlassgericht, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, notfalls aber auch das Nachlassgericht, in dessen Bezirk der Erbe seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Wird die Erklärung gegenüber einem Notar abgegeben, dann kann dieser auch beauftragt werden, die Erklärung binnen Frist beim Nachlassgericht einzureichen.

Wichtig: 

Die Ausschlagung muss in jedem Fall in Papierform erfolgen! Eine Einreichung als pdf per E-Mail oder auch per elektronischem Anwaltspostfach reicht nicht aus! (OLG Bamberg, Beschluss vom 21.03.2022, Az. 2 W 35/21, ZErb 2022, 182 ff).

3. Welche Ausschlagungsfrist gilt und wann sie zu laufen beginnt

Der häufigste Fehler ist das Nichteinhalten der Ausschlagungsfrist:

Wenn die gesetzliche Erbfolge eingetreten ist, weil es kein (wirksames) Testament und keinen Erbvertrag gibt, dann beträgt die Frist sechs Wochen, beginnend ab dem Zeitpunkt, zu dem der Ausschlagende von dem Erbfall und seiner Erbenstellung (siehe oben 1.) Kenntnis erlangt hat.

Wenn es ein Testament oder einen Erbvertrag gibt, also die gewillkürte Erbfolge eingetreten ist, dann beträgt die Frist ebenfalls sechs Wochen, aber sie beginnt erst in dem Zeitpunkt, in dem der Erbe das Eröffnungsprotokoll vom Nachlassgericht zugestellt bekommen hat.

Hatte der Erbe sich im Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls im Ausland aufgehalten, dann beträgt die Frist sechs Monate ab seiner Kenntnis.

Die Folge des Ablaufs der Ausschlagungsfrist

Wenn die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist, ist die Erbfolge endgültig eingetreten.

Das ist misslich für denjenigen Erben, dem erst später klar wird, dass er das Erbe, aus welchem Grund auch immer, besser nicht angetreten hätte.

Was also tun?

Die Anfechtung der Annahme des Erbes

Mitunter hilft eine Anfechtung der Annahme der Erbschaft weiter. Diese muss, und zwar gleichzeitig mit der Erklärung der Ausschlagung,  zur Niederschrift des Nachlassgerichtes erklärt werden. Aber der Anfechtende braucht einen rechtlich wirksamen Grund für die Anfechtung.

Das Nachlassgericht, das die Erklärung zu Protokoll nimmt, prüft übrigens nicht nach, ob die Anfechtung der Annahme mit einem wirksamen rechtlichen Grund erfolgte – und darf dies auch gar nicht (OLG Nürnberg, Beschluss v. 01.12.2021, Az. I W 3870/21).

Später aber kann über die Wirksamkeit der Ausschlagung durchaus Streit entstehen, zum Beispiel, wenn der Erbe von einem Nachlassgläubiger in Anspruch genommen wird und sich dagegen wehren will.

Der rechtliche Grund für die Zulässigkeit einer Anfechtung 

– unter besonderer Berücksichtigung „abgerissener Familienverhältnisse“

Denkbare Irrtümer, die zu einer Anfechtung der Annahme der Erbschaft berechtigen könnten, sind Irrtümer über den Beginn oder über die Dauer der Ausschlagungsfrist und Irrtümer über das Vorliegen eines wirksamen Ausschlagungsgrundes. Ob die jeweiligen Irrtümer rechtlich bedeutsam sind oder nicht, dazu gibt es eine Vielzahl von Urteilen und Beschlüssen der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs.

Ein Beschluss des Oberlandesgerichts Celle betreffend einen Irrtum der Erben über den Beginn der Ausschlagungsfrist ist bemerkenswert, denn er befasst sich mit dem „Beginn der Ausschlagungsfrist bei abgerissenen Familienverhältnissen“:

Zwei Söhne waren – gesetzliche – Erben nach ihrem Vater geworden. Sie hatten zu ihrem Vater seit langer Zeit keinen Kontakt mehr und waren davon ausgegangen, dass die Lebensgefährtin ihres Vaters, die die Beerdigung organisiert und den Nachlass abgewickelt hatte, testamentarische Erbin geworden sei. Tatsächlich war die Lebensgefährtin nur die Bevollmächtigte des Vaters, was den Söhnen unklar geblieben war.

Das OLG Celle befand, dass es keine weiteren Umstände gegeben habe, aufgrund derer es sich den Söhnen habe aufdrängen müssen, dass es kein Testament gab, in dem sie enterbt wurden, und dass sie somit gesetzliche Erben geworden waren

(OLG Celle, Beschluss v. 07.02.2022, Az. 6 W 188/21, ZErb 2022, 146 ff).

Tipp

Wenn Sie wissen, dass Sie geerbt haben, oder aus guten Gründen (z.B. wegen der Nähe des Verwandtschaftsverhältnisses) davon ausgehen müssen, Erbe geworden zu sein, lassen Sie sich zügig darüber beraten, ob Sie das Erbe annehmen oder ausschlagen sollten und vor allem auch, welche rechtlichen Folgen eine Ausschlagung hätte.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Kathrin Fedder-Wendt

Beiträge zum Thema