Erbschaften in der Schweiz – Testamente, Erben und Pflichtteil nach schweizerischem Erbrecht

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Die Schweiz ist in vielerlei Hinsicht und aus guten Gründen bei Ausländern, auch bei Deutschen, als Wohnsitz beliebt.

Ein hoher Lebensstandard, großartige Naturlandschaften, stabile politische und wirtschaftliche Verhältnisse haben dazu geführt, dass nach amtlichen Zahlen etwa 1,2 Millionen EU-Ausländer in der Schweiz wohnen. Auch in (erbschafts-)steuerlicher Hinsicht bietet das Land Anreize, den Lebensmittelpunkt bzw. das eigene Unternehmen in die Schweiz zu verlagern und den Lebensabend dort zu verbringen. Dabei ist zu beachten, dass steuerrechtliche Regeln in der Schweiz je nach Kanton sehr unterschiedlich ausgestaltet sind.

Im Hinblick auf deutsche Staatsbürger führt diese Konstellation dazu, dass deutsch-schweizerische Erbfälle entstehen und auch in Deutschland ansässige Erben und Vermächtnisnehmer in der Schweiz einen Nachlass geltend machen und abwickeln müssen. Dies ist je nach Konstellation eine vielschichtige Aufgabenstellung, bei der die Erben regelmäßig mit schweizerischen Behörden, Gerichten, Notaren, Finanzbehörden und Banken in Kontakt treten.

In diesem Kontext ist es wichtig, zumindest die Grundzüge des schweizerischen Erbrechts zu kennen, damit die eigene Rechtsposition – gegenüber Miterben, Vermächtnisnehmern und Dritten – auch durchgesetzt werden kann.

Deutsches oder schweizerisches Erbrecht anwendbar?

Aus rechtlicher Sicht stellt sich für deutsche Erben mit einem Nachlass in der Schweiz zunächst die Frage, welches Erbrecht auf den Nachlass anzuwenden ist. Grundsätzlich wird dabei auf den letzten Wohnsitz des Erblassers abgestellt (Art. 90 I, 91 I IPRG). Entscheidend ist, ob der Erblasser einen Ort in erkennbarer Weise zu seinem Lebensmittelpunkt gemacht hat. Liegt dieser Ort in der Schweiz, gilt schweizerisches Erbrecht, es sei denn, dass testamentarisch etwas anderes verfügt worden ist.

Rechtswahl durch testamentarische Verfügung?

Für deutsche Staatsbürger besteht seit dem Inkrafttreten der EU-Erbrechtsverordnung am 17.08.2015 die Möglichkeit, durch testamentarische Verfügung die Anwendung deutschen Erbrechts festzulegen, auch wenn der Wohn- und übliche Aufenthaltsort in der Schweiz liegt. Dies mag z. B. Sinn machen, um gemeinsame testamentarische Verfügungen unter Ehegatten zu ermöglichen, die nach schweizerischem Erbrecht nicht möglich sind. Das schweizerische Erbrecht kennt nämlich kein gemeinschaftliches Ehegattentestament. In der Schweiz ist der Erblasser zudem im Hinblick auf Pflichtteile in seiner Testierfreiheit mehr eingeschränkt als nach deutschem Erbrecht. Kinder erhalten, wenn kein Ehegatte mehr vorhanden ist, nach schweizerischem Erbrecht drei Viertel des gesetzlichen Erbteils, während nach deutschem Erbrecht der Pflichtteil der Kinder auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beschränkt ist.

Gesetzliche Erbfolge in der Schweiz und Ehegatten-Erbrecht

Im schweizerischen Erbrecht gilt die gesetzliche Erbfolge, soweit keine testamentarischen Verfügungen getroffen wurden.

Die gesetzlichen Erben sind in drei Gruppen (Ordnungen/Stämme) eingeteilt. Geregelt ist die gesetzliche Erbfolge in den Artikeln 457 bis 466 des schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB). Es gilt wie in Deutschland das Parentelsystem. Dabei werden Erben wie folgt kategorisiert:

  • Erben erster Ordnung: Kinder und deren Abkömmlinge
  • Erben zweiter Ordnung: Eltern und deren Abkömmlinge
  • Erben dritter Ordnung: Großeltern und deren Abkömmlinge

Die Erbschaftsquote des überlebenden Ehegatten richtet sich danach, neben welchen Verwandten der Ehegatte als Erbe berufen ist (Artikel 462 ZGB).

Der Ehegatte erhält neben den Verwandten erster Ordnung die Hälfte der Erbschaft, neben Erben der zweiten Ordnung drei Viertel der Erbschaft. Sind neben dem Ehegatten nur Erben dritter Ordnung (Großeltern und deren Abkömmlinge) als Erbe berufen, fällt dem überlebenden Ehegatten die gesamte Erbschaft zu.

Eingetragene Lebenspartnerschaften sind in der Schweiz mit Inkrafttreten des Partnerschaftsgesetzes zum 01. Januar 2007 Ehegatten erbrechtlich gleichgestellt.

Schweizerisches und deutsches Erbschaftssteuerrecht/Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)

Zu beachten ist, dass die vorgenannte Wahlmöglichkeit hinsichtlich des materiellen Erbrechts die Besteuerung der Erbschaft nicht berührt.

Die Erbenbesteuerung richtet sich bei deutsch-schweizerischen Erbfällen nach deutschem und schweizerischem Steuerrecht (Kantons-Recht), wobei in einigen Kantonen Ehegatten und Kinder des Erblassers von der Erbschafts- und Schenkungssteuer ganz oder weitestgehend befreit sind. In Deutschland gelten unter Ehegatten und bei Erben erster Ordnung (Kinder des Erblassers) erhebliche Freibeträge, die in einer Vielzahl von Fällen zu einer vollständigen Befreiung von der Erbschaftssteuer führen. Bei großem Nachlässen fallen hingegen im Regelfall sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz Erbschafts-, Nachlass- bzw. Schenkungssteuern an.

Das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Deutschland-Schweiz gilt für Nachlasssteuern und Steuern auf Schenkungen auf den Todesfall, die von den Vertragsstaaten oder seinen Gebietskörperschaften (Kantone und Gemeinden in der Schweiz) erhoben werden. Das Abkommen verhindert vielfach eine internationale Doppelbesteuerung, wobei im Einzelfall zu prüfen ist, ob und inwieweit das DBA zu Gunsten der Erben und Beschenkten Anwendung findet.

Rechtstipp:

Bereits im Rahmen einer vorausschauenden Nachlassplanung sollte ein Testament erstellt werden, das sowohl den Vorstellungen des Testierenden wie auch steuerrechtlichen Implikationen optimal Rechnung trägt.

Die am 17.08.2015 in Kraft getretene Europäische Erbrechtsverordnung bietet auch im Verhältnis Deutschland-Schweiz mannigfache Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Wahl des Erbrechts. Diese können aber nur genutzt werden, wenn man aktiv wird und ein Testament errichtet bzw. ein bestehendes – veraltetes – Testament rechtzeitig modifiziert.

Erben in Deutschland ist bei Nachlässen mit Bezug zur Schweiz anzuraten, durch entsprechende Maßnahmen die Sicherstellung ihrer Erbenrechte zu gewährleisten und diese Rechte durch entsprechende Kommunikation/Maßnahmen gegenüber schweizerischen Gerichten, Behörden, Banken und anderen Stellen anzumelden und durchzusetzen. Gleiches gilt auch für Pflichtteilsberechtigte und Vermächtnisnehmer an einem schweizerischen Nachlass.

In vorgenannten Fällen empfiehlt sich – zumindest bei wirtschaftlich bedeutenden Nachlässen – die Einschaltung eines mit deutschem und schweizerischem Erbrecht vertrauten Rechtsanwalts. Dieser kann, ggf. in Abstimmung mit einem Steuerberater, zum einen präventiv – durch testamentarische Gestaltung – optimierend tätig werden.

Darüber hinaus wird ein mit grenzüberschreitenden Erbfällen vertrauter Rechtsanwalt in der Lage sein, den Erben, Pflichtteilsberechtigten und Vermächtnisnehmern in Deutschland hinsichtlich eines Nachlasses in der Schweiz zu ihrem Recht zu verhelfen.

 

 


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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