Erfolgreiche Abwehr von Gerüchten im Wirtschaftsleben: Teil 2 - Checkliste und Strategien

  • 4 Minuten Lesezeit

von Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann*


Der Umgang mit Gerüchten stellt Unternehmer und Unternehmen in der Praxis immer wieder vor große Herausforderungen.

Während ich mich im ersten Teil dieser Beitragsreihe noch mit den kommunikativen Strategien und Reaktionsmöglichkeiten im Umgang mit Gerüchten im Wirtschaftsleben beschäftigt habe, geht es im vorliegenden Teil 2 um die rechtlichen Abwehrmöglichkeiten.


Rechtliche Möglichkeiten

Es bestehen auch rechtliche Möglichkeiten gegen Gerüchte und Herabsetzungen vorzugehen.

Gerade wenn es um die Existenz eines Unternehmens geht, sind unverzüglich juristische Ansprüche zu prüfen.

Im Umgang mit geschäftsschädigenden Äußerungen muss zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen unterschieden werden.

Nach § 4 Nr. 1 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) sind geschäftsschädigende Äußerungen über Mitbewerber unlauter, wenn sie die geschäftlichen Verhältnisse des Mitbewerbers herabsetzen oder verunglimpfen.

Die Behauptung von unwahren Tatsachen, die einen Mitbewerber herabsetzen, ist stets nach § 4 Nr. 1 UWG - soweit nicht bereits nach § 4 Nr. 2 UWG - unzulässig.

Tatsachenbehauptungen über Mitbewerber sind vielmehr nur zulässig, wenn sie wahr sind oder zumindest auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruhen. Eine Tatsachenbehauptung ist erweislich wahr, wenn sie bewiesen werden kann.

  • Auch wahre geschäftsschädigende Tatsachen dürfen nach § 4 Nr. 1 UWG im Wettbewerb nur sehr zurückhaltend geäußert werden. Zulässig sind wahre, aber geschäftsschädigende Tatsachenbehauptungen nur, soweit ein sachlich berechtigtes Informationsinteresse der angesprochenen Verkehrskreise besteht. Außerdem muss der Wettbewerber einen hinreichenden Anlass haben, den eigenen Wettbewerb mit der Herabsetzung des Mitbewerbers zu verbinden, vgl. LG Hamburg, Urt. v. 09.07.2019 - Az.: 406 HKO 22/19

Meinungen über Mitbewerber oder ihr Angebot können aber als Herabsetzung oder Verunglimpfung nach § 4 Nr. 1 UWG unzulässig sein. Es ist auch unzulässig, die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabzusetzen oder zu verunglimpfen.

Formalbeleidigungen und formale Herabwürdigungen sind per se unzulässig.

  • Achtung: Eine Herabsetzung ist jedoch nicht unlauter, wenn sie wahr ist und im Rahmen der Meinungsfreiheit geäußert wird. Es ist entscheidend, ob in der Gesamtwürdigung der Äußerung und des Verhaltens des sich Äußernden eine unlautere Herabsetzung zu sehen ist.

Zumindest die pauschale Abwertung der Leistungen eines Mitbewerbers („Problematisch ist, dass sich merkwürdige Anbieter auf dem Markt befinden“) ist jedenfalls dann nach §§ 3, 4 Nr. 2 UWG unlauter, wenn die konkreten Umstände, auf die sich die abwertende Äußerung bezieht, nicht mitgeteilt werden, vgl. BGH Urteil vom 19.05.2011 - I ZR 147/09.

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass kritische Meinungsäußerungen über Mitbewerber („Dieser habe noch „eine ganze Reihe von vertraglichen Pflichten zu erledigen“) noch kein Wettbewerbsverstoß darstelle, sondern noch von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt sei, vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 28.03.2019 6 U 203/18.

Haben Geschädigte Anspruch auf Schadensersatz?

Hat die wettbewerbswidrige Herabsetzung eines Mitbewerbers dazu geführt, dass Kunden dieses Unternehmens bestehende Vertragsverhältnisse gekündigt haben, hat der Verletzer grundsätzlich den dadurch verursachten entgangenen Gewinn des Mitbewerbers als Schadensersatz zu ersetzen.

Bei der Berechnung des Schadens ist von der mit den Kunden vereinbarten Vergütung auszugehen. Jedoch sind im Wege der Vorteilsausgleichung nicht nur ersparte Aufwendungen des Geschädigten, sondern auch solche Einnahmen zu berücksichtigen, die der Geschädigte an Stelle der vereinbarten Vergütung erzielt hat (im Streitfall: Die Möglichkeit der Vergabe von Anzeigenraum an andere Kunden im Folgejahr), vgl. OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 19.09.2013 - 6 U 105/12.


Checkliste für das rechtliche Vorgehen:

  •  Liegt eine geschäftliche Handlung vor?
  • Liegt ein Fall vergleichender Werbung vor oder handelt es sich um eine andere – nicht nach § 6 UWG zu beurteilende –Werbung/Äußerung?
  • Handelt es sich bei der geschäftsschädigenden Äußerung um eine Tatsachenbehauptung oder um ein Werturteil?
  • Bei einer Tatsachenbehauptung
    • Ist die betreffende Handlung überhaupt geeignet, die Wertschätzung des betroffenen Mitbewerbers in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise zu verringern?
    • Beeinträchtigt die Handlung die Interessen des Mitbewerbers in unverhältnismäßiger Weise? Wobei das Informationsinteresse der Verbraucher und die Wertungen der Grundrechte zu berücksichtigen sind.
  • Bei einem Werturteil
    • Ist der konkrete Wortlaut der anschwärzenden Äußerung hinreichend klar und die Aufstellung der Behauptung auch nachweisbar (dokumentiert)?
    • Handelt es sich um eine vertrauliche Mitteilung und bestand ein berechtigtes Interesse an der Mitteilung?
  • Wem gegenüber ist die fragliche Äußerung aufgestellt worden?
  • Ist die Äußerung gut dokumentiert? /Sind Beweise gesichert?
  • Seit wann hat der Betroffene Kenntnis von der Äußerung?
  • Kommt neben den Ansprüchen auf Unterlassung, Auskunft und Schadenersatz auch ein Anspruch auf Widerruf der geschäftsschädigenden Äußerung in Betracht?
  • Soll nur zivilrechtlich vorgegangen werden oder kommt auch ein strafrechtliches Vorgehen nach §§ 185 bis 187 StGB (Beleidigung, Verleumdung, üble Nachrede) in Betracht?


Im 1. Teil dieser Beitragsreihe gehen wir auf die Reaktionsmöglichkeiten und Strategien im Umgang mit Gerüchten auf Unternehmensebene ein. Den Beitrag finden sie hier.


* Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann ist Gründungspartner von LFR Wirtschaftsanwälte München, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für gewerblichen Rechtsschutz, zertifizierter Wirtschaftsmediator (IHK) und systemischer Business Coach (IHK). Der Beitrag basiert auf seinen persönlichen Erfahrungen als Interessenvertreter in hochkonfliktären Wirtschafts- und Gesellschaftskonflikten.


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LFR Wirtschaftsanwälte sind Ihr Partner bei Wirtschaftskonflikten aller Art, insbesondere im Gesellschaftsrecht. Wir verfügen seit über 20 Jahren über umfangreiche Expertise in allen typischen Formen der Gesellschafterkonflikte, insbesondere Auseinandersetzungen in Familien- und Freiberuflergesellschaften, bei Startups und VC-finanzierten Gesellschaften, bei Personengesellschaften, AGs, Vereinen, Stiftungen, bei Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit Unternehmensverkäufen (M&A-Dispute) oder Unternehmensnachfolge, bei der Verteidigung von (ehemaligen) Gesellschaftern, Geschäftsführern, Vorständen, Aufsichts- und Beiräten gegen Ansprüchen von Insolvenzverwaltern oder Firmenkäufern, bei der Abberufung, Bestellung und Durchsetzung von Geschäftsführern, Vorständen und geschäftsführenden Gesellschaftern.

Foto(s): https://unsplash.com/de/fotos/fzOITuS1DIQ

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