Erneute Steuerhinterziehung durch Vereitelung der Vollstreckung – Steuerstrafsache – Steuerstrafrecht

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Erneute Steuerhinterziehung durch Vereitelung der Vollstreckung

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 21.08.2012, Az.: 1 StR 26/12, klargestellt, dass ein Steuerpflichtiger zunächst wegen Steuerhinterziehung im steuerlichen Festsetzungsverfahren und später wegen erneuter Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren -als Teil desselben Besteuerungsverfahrens- verurteilt werden kann. Denn obwohl dasselbe Besteuerungsverfahren betroffen sei, können unterschiedliche Taten im prozessualen Sinn vorliegen.

Wer also wegen Steuerhinterziehung verurteilt wird und sich im späteren Beitreibungsverfahren, mit dem die Steuerschulden vollstreckt werden sollen, durch falsche Angaben über seine persönlichen Verhältnisse „bewusst und systematisch als vermögenslos darstellt“ und hierdurch die Beitreibung der Steuern vereitelt, begeht eine weitere Steuerhinterziehung.

Im konkreten Fall machte der Steuerpflichtige im steuerlichen Festsetzungsverfahren unrichtige Angaben zu seinen Besteuerungsgrundlagen, so dass zu niedrige Einkommen- und Umsatzsteuern festgesetzt wurden. Wegen dieser und weiterer Taten wurde er wegen Steuerhinterziehung zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Als die offenen Einkommen- und Umsatzsteuerschulden beigetrieben werden sollten, stellte er sich „bewusst und systematisch“ (soweit Zitat aus dem vorgenannten Urteil des BGH) als vermögenslos dar, wodurch er die Beitreibung der geschuldeten Steuern vereitelte. Konkret verhielt es sich so, dass er sein „beträchtliches“ Vermögen bereits auf Dritte übertragen hatte und nun in zwei Schreiben an die Finanzbehörden und im Rahmen einer Selbstauskunft behauptete, er sei vermögenslos. Und nachdem die Finanzbehörden von ihm unter Zwangsmittelandrohung verlangt hatten, er solle eine eidesstattliche Versicherung abgeben, verschwieg er in der tatsächlich abgegebenen eidesstattlichen Versicherung weitere wesentliche Teile seines Vermögens.

Als er diese weiteren falschen Angaben machte, war bereits das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren hinsichtlich der falschen Angaben im Festsetzungsverfahren eingeleitet worden. Wegen der falschen Angaben im Beitreibungsverfahren wurde selbstverständlich erst später ermittelt. Er wurde dann erneut verurteilt, diesmal wegen Steuerhinterziehung in mehreren Fällen im Beitreibungsverfahren.

Der BGH sollte rechtliche Bedenken im Hinblick auf die weitere Verurteilung wegen Steuerhinterziehung prüfen. Bedenken haben nicht bestanden.

Zunächst ist relevant, dass eine Steuerhinterziehung grundsätzlich auch in einem Beitreibungsverfahren begangen werden kann, so dass man grundsätzlich davon ausgehen darf, dass unrichtige Schreiben, eine unrichtige Selbstauskunft und eine falsche eidesstattliche Versicherung im steuerlichen Vollstreckungsverfahren, die zu einer Steuerverkürzung führen, eine taugliche Tathandlung im Sinne des § 370 AO sind.

Selbstverständlich argumentierte die Verteidigung des Steuerpflichtigen in dem vorliegenden Verfahren, der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung im Beitreibungsverfahren hätte das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs entgegengestanden. Denn niemand darf mehrmals wegen ein und derselben Tat abgeurteilt werden. Dann muss aber auch ein und dieselbe Tat vorliegen. Das Beitreibungsverfahren ist zwar ein Teil des Besteuerungsverfahrens. Damit liegt jedoch noch kein einheitlicher Lebenssachverhalt vor. Der Steuerpflichtige hatte ursprünglich durch seine unrichtigen Angaben eine Festsetzung angestrebt, die eine Steuerverkürzung bewirken sollte. Im späteren Beitreibungsverfahren machte er unrichtige Angaben über seine Vermögensverhältnisse, womit er also nicht mehr eine unrichtige Steuerfestsetzung erwirken wollte, sondern verhindern wollte, dass wegen der bereits festgestellten Steueransprüche erfolgreich in sein Vermögen vollstreckt werden würde.

Da das Beitreibungsverfahren einen eigenständigen Verfahrensabschnitt darstellt, sind die unrichtigen Angaben des Angeklagten über seine Vermögensverhältnisse nach dem BGH als eine neue prozessuale Tat anzusehen. Also löste hier auch die bereits rechtskräftige Verurteilung des Steuerpflichtigen wegen Steuerhinterziehung im Festsetzungsverfahren hinsichtlich der Steuerhinterziehung im Beitreibungsverfahren keinen Strafklageverbrauch aus.

Das Vorbringen der Verteidigung, die eidesstattliche Versicherung sei wegen des Verbots des Zwangs zur Selbstbelastung (sog. Nemo-tenetur-Grundsatz) nicht verwertbar, war hier erfolglos. Die behördliche Aufforderung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung war kein unzulässiges Zwangsmittel; dies ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut der §§ 393 Abs. 1, S. 2 und 3 sowie 328 Abs. 1 S. 1 AO. Zudem berechtigt das vorerwähnte Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung nur zum Schweigen, nicht aber zur Begehung neuen Unrechts. Und vorliegend beging der Steuerpflichtige mittels falscher Angaben neues Unrecht.

Aber der Steuerpflichtige hätte sich auch in einer Konfliktlage befinden müssen, um sich erfolgreich auf das Verbot berufen zu können. Diese Konfliktlage hätte ihn zwingen müssen, sich wegen einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit selbst zu belasten. Dies war aber nicht der Fall. Seine unrichtigen Angaben waren nicht auf Beeinflussung der Festsetzung gerichtet, und die Ermittlungen betreffend die Beitreibung waren noch nicht eingeleitet.

Vor allem hätte er noch bis zu dem Zeitpunkt, in dem man ihm die Einleitung des -zweiten- Ermittlungsverfahrens mitgeteilt hatte, durch Erstattung einer Selbstanzeige Straffreiheit erlangen können. Völlig ohne Not wurden falsche Angaben gemacht, die eine weitere Verurteilung wegen Steuerhinterziehung zur Folge hatten. Hier zeigt sich, dass in steuerlichen Angelegenheiten dringend fachlicher Rat und Beistand eingeholt werden sollte, und zwar bis zur etwaigen Vollstreckung.

Alexander J. Fischer
Rechtsanwalt

-Fachanwalt für Steuerrecht-


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