Erschütterung des Beweiswerts von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen

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Ein bekanntes Szenario: Das Arbeitsverhältnis wird gekündigt, und der Arbeitnehmer legt daraufhin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Häufig kommen in einem solchen Fall Zweifel an der tatsächlichen Erkrankung des Arbeitnehmers auf, insbesondere, wenn die Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende der Kündigungsfrist fortdauert. Da AU-Bescheinigungen die gesetzlich vorgesehenen Beweismittel bei Krankheit des Arbeitnehmers sind, sind die Möglichkeiten des Arbeitgebers, dies in Zweifel zu ziehen, begrenzt.

Das BAG hatte sich nun in seiner Entscheidung vom 13.12.2023 (Az. 5 AZR 45/23) mit einem solchen Fall beschäftigt: Der Arbeitnehmer hatte nach Erhalt der Kündigung erst eine AU-Bescheinigung und danach noch mehrere Folgebescheinigungen vorgelegt, die den kompletten Zeitraum bis zum Ende der Kündigungsfristen, dem 31.05.2022, umfasste. Am Folgetag, dem 01.06.2022, war der Arbeitnehmer wieder arbeitsfähig und nahm eine neue Beschäftigung auf.

Das BAG hat hier entschieden, dass jedenfalls dann, wenn eine zeitliche Koinzidenz zwischen der durch die Folgenbescheinigungen festgestellten passgenauen Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses bestand, und unmittelbar danach eine neue Beschäftigung aufgenommen wird, der Beweiswert von (Folge-)AU-Bescheinigungen erschüttert sein kann. Es liegt dann am Arbeitnehmer, nachzuweisen, dass er tatsächlich erkrankt war.

Die Entscheidung folgt dem vom BAG in der als bahnbrechend zu bezeichnenden Entscheidung vom 18.01.2023 (5 AZR 93/22) bereits neu eingeschlagenen Weg, wonach auch beim Streit über das Vorliegen einer neuen Erkrankung iSv § 3 Abs. 1 S. 1 und 2 EFZG die Darlegungslast abgestuft auf den Arbeitnehmer übertragen werden kann. Der Arbeitnehmer ist demnach verpflichtet, sich selbst zu entlasten, indem er selbst Tatsachen vorzutragen hat, aus denen gefolgert werden kann, dass kein Fortsetzungszusammenhang vorgelegen hat. 

Dies stellt eine klare Abkehr vom bisherigen Grundsatz vor, dass der Arbeitnehmer allein durch die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entlastet ist, und dem Arbeitgeber die volle Beweislast obliegt, dass dem nicht so war. Dieser Grundsatz hat mit der neuen Entscheidung zum sog. "AU-Hopping" eine weitere Konkretisierung erhalten.



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