EU-Insolvenzrichtlinie (E): Sanierungsgewinne sollen nicht besteuert werden

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Der Vorschlag der EU-Kommission für eine vorinsolvenzliche Sanierung vom 22.11.2016 (Richtlinienentwurf über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU) ähnelt in weiten Strecken den im deutschen Insolvenzrecht bereits bekannten Regelungen zum Insolvenzplan, Schluck-Amend, vorinsolvenzliche Sanierung in Deutschland – Richtlinienentwurf der EU-Kommission, WPg 2017, 341, 346.

Mit dem EU-Richtlinienvorschlag allein erfolge keine Harmonisierung zentraler Aspekte der Insolvenz wie Vorschriften über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, eine gemeinsame Definition des Begriffs Insolvenz, Rangfolge der Forderungen und Insolvenzanfechtungsklagen. Die unterschiedlichen europäischen Steuer-, Arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften seien nicht überbrückbar, EU-Richtlinienentwurf Seiten fünf und sechs.

Der Rechtsrahmen für Finanzdienstleistungen bei Wertpapierfirmen und Organismen für gemeinsame Anlagen (Finanzvehikel nach dem KAGB, d. V.) unterliege besonderen Regelungen und werde durch den Richtlinienvorschlag nicht berührt, Seite 11 des EU-Richtlinienentwurfes.

Erlass von Steuern auf den Sanierungsgewinn 

Zum Erlass von Steuern auf den Sanierungsgewinn wird in dem Richtlinienentwurf positiv Stellung genommen. Denn: Das Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg tadelte den deutschen Sanierungserlass als rechtswidrig. In zwei Entscheidungen mit Datum vom 4. Februar 2016 hatte das Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg einen Erlass von Steuern auf Sanierungsgewinne verneint. Gemeint worden war hier, es sei dem Steuersystem nicht inhärent, Unternehmen in Schwierigkeiten den Zugang zum Kapital zu erleichtern.

Aber: Nach dem Schema der Insolvenzrichtlinie dürften auf EU-Ebene Sanierungsgewinne zukünftig ungeachtet der bisherigen Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg steuerfrei bleiben, wenn sich private Gläubiger und Fiskus gleichermaßen in die Sanierung einbringen. In dem EU-Richtlinienentwurf heißt es dazu:

„Der Vorschlag lässt die Vorschriften über staatliche Beihilfen unberührt. Staatliche Gläubiger verzichten nicht auf ihre Forderungen, weswegen nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen an Schuldner gewähren, nur weil sie an einem Restrukturierungsplan beteiligt sind, sofern sich die Restrukturierungsmaßnahmen auf staatliche Gläubiger in gleicher Weise wie auf private Gläubiger auswirken und sofern sich die staatlichen Gläubiger wie private Akteure einer Marktwirtschaft in einer vergleichbaren Situation verhalten,“ Seite 14 des EU-Richtlinienentwurfes.

Es kommt also nur auf die Gleichbehandlung von privaten Gläubigern und dem Fiskus an. Ist diese gewahrt, dürfte der Erlass gelten.

Das Recht auf einen Neustart

Das Grundrecht auf unternehmerische Freiheit (Artikel 16 bzw. 15 der Charta der Grundrechte) seien garantiert. Schuldner in finanziellen Schwierigkeiten könnten ihren Betrieb während der Restrukturierungsverhandlungen fortsetzen und behielten die volle oder zumindest teilweise Kontrolle über ihre Vermögenswerte und Geschäfte. Überschuldete Unternehmer würden nach einer vollen Entschuldung die Chance auf einen Neustart erhalten, Seiten 22, 23 des EU-Richtlinienentwurfes.

Fazit: Bislang stand bei erfolgreich sanierten Unternehmen die Nachversteuerung von Sanierungsgewinnen im Raume. Durch den Beschluss des BFH vom 28.11.2016 (!), GrS 1/15, zur formellen Unwirksamkeit des Sanierungserlasses wurde diese Unsicherheit merklich gesteigert. Denn EU-rechtlich war ein Erlass eventuell nicht statthaft gewesen. Nach dem Konzept des EU-Richtlinienentwurfes könnte die delikate Frage der Versteuerung von Sanierungsgewinnen auf EU-Ebene im Zuge der Kapitalmarktunion bald zu den Akten gelegt werden.


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