EuGH-Vorlageverfahren zum Maßstab der sek. Darlegungslast bei Urheberrechtsverletzungen im Internet

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Am 06.06.2018 hat der Generalanwalt Maciej Szpunar seine Schlussanträge in dem Vorabentscheidungsverfahren C-149/17 – Bastei Lübbe gestellt.

Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Herr S. wurde von der Bastei Lübbe AG auf Zahlung von Schadensersatz verklagt, da über seinen Internetanschluss ein Hörbuch, an dem die Bastei Lübbe AG die ausschließlichen Verwertungsrechte innehat, einer unbegrenzten Anzahl von Nutzern einer Internettauschbörse zum Download angeboten wurde. Herr S. hat die Rechtsverletzung bestritten und u. a. geltend gemacht, er könne für die über seinen Internetanschluss begangene Urheberrechtsverletzung nicht haftbar gemacht werden, da seine im selben Haus wohnenden Eltern ebenfalls Zugriff auf seinen Internetanschluss hätten.

Das Landgericht München I hat in der Berufungsinstanz das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Im Kern hat das vorlegende Gericht Zweifel daran, ob ein aufgrund des Schutzes von Ehe und Familie stark eingeschränkter Maßstab der sekundären Darlegungslast mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

WALDORF FROMMER vertritt die Bastei Lübbe AG sowohl im Ausgangsverfahren als auch vor dem Europäischen Gerichtshof.

Generalanwalt Szpunar schlägt dem Europäischen Gerichtshof vor, das Vorabentscheidungsersuchen wie folgt zu beantworten:

„Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft und Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sind dahin auszulegen, dass sie nicht vorschreiben, im nationalen Recht der Mitgliedstaaten eine Vermutung der Haftung der Inhaber eines Internetanschlusses für über diesen Anschluss begangene Urheberrechtsverletzungen einzuführen. Sieht das nationale Recht jedoch zum Schutz dieser Rechte eine solche Vermutung vor, muss sie kohärent angewandt werden, um die Wirksamkeit dieses Schutzes zu gewährleisten. Das durch Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannte Recht auf Achtung des Familienlebens kann nicht dahin ausgelegt werden, dass den Rechtsinhabern jede reelle Möglichkeit genommen wird, ihr durch Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte verbürgtes Recht des geistigen Eigentums zu schützen.“

In seinen Ausführungen hat der Generalanwalt dabei u. a. auf Folgendes hingewiesen:

Da sich die Rechteinhaber bei anonym begangenen Rechtsverletzungen im Internet in einer Situation der Beweisnot befinden, könne mit Beweiserleichterungen gewährleistet werden, dass der unionsrechtlich vorgesehene Anspruch auf Schadensersatz wirksam durchsetzbar ist. Eine solche Beweiserleichterung könne „insbesondere darin bestehen, dass die Schuld des Inhabers des Internetanschlusses für die von seiner IP-Adresse aus begangene Rechtsverletzung vermutet wird.“

Eine Pflicht zur Einführung einer solchen Vermutung sei zwar in den Richtlinien 2001/29 und 2004/48 nicht ausdrücklich vorgesehen.

„Wenn diese Maßnahme jedoch das wichtigste Mittel ist, welches das nationale Recht zur Gewährleistung der Wirksamkeit des in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 genannten Schadensersatzanspruchs vorsieht, dann muss sie kohärent und wirksam angewandt werden. Diese Maßnahme könnte ihr Ziel nicht erreichen, wenn es zu leicht wäre, die Schuldvermutung zu widerlegen, sodass dem verletzten Inhaber keine weitere Möglichkeit gelassen würde, seinen Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens geltend zu machen. Dieser Anspruch würde dann illusorisch. […]

Wenn das vorlegende Gericht demnach Zweifel an der Auslegung und der Anwendung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Haftung und Pflichten von Inhabern von Internetanschlüssen hat, muss es folglich derjenigen den Vorzug geben, mit der sich die Wirksamkeit des Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums am besten gewährleisten lässt. […]

Der Generalanwalt hat sich schließlich auch dazu geäußert, wie seiner Auffassung nach bei der Anwendung der o. g. Richtlinien die betroffenen Grundrechte in ein angemessenes Gleichgewicht gebracht werden müssen.

„Sollte das dem Inhaber des Internetanschlusses unter dem Gesichtspunkt des Schutzes seines Familienlebens zuerkannte Recht, Auskunft über die möglichen Täter der Urheberrechtsverletzung zu verweigern, den Inhaber dieser Rechte tatsächlich daran hindern, Ersatz für den erlittenen Schaden zu erhalten, würde das den Wesensgehalt des Rechts dieses Inhabers am geistigen Eigentum beeinträchtigen. In diesen Fällen müsste das Eigentumsrecht Vorrang vor dem Recht auf Achtung des Familienlebens haben. Sollte dagegen ein solcher Eingriff in das Familienleben nach Ansicht des nationalen Gerichts unzulässig sein, müsste der Inhaber des Internetanschlusses für die Urheberrechtsverletzung haftbar gemacht werden.“

Es bleibt nunmehr abzuwarten, ob der Gerichtshof – wie häufig der Fall – dem Entscheidungsvorschlag des Generalanwalts folgen wird.


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