Fahrerlaubnisentziehung: Den Wohnsitz nach Bayern verlegen, um den Führerschein zu retten?

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Das Punktesystem ist 2021 trotz Reform im Jahr 2014 alles andere als transparent!

Vorgenommen hatte sich Verkehrsminister Ramsauer damals, das als höchst kompliziert geltende Punktesystem zu vereinfachen. Schon kurz nach der Einführung der neuen Regeln war aber klar, dass dieses Ziel der Reform kaum zu erreichen sein wird. Wann die Fahrerlaubnisbehörde welche Maßnahme zu ergreifen hat, ist für Betroffene ohne rechtlichen Beistand auch heute noch oft nicht wirklich gut vorherzusehen.

Und auch Spezialisten können am System scheitern, wie eine neuere Entscheidung des Verwaltungsgerichts Leipzig zeigt. Das Gericht musste sich dabei mit einer Frage befassen, in der der Freistaat Sachsen, gestützt durch das sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG), bisher einen Sonderweg beschritten hatte. Die Rechtsauffassung des OVG Bautzen führte bis zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im letzten Juni dazu, dass beispielsweise ein aus Bayern nach Sachsen umziehender Führerscheinbesitzer seine Fahrerlaubnis entzogen bekommen konnte, weil Sachsen Punkte mitzählte, die in Bayern und dem Rest der Republik außerhalb Sachsens längst als unverwertbar galten. In die andere Richtung konnte manch ein Sachse seinen Führerschein schon dadurch retten, indem er in ein anderes Bundesland wegzog.

Im letzten Jahr sollte diese Absurdität durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts an sich ein Ende gefunden haben. Für einen aktuell Betroffenen erfüllte sich diese Hoffnung zunächst jedoch nicht, denn er hatte mit dem Beharrungsvermögen der Leipziger Fahrerlaubnisbehörde zu kämpfen. Worum geht es?


Die Regelungen des § 29 Abs. 7 StVG

Bei 8 Punkten wird die Fahrerlaubnis entzogen. Weil sich Punkte aufgrund gesetzlicher Regelung bereits ab Begehung der Zuwiderhandlung ergeben und nicht erst ab Rechtskraft einer Entscheidung einer Bußgeldstelle oder eines Gerichtes, können viele Monate bis zur Feststellung eines solchen dann zurückliegenden Punktestandes verstrichen sein. In dieser Zeit kann dann eine frühere Eintragung nicht nur getilgt, sondern im Fahreignungsregister auch gelöscht sein, so dass zum Zeitpunkt der Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde oft nur noch deutlich weniger als 8 Punkte eingetragen sind.

Eine Eintragung, die „nur“ getilgt ist, darf von der Fahrerlaubnisbehörde noch ein Jahr berücksichtigt werden (sog. Überliegefrist). Mit Ablauf dieses Jahres wird die Eintragung gelöscht. Ab dann – so steht es in § 29 Abs. 7 Straßenverkehrsgesetz (StVG) – darf sie nicht mehr zum Nachteil des Betroffenen verwertet werden.


Fahrerlaubnisentziehung nach sächsischer Rechtsprechung

Diese Regel klingt ziemlich absolut und doch hat sie das OVG Bautzen nicht davon abgehalten, im sich aus § 4 StVG folgenden Tattagprinzip ein spezielleres, das Verwertungsverbot durchbrechendes Prinzip, zu finden, um damit eine auch nach Löschung noch mögliche Fahrerlaubnisentziehung begründen zu können. Dieser Auffassung ist kein weiteres Oberverwaltungsgericht in Deutschland gefolgt. Mehrere andere OVGs vertraten in einigen Entscheidungen aber die gegenteilige Meinung.

Erst nach einigen Jahren, im Juni 2020, hatte endlich das Bundesverwaltungsgericht einen geeigneten Fall, um diese streitige Frage entscheiden zu können. Die schon im Jahr 2019 beim Verkehrsgerichtstag in Goslar belächelte Sondermeinung des OVG Bautzen konnte sich vor den höchsten deutschen Verwaltungsrichtern nicht durchsetzen.

Die nun an sich eindeutige Rechtslage hielt aber die Fahrerlaubnisbehörde Leipzig nicht davon ab, trotz Widerspruchs gegen einen Bescheid über die Entziehung der Fahrerlaubnisbehörde auf den sogenannten Sofortvollzug zu bestehen. Damit hätte der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung entfaltet und der Führerschein wäre bis zur endgültigen Entscheidung über die Entziehung vorläufig weg gewesen.

Das Verwaltungsgericht Leipzig ist jetzt der Fahrerlaubnisbehörde entgegengetreten und hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederhergestellt (Beschluss vom 16.02.2021, Az.: 1 L 26/21).


Fazit:  Es zeichnet sich also ab, dass nun auch in Sachsen eine im Fahreignungsregister gelöschte Eintragung nicht mehr zu Lasten des Betroffenen zur Begründung einer Fahrerlaubnisentziehung herangezogen werden kann. Man wird daher zukünftig bei einer Punktehäufung in Flensburg sehr genau prüfen müssen, wann Tilgungs- und vor allem Löschungstermine liegen, um die Chancen auf den Führerscheinerhalt zu wahren.

[Detailinformationen: RA Klaus Kucklick, Fachanwalt für Verkehrsrecht, ADAC-Vertragsanwalt, Telefon 0351 80718-70, kucklick@dresdner-fachanwaelte.de


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