Falsch geblitzt mit PolyScan speed. Was tun?

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Vitronic PolyScan speed ist ein seit 2006 zugelassenes Geschwindigkeitsmessgerät. Es handelt sich um ein Lasermessverfahren, das aus einer Messeinheit, einer Bedieneinheit und einem Rotlichtblitz besteht. Überschreitet ein Fahrzeug den eingestellten Geschwindigkeitsgrenzwert erstellt das System Lichtbilder, aus denen ein Beweismitteldatensatz erstellt wird.

Bei der Auswertung der Lichtbilder dient eine Auswertschablone als Zuordnungshilfe, die digital über das Messfoto gelegt wird. Innerhalb dieser Schablone dürfen sich außer dem Fahrzeug des Betroffenen keine Teilbereiche anderer Fahrzeuge befinden. Die Unterseite des Rahmens muss unterhalb der Vorderräder sichtbar sein und es muss sich innerhalb des Rahmens entweder das Kennzeichne oder ein Vorderrad des Betroffenen-Fahrzeugs befinden.

Fluch des sogenannten standardisierten Messverfahrens

In der obergerichtlichen Rechtsprechung gilt das Messverfahren Vitronic PolyScan speed als standardisiertes Messverfahren.  Als Standardisiert wird nach einer Definition des Bundesgerichtshofs (BGH) ein Messverfahren bezeichnet, wenn die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind. Bestehen keine Anhaltspunkte für Mess- bzw. Zuordnungsfehler, zu denen es selbstverständlich auch bei einem standardisierten Messverfahren kommen kann, muss das Gericht keinerlei Ermittlungen zu möglichen Messfehlern durchführen. Daher kann der Bußgeldrichter nur durch Beweisantrag des Betroffenen bzw. seines Verteidigers, der konkrete Anhaltspunkte für eine mögliche Fehlerhaftigkeit der Messung benennt, zur Ausübung seiner Amtsaufklärungspflicht getrieben werden (etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens). Ohne konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler (allgemeine Behauptungen á la die Messung war Fehlerhaft reichen nicht) genügt das Amtsgericht seiner Aufklärungs- und Darlegungspflicht bereits dann, wenn es lediglich feststellt, welches Messverfahren angewandt worden ist, dass das Gerät im Zeitpunkt der Messung gültig geeicht war und welcher Toleranzabschlag vorgenommen wurde. Die Beweislast für einen Fehler bei der Messung liegt somit beim Betroffenen. Obwohl er quasi in der Rolle des Beschuldigten steht, muss er sich aktiv entlasten.    

Obwohl PolyScan speed als „standardisiertes Messverfahren" anerkannt ist, werden von sachverständiger Seite nicht unerhebliche Einwände gegen die Zuverlässigkeit dieses Messsystems erhoben.

Einer dieser Einwände betrifft die Zuordnungssicherheit, wenn sich zwei oder mehrere Fahrzeuge der gemessenen Fahrtrichtung auf dem Messfoto befinden. In solchen Konstellationen soll diese nicht gewährleistet sein, sogar wenn der Auswertrahmen nur auf Teilen der Front eines einzigen Fahrzeugs zu sehen ist.

Auch hätten Versuche ergeben, dass bei 5% der Messungen die Fahrspurerkennung unzutreffend sei.

Kommt es zu Änderungen der Geschwindigkeit im Messbereich soll es zu Abweichungen kommen. Ebenso bei der Unterscheidung zwischen Pkw und Lkw.

Bei den älteren Softwareversionen 1.5.3 und 1.5.4. bestand die Möglichkeit einer verzögerten Fotoauslösung, was eine falsche Positionierung des Auswertrahmens nach sich ziehen konnte. Auch mit der seit dem 21.07.2010 zugelassenen Version 1.5.5 soll die Wahrscheinlichkeit einer verzögerten Fotoauslösung nicht vollständig beseitigt worden sein, lediglich reduziert.      

Kaum eine Chance ohne Anwalt

Aufgrund der oben beschriebenen Besonderheiten des „standardisierten Messverfahrens" und der sich daraus ergebenen Last, konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler vorzutragen, kommt dem Akteneinsichtsrechts für den Betroffenen die größte Bedeutung zu.

Denn erst durch eine umfassende Akteneinsicht in alle für die Messung relevanten Unterlagen wird der Betroffene im Bußgeldverfahren überhaupt in die Lage versetzt, konkret einen Messfehler behaupten zu können. Andernfalls liefe sein Beweisantrag Gefahr als bloße „Behauptung ins Blaue" abgelehnt zu werden.

Das umfassende Akteneinsichtsrechts wird in der Regel nur Rechtsanwälten gewährt. Dabei geht es nicht nur um solche Unterlagen, die ohnehin regelmäßig bzw. auf Nachfrage von der zuständigen Bußgeldbehörde zum Aktenbestandteil gemacht werden (z.B. Messprotokoll, Eichschein, bei der Tat gefertigte Videoaufzeichnung), sondern vor allem auch um die Bedienungsanleitung des Messgerätes und dessen „Lebensakte". Denn wie soll der Betroffene die korrekte Anwendung des Messverfahrens in seinem Fall überprüfen können, wenn die richtige Bedienung des Messsystems nicht anhand Hersteller-Gebrauchsanweisung im Einzelnen nachvollzogen werden kann? Wie soll er feststellen können, ob die durch einen von der Behörde vorgelegten Eichschein dokumentierte Eichgültigkeit des Messgerätes im Tatzeitpunkt nicht nachträglich durch einen außerplanmäßigen Eingriff am Messgerät erloschen ist, wenn der nicht die technische Aufzeichnung zu Gesicht bekommt, die vom Gerätebetreiber als eine Art Wartungsheft zum Messgerät geführt wird (eingebürgert hat sich hier der Begriff „Lebensakte")?



Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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