Falschbeschuldigung im Sexualstrafrecht

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In vielen Sexualstrafverfahren gibt es häufig nur ein Beweismittel: das mutmaßliche Opfer als Zeuge. Obwohl Zeugenaussagen grundsätzlich die unsichersten Beweismittel in einem Strafverfahren sind, misst ihnen der deutsche Strafprozess weiterhin eine hohe Bedeutung zu.

Hohe Falschbeschuldigtenrate bei Sexualdelikten

Dabei beinhaltet vor allem das Sexualstrafrecht mit seinen vielen „heimlichen Delikten“ ohne Zeugen wie Kindesmissbrauch und Vergewaltigung die Gefahr von Falschbeschuldigungen. Die Anzahl von Falschbezichtigungen kann dabei jedoch nur geschätzt werden. Das bayerische Landeskriminalamt ging in einer Veröffentlichung von einer Falschbezichtigungsquote von rund 50% aus. In Österreich nehmen Ermittler teilweise Quoten von bis zu 80% an.

Auch die Zahlen aus der Gewaltopferambulanz der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf lassen eine hohe Rate an Falschbezichtigungen vermuten. Lediglich bei einem Drittel der vorstellig gewordenen mutmaßlichen Vergewaltigungsopfer gingen die Ärzte tatsächlich von einer Vergewaltigung aus. Bei rund 27 Prozent hielten die Ärzte die Verletzungen dagegen für fingiert. In den restlichen Fällen war der Befund unklar.

Bei sexuellem Missbrauch häufig: Aussage gegen Aussage-Konstellation

In einem Strafverfahren wegen Vergewaltigung oder sexuellen Missbrauch eines Kindes wird es zumeist zu einer Aussage gegen Aussage-Konstellation kommen. Grundsätzlich zählt zwar der Satz „im Zweifel für den Angeklagten“, jedoch muss das Gericht dafür tatsächliche Zweifel haben.

Schätzt das Gericht die Aussage des mutmaßlichen Opfers als glaubhaft ein, müssen meist nur wenige Indizien hinzukommen, damit das Gericht von der Täterschaft überzeugt ist. Passen dann noch die restlichen Tatumstände, droht häufig eine lange Freiheitsstrafe, wenn nicht frühzeitig aktiv gegen den Schuldvorwurf verteidigt wird.

Glaubhaftigkeit einer Aussage überprüfen

Maßgeblich für das Strafverfahren in Sexualdelikten ist somit die Aussage des mutmaßlichen Opfers. Dabei entsteht vor allem bei Sexualstraftaten ein Spannungsverhältnis. Widersprüche und mögliche Hinweise auf eine Falschaussage lassen sich am besten durch mehrfache Vernehmung von Zeugen aufdecken. Die sogenannte „Aussagekonstanz“ ist ein wichtiges Merkmal für die Bewertung einer Aussage. Gleichzeitig soll jedoch von Gesetz wegen eine Mehrfachvernehmung von tatsächlichen Opfern möglichst vermieden werden, um die Gefahr einer möglichen sekundären Traumatisierung zu senken.

In der Regel wird sich bei der Beurteilung von Aussagen auf aussagepsychologische Gutachten verlassen. Aber auch die Aussagepsychologie hat ihre Grenzen. Vor allem wenn eine Suggestion eingetreten ist, der Zeuge also tatsächlich an seine falsche Aussage glaubt, kann die Falschaussage nur sehr schwer aufgedeckt werden.

Vor allem in Sorgerechtstreitigkeiten wird häufig der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs des Kindes vorgebracht. Bereits ein Elternteil kann das Kind, wobei Kinder besonders anfällig für Suggestion sind, beeinflussen. Aber auch die spätere Vernehmung durch unqualifizierte Polizeibeamte und das Stellen von Suggestivfragen kann eine Aussage in eine falsche Richtung lenken. Die Aufgabe eines Rechtsanwalts ist das Aufzeigen genau dieser suggestiven Einflüsse.

Bei erwachsenen Personen kommen dagegen zwei andere Faktoren hinzu. Einerseits stecken häufig psychische Probleme und Erkrankungen hinter der Falschbeschuldigung in Sexualstrafverfahren. Andererseits können aber auch enttäuschte Gefühle, beispielsweise nach einem One-Night-Stand, dahingehend umgedeutet werden, dass die Person sich tatsächlich „missbraucht“ fühlt. Ist ein solcher Vorwurf, und sei es nur gegenüber privaten Freunden, erhoben worden, befindet sich der Zeuge häufig in einer Aussagespirale. Er fühlt sich quasi gezwungen die falsche Aussage immer wieder zu bestätigen. Wichtig ist es daher, dass dem Hauptbelastungszeugen in jeder Phase des Verfahrens die Möglichkeit eröffnet wird, seine falsche Aussage zu berichtigen.

Verteidigung in Sexualstrafsachen

Aber selbst wenn sich der Verdacht im späteren Verfahren als falsch herausstellen sollte, sind die Auswirkungen massiv. So ist das Sorgerecht in einem Sorgerechtverfahren beispielsweise meist schon entzogen. Auch die Auswirkungen auf das private und berufliche Umfeld sind zumeist schon eingetreten. Spätestens wenn die Untersuchungshaft droht, ist die private Existenz in massiver Gefahr.

Aus diesem Grund sollte beim Vorwurf einer Sexualstraftat sofort ein spezialisierter Anwalt aufgesucht werden. Bei Sexualdelikten müssen wichtige Weichenstellungen schon im Vorverfahren getätigt werden. Häufig kann bereits frühzeitig im Verfahren auf mögliche Widersprüche in Aussagen hingewiesen und damit eine Hauptverhandlung vermieden werden.

Auf keinen Fall, selbst wenn die Anschuldigung offensichtlich unbegründet ist, sollte ohne Rücksprache mit einem Anwalt eine Aussage getätigt werden. Ohne vorherige Akteneinsicht ist der Versuch, sich zu entlasten meist, ein Schuss ins Blaue. Daher ist der wichtigste Rat beim Vorwurf ein Sexualdeliktes: schnell zu einem spezialisierten Anwalt.

Weitere Informationen zu Rechtsanwalt Dr. Böttner finden sie unter www.strafrecht-bundesweit.de


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