Filesharing: Gibt es eine vorgerichtliche Antwortpflicht bei einer Abmahnung? | Teil 1 von 3

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Die Zahl an Filesharing-Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen ist stark rückläufig und im Vergleich zu noch vor einigen Jahren kaum noch von Bedeutung. Dafür haben gerichtliche Verfahren im Gegenzug deutlich an Bedeutung gewonnen. Der BGH hat betreffend Filesharing-Abmahnungen in den letzten Jahren auch einige wichtige Fragen geklärt; trotzdem gibt es nach wie vor einige nicht höchstrichterlich geklärte Rechtsfragen.

Eine davon ist das Folgende:

Inwieweit ist derjenige Anschlussinhaber, der geltend machen will, dass er selbst nicht der Täter ist, weil tatsächlich ein Dritter die Rechtsverletzung begangen hat, zu einer vorgerichtlichen Sachverhaltsaufklärung verpflichtet? Mit anderen Worten: muss ein Anschlussinhaber einen ihm bekannten Täter bereits vorgerichtlich nennen?

Der rechtliche Hintergrund dieser Frage ergibt sich aus einer Eigenart, die in Filesharing-Verfahren besteht.

Im gerichtlichen Verfahren gilt nämlich zunächst einmal die Vermutung, dass der Anschlussinhaber persönlich für eine über seinen Internetanschluss begangene Urheberrechtsverletzung haftet. Sofern der Anschlussinhaber sich dieser Verantwortlichkeit entziehen will, trifft ihn eine sog. sekundäre Darlegungslast, nach der er im Prozess nachvollziehbar darstellen muss, wer an seiner Stelle als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommt. Nur wenn der Anschlussinhaber dieser sekundären Darlegungslast nachkommt, besteht eine Chance auf eine erfolgreiche Abwehr von z. B. Schadenersatzforderungen im gerichtlichen Verfahren.

Nun gibt es durchaus Fälle, in denen der Anschlussinhaber nicht persönlich für die ihm vorgeworfene Rechtsverletzung verantwortlich ist, sondern entweder schon im Zeitpunkt des Erhalts der Abmahnung oder aufgrund anschließend getätigter Nachforschungen weiß, wer der Täter ist. In solchen Fällen hat der Anschlussinhaber grundsätzlich die Möglichkeit, dass er gegenüber dem Rechteinhaber den Täter offenbart, um sich selbst der ihn andernfalls treffenden Vermutungshaftung zu entziehen. Nachvollziehbarerweise gibt es aber auch Situationen, in denen der Anschlussinhaber den wahren Täter nicht nennen will – z. B., weil es sich um Familienmitglieder oder Freunde handelt.

In einer solchen Konstellation hat der Anschlussinhaber es selbst in der Hand, ob er bei einem möglichen Prozess seiner sekundären Darlegungslast nachkommt (also z. B. das Familienmitglied benennt, das die Rechtsverletzung begangen hat mit der Folge, dass der Rechteinhaber sodann die Ansprüche auf diese Person umwälzen wird) oder ob er sich dazu entschließt, die sekundäre Darlegungslast nicht zu erfüllen und stattdessen ein Urteil zu seinen Lasten hinzunehmen, um den wahren Täter zu schützen.

In anderen Fällen, insbesondere in solchen, in denen zwischen dem Anschlussinhaber und dem Täter keine besondere Nähebeziehung besteht, kann der Anschlussinhaber indessen den Täter in einem gerichtlichen Verfahren ohne weiteres benennen. Die Folge: der Anschlussinhaber kommt seiner sekundären Darlegungslast nach und die Klage ihm gegenüber wird abgewiesen. Außerdem muss der klagende Rechteinhaber die Verfahrenskosten tragen.

Dieses Ergebnis ist nachvollziehbarerweise für den klagenden Rechteinhaber insbesondere aufgrund der zu bezahlenden Verfahrenskosten ärgerlich, auch wenn dieser sich nach Nennung des wahren Täters an diesen halten kann (und im Übrigen die im Vorprozess gegen den Anschlussinhaber angefallenen Kosten zusätzlich als Schaden geltend machen kann).

Zwischenzeitlich haben daher einige Rechteinhaber, um ein Unterliegen im Prozess zu vermeiden, wenn der Anschlussinhaber erst im Prozess den Täter nennt, neue Wege gesucht, dennoch eine irgendwie geartete Haftung des Anschlussinhabers zu begründen. Teilweise wird dabei versucht, eine Verletzung von Antwortpflichten zu konstruieren, dem Anschlussinhaber Schädigungsvorsatz nach § 826 BGB zu unterstellen oder diesen zumindest aufgrund des Provozierens eines unnötigen Prozesses zur Kostentragung verpflichten zu lassen.

Soweit ersichtlich, gibt es hier noch keine einheitliche Linie, nach der die Gerichte in solchen Konstellationen entscheiden. Es ist daher davon auszugehen, dass früher oder später eine Klärung durch den BGH erfolgen wird, ob ein Anschlussinhaber schon mit Erhalt einer unbegründeten Abmahnung (also einer solchen, bei der er weder als Täter noch als Störer für die Rechtsverletzung haftet), vorgerichtlich zur Sachverhaltsaufklärung und Nennung des Täters verpflichtet ist.

In diesem Beitrag sollen exemplarisch zwei von den Gerichten vertretene Standpunkte zu dieser Rechtsfrage dargestellt werden sowie auch deren Folgen angesprochen werden.

Die Entscheidung des LG Frankfurt am Main: Unterlassungsvertrag zwischen den Parteien begründet Aufklärungspflicht des Anschlussinhabers

Das LG Frankfurt am Main mit Urteil vom 17.07.2019, Az.: 2-03 O 237/18, hat entschieden, dass derjenige, der eine Unterlassungserklärung abgibt, eine Nebenpflicht dahingehend hat, den Sachverhalt frühzeitig aufzudecken und so einen unnötigen Prozess zu vermeiden. Kommt er dieser Pflicht nicht nach und benennt den Täter erst im Prozess, dann hat er diese (ungeschriebene) Pflicht verletzt und haftet zumindest auf die Prozesskosten. In diesem Fall hat das LG Frankfurt eine Kostentragungspflicht des Abgemahnten bejaht und diese auf § 826 BGB sowie eine Verletzung von Nebenpflichten aus dem abgeschlossenen Unterlassungsverpflichtungsvertrag gestützt.

Das LG Frankfurt am Main hat formuliert:

„Aufgrund der Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung durch die Beklagte zu 1. in der mündlichen Verhandlung am 07.12.2018 (vgl. Protokoll Bl. 201d.A.) und die Annahme dieser durch die Klägerin ist zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) ein Unterlassungsvertrag zustande gekommen.

Dieser Unterlassungsvertrag wird in besonderem Maße durch Treu und Glauben und das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme bestimmt, woraus sich je nach den Umständen auch Pflichten zur Aufklärung ergeben können, wenn dem anderen Teil als Folge des Verhaltens des Verletzers Kostenschäden drohen, die durch die Aufklärung unschwer zu vermeiden sind (BGH, GRUR 1990, 542 – Aufklärungspflicht des Unterwerfungsschuldners).

Eine solche Pflicht zur Aufklärung hat die Beklagte zu 1. vorliegend verletzt, denn die Beklagte zu 1. hatte – wie zuvor dargelegt – im Zeitpunkt des Abschlusses des Unterlassungsvertrages aufgrund eines anlässlich der Fertigung der Klageerwiderung mit ihrem Sohn Kenntnis davon, dass dieser es – entgegen seiner ursprünglichen Behauptung als 13-Jähriger – tatsächlich nicht wusste, wer die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen begangen hat.“

Das LG Frankfurt hat bei der Entscheidung nicht darauf abgestellt, dass sich eine vorgerichtliche Aufklärungspflicht des Anschlussinhabers aus der sekundären Darlegungslast ergebe. Vielmehr ist das Gericht davon ausgegangen, dass derjenige, der eine Unterlassungserklärung abgibt, eine ungeschriebene Nebenpflicht dahingehend habe, Kenntnisse zum Sachverhalt wahrheitsgemäß gegenüber dem Rechteinhaber kundzutun.

Kommt ein Anschlussinhaber dieser Nebenpflicht nicht nach, so haftet er im Ergebnis selbst auf solche Verfahrenskosten, die dem Rechteinhaber aus einem Verfahren gegenüber dem Anschlussinhaber entstehen.

Diese Entscheidung ist vor allem deswegen von Bedeutung, weil über viele Jahre ein sog. schweigende Verteidigung gegen Abmahnungen empfohlen wurde. Gerade solche Anschlussinhaber, die sich nicht anwaltlich vertreten lassen haben, sondern sich an kostenlose Ratschläge aus dem Internet gehalten haben, haben hier wie folgt nach Erhalt einer Abmahnung reagiert: auf die Abmahnung hin wurde eine abgeänderte Unterlassungserklärung abgegeben, im Übrigen wurde zum Sachverhalt keine Stellungnahme abgegeben.

Dieser Weg war zugegebenermaßen dann von Erfolg gekrönt, wenn eine Klage auf Schadenersatz und Anwaltskosten ausgeblieben ist. Sofern indessen eine Zahlungsklage nachfolgte, galt wie in jedem anderen Fall auch, dass der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast nachkommen musste, andernfalls er eben verurteil würde.

Die Entscheidung des LG Frankfurt zu Grunde gelegt hätte diese Vorgehensweise aber zur Folge, dass selbst wenn der Anschlussinhaber im Prozess den wahren Täter benennt, er einfach aufgrund der Abgabe der modifizierten Unterlassungserklärung und seines Verschweigens des Täters bis zum Prozess hin zumindest die Verfahrenskosten zu tragen hat.

Sofern die Entscheidung des LG Frankfurt daher im Ergebnis als richtig anzusehen wäre, bestünde mithin in allen Verfahren, in denen eine Unterlassungserklärung ohne jedwede Stellungnahme zum Sachverhalt abgegeben wurde, dass der Anschlussinhaber am Ende selbst bei nicht gegebener Verantwortlichkeit auf möglichen Kosten sitzen bleibt.

Meiner persönlichen Einschätzung nach ist der Ansatz des LG Frankfurt zwar nachvollziehbar, aber im Ergebnis kaum haltbar. Denn letztlich wird dem Anschlussinhaber hier eine ungeschriebene Nebenpflicht aufgebürdet, die man so wohl kaum aus einer Unterlassungserklärung ableiten kann, zumindest dann nicht, wenn der Anschlussinhaber weder als Täter noch als Störer anzusehen ist. Denn sofern eine Unterlassungserklärung nicht ausdrücklich ein Schuldanerkenntnis enthält, besagt diese eben nur, dass der Anschlussinhaber in Zukunft die ihm vorgeworfene Rechtsverletzung unterlassen wird, mehr aber auch nicht. Aus dieser auf die Zukunft gerichteten Verpflichtung eine ungeschriebene Nebenpflicht herzuleiten, nach der der Anschlussinhaber faktisch die sekundäre Darlegungslast bereits vorgerichtlich erfüllen muss, erscheint fragwürdig.

Ob die Rechtsansicht des LG Frankfurt sich am Ende durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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