Filesharing: Gibt es eine vorgerichtliche Antwortpflicht bei einer Abmahnung? | Teil 3 von 3

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Dieser Beitrag setzt den vorangegangenen Teil 2 dieses Artikels fort und befasst sich mit der Frage, welche Folgen eine Entscheidung des BGH über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Antwortpflicht bei einer unberechtigten Abmahnung haben könnte.

Meiner persönlichen Auffassung nach ist der Rechtsansicht des LG München I zuzustimmen. Die klagende Partei hatte in dem Verfahren hauptsächlich damit argumentiert, dass die vorgerichtliche Aufklärung des Sachverhalts gerade eine der Hauptpflichten nach Erhalt einer Abmahnung sei und dabei auf die Riptide-Entscheidung des BGH vom 22. März 2018, Az. I ZR 265/16, abgestellt:

„(...) Denn die Abmahnung des Anschlussinhabers, deren Kosten die Klägerin als Schadensersatz geltend macht, stellt sich mit Blick auf den Beklagten als für die Rechtsverfolgung erforderliches und zweckmäßiges Mittel der Sachverhaltsaufklärung dar (siehe vorstehend Rn. 21tf .). Nicht anders als Kosten der Schadensfeststellung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Februar 2O17 – Vl ZR 76116, NJW 2017, 1875 Rn. 6 mwN; PalandUGrüneberg, BGB, 77. Aufl., S 249 Rn. 58) unterfallen die durch sie verursachten Kosten damit ohne weiteres dem Schutzzweck der schadensersatzrechtlichen Normen.“ [zit. nach juris, Rn. 27] (…)“

Dem ist meiner Einschätzung nach nicht zuzustimmen; denn mit dem Ausspruch der Abmahnung wird gegenüber dem Anschlussinhaber bereits die Vermutungshaftung begründet. Der Rechteinhaber geht mithin im Zeitpunkt des Ausspruchs der Abmahnung schon gar nicht davon aus, dass der Sachverhalt noch aufzuklären sei, sondern dieser vermutet bereits von Beginn an die Haftung des Anschlussinhabers.

Soweit tatsächlich eine Sachverhaltsaufklärung das Ziel des Vorgehens des Rechteinhabers wäre, würde sich hierfür meines Erachtens eher eine Berechtigungsanfrage anbieten. Denn wenn der Rechteinhaber Zweifel an der Haftung des Anschlussinhabers hätte, würde er nicht das Risiko des Ausspruchs einer unbegründeten Abmahnung eingehen – schließlich wäre bei einer unbegründeten Abmahnung nämlich auch möglich, dass der Anschlussinhaber nicht mit einer Aufklärung des Sachverhalts, sondern einer negativen Feststellungsklage antwortet.

Welche Konsequenzen sich je nach Antwort auf die Frage, ob eine vorgerichtliche Antwortpflicht des Anschlussinhabers bei einer unberechtigten Abmahnung besteht, ergeben können, wird abschließend in diesem Artikel behandelt.

Ausgangspunkt dabei ist die Überlegung, dass die ausgesprochene Abmahnung unberechtigt erfolgt ist, mithin nicht der Anschlussinhaber die ihm angelastete Urheberrechtsverletzung begangen hat, sondern ein ihm bekannter Dritter, den der Anschlussinhaber aber vorgerichtlich nicht benennt.

Nimmt man in dieser Situation an, der Anschlussinhaber habe bei einer Abmahnung, mit der Ansprüche ihm gegenüber geltend gemacht werden, obwohl diese tatsächlich nicht bestehen, eine Antwortpflicht, so hat dies zur Konsequenz, dass der Anschlussinhaber in jedem Fall auf eine Abmahnung reagieren müsste. Nicht selten werden dem Anschlussinhaber dabei Kosten entstehen, denn so einfach die bisherige Rechtsprechung des BGH auf den ersten Blick erscheinen mag: Oft sind es die Details, die darüber entscheiden, ob der Anschlussinhaber sich vollständig entlasten kann oder nicht.

Für die allermeisten Anschlussinhaber würde die Annahme einer vorgerichtlichen Antwortpflicht auch in dem Fall, dass sie eigentlich nicht haften müssen, die Beratung durch einen Rechtsanwalt erforderlich machen. Dies geht mit Kosten und Zeitaufwand einher, was nicht von jedem Anschlussinhaber mit Begeisterung aufgenommen wird. Es mag sein, dass in einem solchen Fall gegen den wahren Täter Regressansprüche bestehen, allerdings werden diese in bestimmten Fällen nicht durchsetzbar sein. Auch muss offen angesprochen werden, dass bei weitem nicht jede Abmahnung am Ende in einem gerichtlichen Verfahren landet – es ist also durchaus legitim, wenn ein Anschlussinhaber sich für den risikoreichen Weg entscheiden möchte und es hierauf ankommen lassen will.

Aus meiner Sicht folgt das Hauptargument, weshalb der Anschlussinhaber bei einer unberechtigten Abmahnung nicht zur Antwort verpflichtet werden darf, indessen aus einer rein wirtschaftlichen Überlegung: Die Annahme einer vorgerichtlichen Antwortpflicht beruht gerade auf der Überlegung, dass unnötige Verfahrenskosten (für den Rechteinhaber, wenn dieser erfolglos auf Schadenersatz gegen den Anschlussinhaber klagt) vermieden werden sollen. Nimmt man aber eine Verpflichtung des Anschlussinhabers zur Antwort an, so kann dieser sich selbst vor allem dadurch von eigenen Kosten freihalten, indem er auf die unberechtigte Abmahnung mit einer negativen Feststellungsklage reagiert und in diesem Rahmen den wahren Täter benennt.

Da aber mit einer Abmahnung ein Unterlassungsanspruch geltend gemacht wird, wäre bei einer solchen negativen Feststellungsklage der Streitwert um ein Vielfaches höher als bei einer einfachen Zahlungsklage. Die Folge: klärt der Anschlussinhaber im Rahmen der negativen Feststellungsklage den Sachverhalt auf, was er ja schon deswegen tun muss, um mit der Klage erfolgreich zu sein – dann erhält der Rechteinhaber zwar die gewünschte Sachverhaltsaufklärung, aber zu deutlich höheren Kosten (namentlich im Bereich mehrerer tausend Euro). Das wird so nicht gewollt sein.

Letztlich wäre also die Annahme einer Antwortpflicht bei einer unbegründeten Filesharing-Abmahnung in jeder Hinsicht kontraproduktiv.

Wird umgekehrt das Bestehen einer Antwortpflicht verneint, so hätte dies zur Folge, dass ein unberechtigt abgemahnter Anschlussinhaber die Abmahnung im wahrsten Sinne des Wortes in den Papierkorb werfen könnte. Zwar trägt er – wenn er nicht freiwillig auf die Abmahnung antwortet – das Risiko, dass er sich irgendwann in einem gerichtlichen Verfahren zu dem Sachverhalt äußern muss oder dass er gar gegen eine ihm gegenüber erlassene einstweilige Verfügung vorgehen müsste. Aber: Sofern er dann den wahren Täter benennt, ist dieses Vorgehen am Ende für den Anschlussinhaber nahezu risikolos.

Im Übrigen muss an dieser Stelle auch betont werden, dass die Ablehnung einer Antwortpflicht bei einer unberechtigten Abmahnung keine erkennbaren Nachteile für den Rechteinhaber bietet. Sofern der Rechteinhaber eine Abmahnung aussprechen lassen will, muss er so oder so gegenüber dem eigenen Rechtsanwalt in Vorleistung gehen und die Kosten der Abmahnung erst einmal selbst tragen. Ob er diese am Ende beim Anschlussinhaber erfolgreich durchsetzen kann und ob er zusätzlich Schadenersatz beanspruchen kann, ist in jedem Fall eine Frage danach, ob der Anschlussinhaber haftet oder nicht und damit ein Risiko, dass der Rechteinhaber von Anfang an kennt und zu tragen bereit ist.

Auch bleibt jedem Rechteinhaber die Möglichkeit, bei Nennung des wahren Täters gegen diesen vorzugehen. Insoweit müssen Rechteinhaber sich dann eben überlegen, ob – wie bisher – Abmahnangelegenheiten tatsächlich eine Bearbeitungsdauer von mehreren Jahren rechtfertigen oder ob es nicht sinnvoll wäre, Ansprüche zukünftig nötigenfalls deutlich schneller auch gerichtlich geltend zu machen, um einem „Verschwinden“ des wahren Täters zuvorzukommen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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