Filesharing - Tatsächliche Vermutung und sekundäre Darlegungslast

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Wenn Sie eine Abmahnung wegen Filesharings erhalten haben, sind Sie vielleicht überrascht, denn Sie haben noch nie Filesharing betrieben. Die Frage ist dann, ob Sie für die Urheberrechtsverletzung, die über Ihren Internetanschluss begangen wurde, überhaupt verantwortlich sind.

Die tatsächliche Vermutung

Grundsätzlich ist selbstverständlich der Täter für das Filesharing verantwortlich. Den kennt der Abmahner aber nicht; er weiß nur, dass Ihr Internetanschluss für das Filesharing benutzt wurde und nicht, wer ihn benutzt hat. Er hat auch keine Möglichkeit, den Täter zu ermitteln. Nach den normalen Regeln eines Gerichtsprozesses muss ein Kläger beweisen, dass der Beklagte haftet. Da der Abmahnende das nicht kann, würde er einen Filesharing-Prozess regelmäßig verlieren. Das hat der BGH in seinem Urteil vom 15.11.2012 (I ZR 74/12 – Morpheus, Rz. 32) entschieden. Hiernach tragen Rechteinhaber

„nach allgemeinen Grundsätzen als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen der geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte zu 1 Täter oder Teilnehmer der von ihnen behaupteten Urheberechtsverletzung ist.“

Die BGH möchte den Rechteinhabern aber die Möglichkeit geben, gegen Filesharing vorzugehen. Deshalb erleichtert er ihnen die Beweisführung. In seinem Urteil vom 12.05.2010 (Az. I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens, Rz. 12), hat der BGH entschieden, dass davon ausgegangen werden muss, dass der Anschlussinhaber das Filesharing selbst begangen hat:

„Wird ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht zwar eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist.“

Es war Ihr Anschluss, deshalb werden Sie es auch gewesen sein. Der BGH nennt das eine „tatsächliche Vermutung“. Diese tatsächliche Vermutung gilt sogar, wenn Ihr Anschluss regelmäßig von mehreren Personen genutzt wird, meint der BGH (Urt. v. 30.03.2017, Az. I ZR 19/16 – Loud, Rz. 14):

„Diese tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers kommt auch dann in Betracht, wenn der Internetanschluss - wie bei einem Familienanschluss - regelmäßig von mehreren Personen genutzt wird“

Der pauschale Hinweis, Ihre Familie könne auf Ihren Internetanschluss zugreifen, genügt deshalb nicht.

Die sekundäre Darlegungslast

Mit dieser Vermutung ist die Sache aber zum Glück nicht beendet. Sie kann nämlich „erschüttert“ werden. Der BGH führt im selben Urteil weiter aus:

„Daraus ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen“.

Sekundäre Darlegungslast heißt, dass Sie Dinge vortragen können, die darauf hindeuten, dass Sie unschuldig sind. Wenn Sie sich entlasten wollen, müssen Sie aber auch vortragen.

Welche Möglichkeiten gibt es?

Der BGH (Urt. v. 30.03.2017, Az. I ZR 19/16 – Loud) nennt zwei Fallgruppen, in denen die Täterschaft nicht mehr vermutet wird, nämlich wenn andere Personen Ihren Internetanschluss benutzen durften oder wenn das WLAN nicht genug gesichert war. Ausdrücklich sagt er:

„Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde.“

Es genügt dem BGH, wenn Sie erläutern, wie Ihr Internetanschluss genutzt wird. Dazu gehört:

  • Wer hat Ihren Internetanschluss zum Tatzeitpunkt genutzt?
  • Wozu nutzen diese Personen normalerweise den Computer?
  • Was können sie am Computer?

Das ist wichtig, denn Sie müssen ja darlegen, warum eine andere Person als Täter in Frage kommt. Wenn Sie das nicht wissen, müssen Sie nachfragen:

„In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat.“

Sie müssen also nachvollziehbar vortragen,

„welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen.“

Es langt auch nicht zu sagen, Ihre Schwägerin aus dem Schwarzwald darf Ihren Internetanschluss zu nutzen, wenn die zum Tatzeitpunkt gar nicht bei Ihnen war. Wörtlich führt der BGH (Loud, Rz. 15) aus:

„Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen.“

Muss ich den Täter finden?

Wichtig: Sie müssen nicht beweisen, wer tatsächlich an der Tauschbörse teilgenommen hat, denn die sekundäre Darlegungslast führt nach Ansicht des BGH in seiner Entscheidung „Loud

„weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen.“

Die tatsächliche Vermutung gilt nicht bis zum Beweis des Gegenteils.

Wenn sich aus Ihrem Tatsachenvortrag die ernsthafte Möglichkeit ergibt, dass jemand anderes die Tauschbörse genutzt hat, sind Sie aus dem Schneider:

„Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerin als Anspruchstellerin, die für eine Haftung der Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen“

Was müssen Sie tun?

Wenn über Ihren Internetanschluss Filesharing betrieben wurde, wird vermutet, dass Sie Täter sind. Diese Vermutung müssen Sie erschüttern:

  • Finden Sie heraus, wer zum Tatzeitpunkt Ihren Anschluss genutzt hat
  • Befragen Sie die Nutzer zum Filesharing:
  • Was machen die Nutzer im Internet?
  • Über welche Fähigkeiten am Computer verfügen sie?
  • Notieren Sie sich die Ergebnisse. Falls es zu einem Gerichtsverfahren kommt, brauchen Sie sie.

Es gibt also durchaus Möglichkeiten, sich gegen-Abmahnungen und Klagen wegen Filesharing zu verteidigen, wenn Sie die sekundäre Darlegungslast erfüllen können. Hierbei sind wir Ihnen gern behilflich. Bitte rufen Sie uns unter der Telefonnummer 040 – 411 88 15 70 für ein kostenloses Erstgespräch an.

Foto(s): Adobe Stock

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