„Freier Mitarbeiter“ oder doch Angestellter?

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Sie arbeiten als „freier Mitarbeiter“ – aber fühlen sich längst wie ein normaler Angestellter? Ihr Vertrag sagt „selbstständig“, aber Ihr Alltag sieht nach 9-to-5 und klaren Anweisungen aus?

Dann sollten Sie hellhörig werden. Denn sogenannte Statusvereinbarungen, mit denen Unternehmen die Einordnung als „freie Mitarbeit“ vertraglich festhalten, sind nicht immer wirksam. Und: Sie bieten oft nur scheinbare Sicherheit – für beide Seiten.


Was sind Statusvereinbarungen?

Mit einer Statusvereinbarung legen Arbeitgeber und Beschäftigte im Vertrag ausdrücklich fest, dass es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis, sondern um eine freie Mitarbeit handelt.

Beispiel:
Ein Unternehmen bietet Ihnen die Wahl, ob Sie „fest angestellt“ oder „frei tätig“ sein wollen. Sie entscheiden sich für „frei“. Aber was zählt dann rechtlich?

Antwort: Nicht die Überschrift im Vertrag, sondern die Realität im Arbeitsalltag.


Was sagt das Gesetz?

§ 611a Abs. 1 BGB regelt:

Entscheidend ist, ob die Tätigkeit weisungsgebunden und in persönlicher Abhängigkeit erfolgt – nicht, wie der Vertrag bezeichnet ist.

Das heißt:
Selbst wenn beide Seiten „freie Mitarbeit“ vereinbaren, liegt rechtlich trotzdem ein Arbeitsverhältnis vor, wenn Sie z. B.:

  • feste Arbeitszeiten haben,

  • regelmäßig weisungsgebunden arbeiten,

  • in die Organisation des Betriebs eingebunden sind,

  • keine unternehmerischen Freiheiten haben.

Fazit: Die Wirklichkeit zählt – nicht das Etikett.


Wann kann eine Statusvereinbarung trotzdem helfen?

Das Bundesarbeitsgericht erkennt an:
Wenn eine Tätigkeit grundsätzlich sowohl selbstständig als auch angestellt ausgeführt werden kann, darf die Entscheidung für die freie Mitarbeit im Rahmen einer Gesamtabwägung berücksichtigt werden – als Indiz, nicht als Beweis.

Voraussetzung:

  • Die Vereinbarung wurde freiwillig getroffen.

  • Sie spiegelt den tatsächlichen Willen beider Seiten wider.

  • Die Tätigkeit wird auch tatsächlich frei ausgeübt.

Aber: Sobald sich die Praxis ändert, z. B. durch neue Weisungen, feste Arbeitszeiten oder Kontrolle – verliert die Statusvereinbarung ihre Wirkung.


Was tun bei „verdeckter“ Scheinselbstständigkeit?

Wenn Sie vermuten, dass Sie faktisch als Arbeitnehmer tätig sind, obwohl Sie als freier Mitarbeiter geführt werden, haben Sie folgende Optionen:

Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung
Statusklage vor dem Arbeitsgericht (z. B. auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses)
Rückforderung von Sozialversicherungsbeiträgen (ggf. über den Arbeitgeber)
Lohnansprüche wie Urlaub, Entgeltfortzahlung, Kündigungsschutz etc. geltend machen


Praxistipps für Beschäftigte

🛑 Vertrag genau prüfen lassen – insbesondere bei unklarer Abgrenzung oder widersprüchlichen Klauseln (z. B. „Arbeitszeit“ in einem „freien“ Vertrag)

🛑 Achten Sie auf die tatsächliche Durchführung:
Wenn Sie wie ein Angestellter behandelt werden, sind Sie rechtlich auch einer – selbst wenn der Vertrag etwas anderes sagt.

🛑 Vorsicht bei Statusvereinbarungen nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses (z. B. im Aufhebungsvertrag):
Auch dann muss sich das neue Vertragsverhältnis tatsächlich ändern – sonst bleibt es bei einem „Etikettenschwindel“.

🛑 Melden Sie sich bei Zweifeln frühzeitig bei einer anwaltlichen Beratung – gerade, wenn es um Sozialversicherung, Haftung oder Kündigungsschutz geht.


Fazit: Freie Mitarbeit ist nicht frei, nur weil es so im Vertrag steht

Statusvereinbarungen haben keine bindende Wirkung. Sie können ein Indiz sein – aber nur, wenn die tatsächlichen Umstände passen. Wer als freier Mitarbeiter arbeitet, aber wie ein Angestellter behandelt wird, hat gute Chancen, seinen Arbeitnehmerstatus rechtlich durchzusetzen – mit allen damit verbundenen Rechten.

Tipp: Wer Klarheit will, sollte die eigenen Arbeitsbedingungen regelmäßig reflektieren – und bei Unsicherheit frühzeitig professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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