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Geblitzt? Messfehler bei ProViDa 2000-Messgeräten festgestellt – Wiederaufnahme von Bußgeldverfahren

  • 2 Minuten Lesezeit

Im Jahr 2006 bis Mitte 2007 wurden bei der Verwendung von ProViDa 2000-Messgeräten Messungen von Geschwindigkeitsüberschreitungen vorgenommen, wobei das Messgerät nicht ordnungsgemäß geeicht war. Bei einem ProViDa-Messgerät handelt es sich um eine Verkehrsüberwachungsanlage, welche vor allen Dingen von der Autobahnpolizei eingesetzt wird. Die Abkürzung ProViDa steht für "Proof Video Data System", wodurch es möglich ist Verkehrsverstöße mit ihren spezifischen Daten in Verbindung  mit Videoaufnahmen beweissicher festzuhalten. Das Gerät kann verschiedene Arten von Verkehrsverstößen feststellen und aufzeichnen, wie z.B.:

  • Geschwindigkeitsüberschreitungen
  • Abstandsunterschreitungen
  • Überholen im Überholverbot
  • Nichtbeachtung des Rechtsfahrgebots
  • Überholen auf der rechten Fahrspur
  • Straßenverkehrsgefährdung und Nötigung

Bei den o.g. Messgeräten wird zuerst die Geschwindigkeit des Polizeifahrzeuges ermittelt. Anschließend wird aus den zwischen den Fahrzeugen liegendem Abstand aus der Geschwindigkeit des Polizeifahrzeuges auf die Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeugs hochgerechnet. Dazu ermittelt ein Videonachfahrsystem die Geschwindigkeit des Polizeifahrzeuges durch dessen Radumdrehungen. Dabei dient als Sensor für die Messungen der Radumdrehungen ein Wegimpulsgeber. Zulassungstechnisch sind zwei Arten für den Einsatz des Wegimpulsgebers möglich. Entweder werden Wegstreckenimpulse unmittelbar weitergeleitet oder die Übertragung der Wegstreckeneinformation erfolgt unter Verwendung einer zwischengeschalteten Einrichtung, vorliegend einem CAN-Bus (Controller Area Network). Dieser dient in der Automobiltechnik zur Vernetzung unterschiedlicher Steuergeräte, Sensoreinheiten und sogar Multimediaeinheiten. Problematisch war bei den o.g. Messungen die Verwendung dieses CAN-Bus-Systems. Dieses muss eine Bauartzulassung der  Physikalischen Technischen Bundesanstalt vorweisen und geeicht sein. Dies ist vorliegend nicht erfolgt, so dass die ProViDa 2000-Messgeräte nur formal geeicht waren, eine korrekte Eichung jedoch nicht vorlag. Somit konnten keine geeichten Geschwindigkeitsmessungen vorgenommen werden!

Dies bedeutet für den Betroffenen im Bußgeldverfahren eine stets ratsame Überprüfung des Messverfahrens durch seinen Anwalt. Dieser muss durch die Nichtverwertbarkeit der Messergebnisse eine Einstellung des Verfahrens anregen oder anführen, dass zumindest ein Toleranzabschlag von 20% auf die Geschwindigkeit vorgenommen wird.

Problematisch ist diese Sachlage bei bereits abgeschlossenen Bußgeldverfahren und bedeutsam vor allem bei Verhängungen von Fahrverboten:

Eine Wiederaufnahme des Verfahrens bei durch Urteil beendetem Verfahren ist durchaus möglich, wenn eine Geldbuße über 250,- € verhängt wurde und seit Rechtskraft des Urteils noch keine 3 Jahre verstrichen sind (§ 85 OwiG). Wenn ein Fahrverbot verhängt wurde gilt die 250,- €-Grenze nicht und die Wiederaufnahme des Verfahrens ist stets innerhalb der 3-Jahresfrist möglich, wenn neue Tatsachen und Beweismittel vorliegen.

Der Autor RA Sven Skana ist Spezialist für Verkehrs-Unfallrecht sowie Spezialist für Führerscheinangelegenheiten. Er ist Partner in der Kanzlei Roscher, Johlige & Partner in Berlin-Charlottenburg, Kurfürstendamm 28, 10 719 Berlin, Tel: 030 – 886 81 505.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten Ordnungswidrigkeitenrecht, Verkehrsrecht

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