Gefährliche Gemeinsamkeit - Spielregeln im Straßenverkehr

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Das OLG Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 18.8.2015, AZ.: 22 U 39 / 14 die Entscheidung zu sportlichen Wettbewerben mit nicht unerheblichen Gefahrenpotenzial des BGH (BGH NJW 2003, 2 1018) auf die gemeinsame gefährliche Teilnahme am Straßenverkehr projiziert. Das OLG hatte im Rahmen des vorliegenden Sachverhaltes darüber zu entscheiden, ob Motorradfahrer, die in einem „Pulk“ in wechselnder Reihenfolge, als Gruppe, ohne Einhaltung des Sicherheitsabstandes fahren gegeneinander Ansprüche haben, wenn es zu einem Unfall kommt. Das OLG hat den Schadensersatzanspruch eines Motorradfahrers nicht anerkannt und dessen Klage gegen seinen „Kollegen“ abgewiesen. Rechtsanwalt Struck hält das Urteil für richtig, es sei eine konsequente Fortführung der BGH-Rechtsprechung zu gemeinsam ausgeübten gefährlichen Tätigkeiten, denen ein Regelwerk zugrunde liegt.

Der Kläger machte im vorliegenden Verfahren Schadensersatzansprüche wegen eines Motorradunfalles geltend. Er fuhr mit vier befreundeten Motorradfahrern in einer Gruppe, wie man es von Motorradfahrern kennt, versetzt auf der eigenen Fahrspur, ohne den ausreichenden Sicherheitsabstand einzuhalten. Dann kam es zum Unfall. Der in der Kolonne als erstes fahrende Motorradfahrer verunfallte mit einem entgegenkommenden Pkw, woraufhin der folgende Motorradfahrer ebenfalls verunfallte, derart, dass der dritte Motorradfahrer in der Reihe diesen mit seinem Motorrad touchierte und daraufhin beide stürzten und erhebliche Verletzungen erlitten. Der Vierte in der Kolonne hatte Glück, er konnte zwischen den verunfallten Fahrzeugen hindurch fahren. Der in der Kolonne als zweites Fahrende machte nun gegen den als dritten Fahrenden Schadensersatzansprüche geltend.

Die Argumentation des OLG Frankfurt zur Abweisung der Klage lautete u.a. wie folgt:

„Auch bei Unterstellung, dass der Sturz des Klägers maßgeblich durch die Kollision mit dem Fahrzeug des Beklagten entstanden ist, was grundsätzlich zu einer Haftung gemäß § 7 StVG führen würde, wäre die Haftung des Beklagten wegen eines stillschweigend vereinbarten Haftungsverzicht für Gefährdungshaftung und leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen“.

Im Rahmen der Beweisaufnahme hatte das OLG festgestellt, dass die Fahrzeuge in einer Gruppe hintereinander her fuhren. Die sich streitenden Parteien hielten dabei einen Abstand von nur 5 m ein. Dem Kläger und dem Beklagten war es nicht möglich, dem vor ihnen verunfallten auszuweichen, stellte ein Sachverständiger fest.

„Für den Senat stellt sich damit das durchaus im Straßenverkehr vertraute Bild dar, dass Motorradfahrer in einer Gruppe fahren, bei der alle den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht einhalten und die Reihenfolge je nach Verkehrssituation und anderen Umständen wechseln kann.“

Der Senat schlussfolgerte daraus, dass sämtliche Teilnehmer der Gruppe billigend in Kauf nahmen, dass Unfälle wegen des nicht eingehaltenen Sicherheitsabstands untereinander entstehen konnten. Dies sei vergleichbar mit Fallgestaltungen, in denen bei sportlichen Wettbewerben mit nicht unerheblichem Gefahrenpotenzial sich die Teilnehmer gegenseitig Schaden zufügen. Jedenfalls solange, wie sich die Teilnehmer an die Regeln des Wettbewerbs halten, ohne dass ihnen ein grob fahrlässiges Fehlverhalten zur Last gelegt werden könnte.

„In dem Streitfalle war das verabredungsgemäße Fahren im Pulk deshalb besonders gefährlich, weil damit notwendig und für die Beteiligten erkennbar der weitgehende Verzicht auf die von der StVO vorgeschriebenen Sicherheitsabständen zum Vorder- und Hintermann einherging. Dies bedeutet aber zugleich die Inkaufnahme der damit unweigerlich verbundenen erhöhten Sturzrisiken, die auch bei erhöhter Aufmerksamkeit der Fahrer nie auszuschließen sind, weil jederzeit Verkehrssituationen auftreten, auf die mit plötzlichen Richtungswechseln oder abrupten Bremsmanövern reagiert werden muss.“

Rechtsanwalt Struck ist der Ansicht, dass die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main sich richtigerweise an der Diktion der Urteile des BGH orientiert. Wenn Spielregeln aufgestellt werden, müssen sich auch alle Spieler an diese Regeln halten. Es kann nicht sein, dass zuvor gemeinsam vereinbart wird, etwas Gefährliches zu unternehmen und im Nachhinein die Teilnehmer, trotz ihres Wissens ob der Gefahr, die jedem droht, gegeneinander Ansprüche stellen. Diese Rechtsprechung zur Gefahrengemeinschaft muss sowohl im Straßenverkehr als auch bei gefährlichen Sportarten oder anderen gemeinschaftlichen Unternehmungen mit besonderer Gefahrenneigung gelten. Solange keinem Mitspieler oder Teilnehmer ein Regelverstoß vorgeworfen werden kann, darf es auch keine Haftung untereinander geben.


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