Gefährliches Verbraucherwiderrufsrecht im Baurecht

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In bau- und werkvertraglichen Angelegenheiten ist festzustellen, dass das in das deutsche Recht umgesetzte Verbraucherschutzrecht kaum entsprechend seiner Bedeutung gewürdigt und beachtet wird.

Folgend beschäftigen wir uns, unter Erläuterung der rechtlichen Herleitung, mit den üblichen Widerrufsrechten des Verbrauchers im Bau- und Werkvertragsrecht, wobei für den Unternehmer die Gefahr besteht, völlig leer auszugehen.

(Bau-)Verträge mit einem Verbraucher

Im Bau- und Werkvertragsrecht kommen verschiedene Widerrufsrechte in Betracht, deren Voraussetzungen und Folgen sich stark unterscheiden.

Abseits von vertraglich vereinbarten Widerrufsrechten besteht gesetzlich neben dem speziellen Widerrufsrecht bei Verbraucherbauverträgen gem. §§ 650i, 650l, 357e BGB auch bei außerhalb von Geschäftsräumen und im Fernabsatz geschlossenen Verträgen gem. §§ 355, 312g, 312b, 312c, 357 BGB ein Widerrufsrecht für den Verbraucher aus dem allgemeinen Schuldrecht. Dieses gilt grundsätzlich unabhängig vom Vertragstyp und damit insbesondere bei Bau- und Werkverträgen mit einem Verbraucher. Ein Verbraucherbauvertrag gem. § 650i BGB vorliegt nur dann vor, wenn Gegenstand des Vertrags die Beauftragung des Unternehmers vom Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude ist. Erhebliche Umbaumaßnahmen erfordern, dass einem Neubau vergleichbare Maßnahmen vorgenommen werden.

Diese Voraussetzungen sind weder bei regelmäßigen Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten, noch in Fällen, in denen keine Arbeiten am Gebäude, sondern lediglich an Außenanlagen beauftragt werden, erfüllt. Ob bei auch bei Neuherstellung eines Gebäudes, aber getrennter Vergabe der Arbeiten an einzelnen Gewerken an verschiedene Unternehmer ein Verbraucherbauvertrag oder lediglich ein Bauvertrag mit einem Verbraucher vorliegt, ist noch umstritten, wobei eine Klärung durch den Bundesgerichtshof zu erwarten ist. Wir verweisen auf unsere Dauerauslage dazu.

(!) Merke: Jeder Verbraucherbauvertrag ist ein Vertrag mit einem Verbraucher, aber nicht jeder Vertrag mit einem Verbraucher ist ein Verbraucherbauvertrag.

Erhebliche Unterschiede

Liegt ein Verbraucherbauvertrag (1) vor, verdrängen die speziellen gesetzlichen Vorschriften hierzu die Vorschriften zum Widerruf wegen außerhalb Geschäftsräumen oder im Fernabsatz geschlossenen Verträgen. Liegt „nur“ ein Bau- oder Werkvertrag mit einem Verbraucher (2) vor, gelten die Vorschriften zum Widerruf Vorschriften zum Widerruf wegen außerhalb Geschäftsräumen oder im Fernabsatz geschlossenen Verträgen. Dies hat erhebliche Auswirkungen, weil der Gesetzgeber unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen vorsieht.

  1. Das Widerrufsrecht bei einem Verbraucherbauvertrag gem. §§ 650i, 650l, 357e BGB über das Vorliegen des speziellen Vertragstyps hinaus keine weiteren Voraussetzungen und ist nur ausgeschlossen, wenn der Vertrag notariell beurkundet wurde (wie bei Bauträgerverträgen). Der Unternehmer ist verpflichtet, den Verbraucher gem. Art. 249 § 3 EGBGB über das Widerrufsrecht zu belehren. Die unterlassene Belehrung kann Schadensersatzansprüche auslösen, wobei der Schaden zu ersetzen ist, der nicht eingetreten wäre, wenn der Unternehmer den Verbraucher ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrt hätte. Folge des Widerrufs ist gem. §§ 355 Abs. 3 S. 1, 357e Abs. 1 BGB, dass die bis zur Ausübung des Widerrufs empfangenen Leistungen jeweils in Natur zurückzugewähren sind. Ist die Rückgewähr der bis zum Widerruf erbrachten Leistung ihrer Natur nach ausnahmsweise ausgeschlossen, schuldet der Verbraucher dem Unternehmer Wertersatz. Zu dessen Berechnung ist die vereinbarte Vergütung zugrundezulegen, außer diese ist unverhältnismäßig hoch vereinbart.
  2. Das Widerrufsrecht bei einem Bau- oder Werkvertrag mit einem Verbraucher der die Anforderungen an einen Verbraucherbauvertrag nicht erreicht setzt gem. §§ 355, 312g, 312b, 312c, 357 BGB einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder Fernabsatzvertrag voraus. Die Unterschiede auf der Rechtsfolgenseite sind gravierend und können für den Unternehmer existenzgefährdend sein. Zunächst sind gem. §§ 357 Abs. 1, 357a Abs. 1, Abs. 2 BGB ebenfalls die empfangenen Leistungen in Natura zurückzugewähren. Zwar ist es umstritten, ob im Hinblick auf Material überhaupt eine Rückgewährpflicht in Natura vorgesehen ist, da der Unternehmer einen Werkerfolg schuldet, die Rückgewähr in Natura jedenfalls dann nicht mehr möglich, wenn das Material durch Einbau übereignet wurde (§ 946ff. BGB) und nur unter Substanzbeeinträchtigung/Zerstörung der empfangenen Leistung möglich ist. Dann ist allenfalls Wertersatz geschuldet. Sollte das Material noch nicht verbaut sein, ist der Unternehmer bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers gebracht worden sind, verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können. Der Verbraucher trägt die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren nur, wenn der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EGBGB von dieser Pflicht unterrichtet hat. Dies gilt nicht, wenn der Unternehmer sich ohnehin bereit erklärt hat, die Kosten zu tragen. Ein Anspruch auf Wertersatz für den Unternehmer besteht:
  • Bei lediglich geistigen Leistungen, etwa der Planung oder Überwachung durch einen Architekten oder Fachplaner und der reinen, eingebrachten Arbeitsleistung (nicht Material) ist eine Rückgabe in Natura ausgeschlossen, weil dies gem. § 275 Abs. 1 BGB tatsächlich unmöglich und damit auch nicht geschuldet ist. Es gilt das weiter unten zur Arbeitsleistung Gesagte entsprechend.
  • Im Gegenzug zum Verbraucherbauvertrag sieht das Gesetz beim Vertrag mit einem Verbraucher in Bezug auf Material vor, dass der Verbraucher nur dann Wertersatz leisten muss, (1.) wenn der Wertverlust auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war, und (2.) der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB über dessen Widerrufsrecht unterrichtet hat.
  • In Bezug auf die Arbeitsleistung/Dienstleistung schuldet der Verbraucher nur dann Wertersatz, wenn er (1.) von dem Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnen soll, (2.) bei einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag der Verbraucher dieses Verlangen auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt hat und (3.) der Unternehmer den Verbraucher gem. Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 3 EGBGB ordnungsgemäß informiert hat.


Liegen die jeweiligen Voraussetzungen für den Wertersatz nicht vor, etwa, weil der Unternehmer seinen Unterrichtungs- und Belehrungspflichten nicht nachgekommen war/ist, hat der Unternehmer die bereits erhaltene Vergütung zurückzugewähren, erhält selbst weder seine Leistungen zurück noch Wertersatz hierfür (LG Münster, Urt. v. 23.03.2022 – 210 O 59/21, BeckRS 2022, 6381; LG Flensburg, Urt. v. 12.06.2020 – 2 O 233/19).

Der Verbraucher verliert bei Widerruf aber die Gewährleistung für die erbrachten und behaltenen Leistungen. Mängelansprüche scheiden danach aus. Reine Schadensersatzansprüche neben der Leistung, etwa Verzugsschadensersatzansprüche, oder deliktische Schadensersatzansprüche können weiterhin verfolgt werden und sind nicht ausgeschlossen.

Fazit

Der Unternehmer kann sich nur mit minutiöser Einhaltung der gesetzlich aufgestellten Anforderungen zur Widerrufsbelehrung und der zumindest in Textform festgehaltener Willensäußerung des Verbrauchers, dass vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Leistung begonnen werden soll, davor schützen bei einem Widerruf womöglich leer auszugehen.

Nachtrag 1:

In Bezug auf den außerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmers abgeschlossene Verträge hat der Europäische Gerichtshof auch unter dem Gesichtspunkt, dass der Verlust sämtlicher Vergütungs- und Wertersatzansprüche für den Unternehmer eine "unverhältnismäßige" Sanktion darstellen würde nun klargestellt, dass der Verbraucher der sein Widerrufsrecht ausübt von jeder Verpflichtung befreit ist, dem Unternehmer den Preis für die von ihm während der Widerrufsfrist erbachten Leistungen zu zahlen.

(EuGH, Urteil vom 17.05.2023 - Rs. C-97/22)


Nachtrag 2:

Der Bundesgerichtshof hat zum außerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmers geschlossenen Verträgen zu den Voraussetzungen entschieden, dass ein Vertragsschluss bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien außerhalb von Geschäftsräumen i. S. des § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB   nicht vorliegt, wenn der Verbraucher ein vom Unternehmer am Vortag unterbreitetes Angebot am Folgetag außerhalb von Geschäftsräumen lediglich annimmt.

(BGH, Urteil vom 06.07.2023 - VII ZR 151/22)


Tobias Bartholme
Rechtsanwalt

mit Tätigkeitsschwerpunkt im Bau- und Architektenrecht sowie Immobilienrecht bei Ihrer Kanzlei: Bartholme, Schilling, Kaiser & Partner


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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