Gentest ohne Einwilligung: 4.500 Euro

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Mit Vergleich vom 12.11.2019 hat sich eine Klinik verpflichtet, an meine Mandantin 4.500 Euro zu zahlen. Der 1963 geborenen Angestellten wurde wegen eines bösartigen Tumors des Eileiters die Gebärmutter entfernt. Die Histologie ergab, dass Gebärmutter, Lymphknoten und das große Netz anschließend frei von Tumorzellen waren.

Daraufhin wurde - ohne Kenntnis der Patientin - durch das Krankenhaus ein Auftrag zur BRCA-Testung (Überprüfung, ob eine Mutation im Brustkrebsgen vorliegt) an dem entnommenen Tumormaterial erteilt. Der BRCA-Test ergab eine Mutation im Bereich des BRCA1-Gens, die als wahrscheinlich pathogen eingestuft wurde. Auf dem BRCA2-Gen fand sich keine Mutation. Nach der Operation erfolgte eine ambulante Chemotherapie.

Während einer Chemotherapiesitzung, in welcher die Mandantin noch mit anderen Frauen saß, kam die Oberärztin und hielt ihr einen Zettel vor. Sie fragte, ob das "schon jemand mit ihr besprochen hätte". Die Oberärztin zeigte daraufhin mit ihrem Finger direkt auf den Text der Befundauswertung, dass bei ihr wahrscheinlich eine pathogene Mutation vorliege. Die Mandantin hatte keine Möglichkeit, diese Information abzuwehren. Sie war danach durch das alarmierende Testergebnis psychisch schwer angeschlagen.

Ich hatte den Ärzten des Klinikums vorgeworfen, ohne Einwilligung der Patientin einen BRCA-Test in Auftrag gegeben zu haben. Der Mandantin sei anschließend - gegen ihren Willen - dieses Ergebnis im Beisein von anderen Patientinnen mitgeteilt worden. Vor Durchführung einer genetischen Untersuchung (Gentest) sei zu dokumentieren, dass die Patientin gemäß Gendiagnostikgesetz (GenDG) über genetische Untersuchungen bei Menschen aufgeklärt und ihr ausreichend Zeit für Fragen und zum Bedenken eingeräumt worden sei. Vor einem Gentest sei die Bedeutung und die Tragweite des Ergebnisses der Untersuchung der Patientin umfassend zu erläutern. Auch in die Bekanntgabe des Ergebnisses habe die Patientin vorher schriftlich einzuwilligen.

Die Mandantin habe aber weder in den Gentest noch in die anschließende Beratung durch die Oberärztin eingewilligt. Durchführung und Bekanntgabe des Gentestes seien deshalb rechtswidrig gewesen. Durch die ungefragte Mitteilung habe die Mandantin eine schwere psychische und depressive Episode erlitten und habe Einzelgespräche mit einer Dipl.-Psychologin, zertifiziert von der Deutschen Krebsgesellschaft als Psychoonkologin, führen müssen.

Das Landgericht Dortmund hat den Hinweis erteilt: Die gemäß § 8 GenDG zwingend erforderliche schriftliche Einwilligung sei in den Behandlungsunterlagen des Krankenhauses nicht vorhanden. Die Einwilligung müsse jedoch schriftlich erfolgen. § 25 GenDG gestalte die Untersuchung ohne Einwilligung als Straftatbestand. Wenn eine schriftliche Einwilligung nicht festgestellt werden könne, hafte das Krankenhaus gemäß § 25 GenDG in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB.

Zusätzlich läge eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechtes der Klägerin nach § 823 Abs. 1 BGB vor. Es sei plausibel und nachvollziehbar, dass das Testergebnis die Patientin psychisch beeinträchtigt habe. Andererseits biete die Kenntnis des Testergebnisses aber auch die Möglichkeit, präventive Maßnahmen einzuleiten und ihre Behandlung auf das Testergebnis einzustellen.

Ich habe mich mit dem Krankenhaus daraufhin zur Vermeidung einer umfangreichen Beweisaufnahme zu den psychischen Folgen der ungefragten Bekanntgabe des Testes auf einen Vergleichsbetrag von 4.500 Euro und die Zahlung meiner außergerichtlichen Gebühren geeinigt.

(Landgericht Dortmund, Vergleich vom 12.11.2019, AZ: 4 O 153/19)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht



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