Gerichtsverhandlung vor dem Amtsgericht und Landgericht: Informationen & Tipps

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Bekannt sind Gerichtsverhandlungen aus Gerichtsshows. Ist das in Wirklichkeit denn auch so?

Sie werden überrascht sein, dass die Gerichtssendungen im Fernsehen durchaus einen authentischen Einblick in den Gerichtsalltag geben.

Natürlich muss dabei berücksichtigt werden, dass der Grundsatz „Übertreibung veranschaulicht" bei den Gerichtssendungen im TV gilt. Im wahren Leben wird kaum noch ein bis dato unbekannter Zeuge kurz vor Schluss der Beweisaufnahme aufspringen und dem Verfahren eine komplett neue Wendung geben.

Jedoch kommt es nicht selten vor, dass schillernde Persönlichkeiten und skurrile Begebenheiten den Gerichtsalltag zu einem unterhaltsamen Spektakel für die Anwesenden (meist jedoch nicht für den Angeklagten) machen.

Ein Strafverfahren ist spannend und zugleich unvorhersehbar. Schon aus diesem Grunde ist es unverantwortlich, ohne einen Rechtsbeistand in diese „Arena" zu treten. Es darf nämlich nicht vergessen werden, dass es sich bei einem Strafverfahren um echte Menschen, um echte Sorgen und Existenzen geht.

Wie verhalte ich mich als Angeklagter vor Gericht?

Im Zweifel müssen Sie davon ausgehen, dass Sie nervös sein werden, da der Gang zur Hauptverhandlung eine Ausnahmesituation darstellt. Nervosität wird nicht als negativ gedeutet, sondern zeigt lediglich, dass Sie das Verfahren beeindruckt. Ein Effekt, den Richter durchaus schätzen.

Hüten Sie sich jedoch davor, betont kämpferisch oder arrogant vor Gericht aufzutreten. Auch wenn Sie sich unschuldig fühlen, wird Ihnen dieses Verhalten seitens des Gerichtes schnell als negativ ausgelegt werden. Es gibt Richter, welche Sie schnell zur Raison bringen werden.

Sachlichkeit und echte Emotionen zu verblenden, welche die Entscheidung eines Richters beeinflussen, sind lediglich Zufallsreaktionen von Angeklagten. Diese Synergie kann der Strafverteidiger jedoch zumindest in seinem Plädoyer herstellen.

Sie werden sich viel wohler fühlen, wenn Sie mit einem Strafverteidiger vor Gericht erscheinen. In der Regel gehe ich mit meinen Mandanten vor der Verhandlung einen Kaffee trinken, um kurzfristig noch ihre Nerven zu beruhigen. Dies hilft den meisten, sich etwas zu entspannen. Der Strafverteidiger ist als Schutzschild für seinen Mandanten gedacht. Mit ihm werden Sie die Hauptverhandlung überstehen.

Wie läuft eine Hauptverhandlung ab?

- Aufruf der Sache

- Feststellung, ob Angeklagter und Verteidiger anwesend und Beweismittel herbeigeschafft worden sind

- Zeugen werden belehrt und verlassen den Sitzungssaal

- Vernehmung des Angeklagten zur Person

- Verlesung des Anklagesatzes durch die Staatsanwaltschaft

- Belehrung des Angeklagten über sein Schweigerecht

- Vernehmung des Angeklagten zur Sache

- Beweisaufnahme

- Schlussvorträge (sog. Plädoyers)

- Letztes Wort des Angeklagten

- Beratung und Abstimmung

- Urteilsverkündung

- Rechtsmittelbelehrung

Werden bei einer Gerichtsverhandlung andere Personen zusehen und mithören dürfen?

Grundsätzlich sind die Verhandlungen öffentlich, um eine Kontrolle der Gerichtsbarkeit zu gewährleisten.

Unbeteiligte Besucher und Vertreter der Presse sind, wenn es sich nicht gerade um einen Zufall oder eine besondere Verhandlung handelt, eher von seltener Natur.

Jugendstrafsachen (14 bis noch nicht 18 Jahre) sind nicht öffentlich. Das gleiche gilt in besonderen Fällen.

Es wird darauf hingewiesen, dass ein Strafverteidiger in bestimmten Fällen erwirken kann, dass die Staatsanwaltschaft keine Anklage erhebt, sondern eine Verurteilung durch einen Strafbefehl beantragt. Das gleiche gilt für die Einstellung des Verfahrens (z.B. auch gegen Zahlung eines Geldbetrags an eine gemeinnützige Einrichtung). Somit lässt sich eine öffentliche Hauptverhandlung verhindern. Lassen Sie sich diesbezüglich beraten.

Muss man sich vor Gericht als Angeklagter „zur Sache einlassen"?

Außer den Angaben zur Identitätsfeststellung müssen Sie vor Gericht nichts sagen. Schweigen darf auch nicht zu Lasten des Angeklagten durch das Gericht gewertet werden.

Hier wird jedoch deutlich, wie wichtig es ist, vor der Verhandlung mit einem Verteidiger eine Verhandlungsstrategie zu entwickeln. Man kann nicht pauschal sagen, ob Schweigen oder sich zur Sache einzulassen vorteilhafter ist.

Wie wichtig ist ein Geständnis?

Ein Geständnis hat die praktische Folge, dass Sie das Gericht ohne eine langwierige Verhandlung verurteilen kann. Ein Geständnis muss auch immer strafmildernd berücksichtigt werden. Gerichte mögen geständige Angeklagte. Dies spricht dafür, dass ein Geständnis oft erhebliche Pluspunkte bei der Ermittlung des Strafmaßes mit sich bringen kann.

Oft kann ein frühes Geständnis von Vorteil sein, aber manchmal auch ein spätes. Oft aber sollte man sich nicht zur Sache einlassen oder sich zu einem Geständnis hinreißen lassen.

Genau dies ist der Grund, warum Sie einen Verteidiger zur Seite haben sollten. Kaum ein Angeklagter wird abwägen können, ob oder wann er sich zur Sache einlassen sollte. Unterschätzen Sie nicht diesen Aspekt, welcher den schmalen Grat zwischen Freispruch und Verurteilung ausmachen könnte.

Kann der Angeklagte Zeugen benennen und laden?

Das Gericht bestimmt, welche Zeugen zur Hauptverhandlung geladen und vernommen werden.

Sie und ihr Verteidiger haben das Recht, die Ladung und Vernehmung von zusätzlichen Zeugen zu beantragen.

Sie sollten dieses Recht nicht verwirken und eine Verteidigungsstrategie mit mir abstimmen.

Müssen Familienmitglieder gegen den Angeklagten aussagen?

Nein, sie haben ein Zeugnisverweigerungsrecht. Lediglich die Angaben zur Person (Name etc.) müssen angegeben werden.

Ein Zeugnisverweigerungsrecht haben (geschiedene) Ehegatten, Kinder, Eltern, Geschwister und Verschwägerte.

Der berühmte Satz „Sind Sie verwandt oder verschwägert mit dem Angeklagten?" ist wichtig, denn wenn Sie das sind, dann müssen Sie über Ihr Schweigerecht als Zeuge auch belehrt werden.

Hinsichtlich der Frage, ob von dem Zeugnisverweigerungsrecht letztendlich Gebrauch gemacht werden sollte, kann Ihnen ein Strafverteidiger in einer Beratung Auskunft geben.

Wie wichtig sind Zeugen und ihre Befragung?

Der Zeuge ist das häufigste und wichtigste Beweismittel, jedoch auch das unzuverlässigste. Die Aussage kann erheblich den Ausgang eines Verfahrens beeinflussen.

Die Befragung der Zeugen ist ein wichtiges Mittel des Strafverteidigers, um einen Teilbeitrag zur Wahrheitsfindung beizutragen. Dieses Recht der Befragung darf der Angeklagte jedoch nur über einen Rechtsanwalt ausüben lassen.

Wie wichtig ist das letzte Wort des Angeklagten?

Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass eine Verhandlung mit dem letzten Wort des Angeklagten manchmal stehen und fallen kann.

Angeklagte ohne Verteidiger verzichten regelmäßig darauf, sich im letzten Wort zu äußern. Andere zeigen dem Gericht ein letztes Mal ihre Uneinsichtigkeit, was das Gericht in seinem Gesamteindruck bestärken kann. Dies sind nur zwei Beispiele dafür, welche Folgen das Verhalten des Angeklagten für das Urteil haben kann.

In einer Beratung kann ich mit Ihnen besprechen, ob es sinnvoll ist, sich meinem Plädoyer anzuschließen oder sich selber an das Gericht zu wenden. Mit dem letzten Wort können Sie viele Fehler machen, welche es zu vermeiden gilt.

Was muss nach einem Urteil durch das Gericht unbedingt erfolgen?

Achten Sie darauf, dass eine Rechtsmittelbelehrung durch das Gericht ergeht. Sie können nämlich Rechtsmittel gegen das Urteil des erkennenden Gerichts einlegen.

Bedenken Sie auch, dass die Staatsanwaltschaft ebenfalls z. B. in Berufung gehen kann. Dies hat zur Folge, dass Sie möglicherweise auch noch härter bestraft werden können.

Lassen Sie sich in einer Hauptverhandlung demnach immer vertreten, um Ihre Chancen zu wahren. Verzichten Sie auf Rechtsmittel und „nehmen das Urteil an", dann können Ihnen möglicherweise schwerwiegende Nachteile entstehen.

Ich bin besorgt, dass ein Richter in meinem Strafprozess befangen ist. Was mache ich?

Ich rüge dessen Befangenheit in der Hauptverhandlung.

Voraussetzung dieser Rüge ist ein in erster Instanz rechtzeitig vorgebrachtes Ablehnungsgesuch.

Ein Richter darf jedoch auch nach dem vorbenannten Zeitpunkt abgelehnt werden, wenn die Umstände auf welche die Ablehnung gestützt wird, erst später eintreten.

Dies muss jedoch „unverzüglich" i. S. v. § 25 II StPO nach Kenntnis der Sachlage und vor Urteilsfindung der Richter geschehen.

Kann ein Staatsanwalt wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden?

Anders als der Richter kann der Staatsanwalt nicht wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, denn es gibt keine entsprechende Regelung wie für Richter und die Regelung wird auch nicht entsprechend angewandt.

Ferner kann im Unterschied zum Richter der befangene Staatsanwalt kraft dienstbehördlichen Weisungsrechts durch den Vorgesetzten abgelöst werden.

Auch während der Verhandlung besteht kein Recht auf Ausschluss eines befangenen Staatsanwalts.

Es besteht jedoch letztendlich die Möglichkeit der Revision, wenn nicht auszuschließen ist, dass das Urteil auf Mitwirkung des befangenen Staatsanwalts basiert.

Welche Rechtsmittel stehen mir zur Verfügung, wenn mein Ablehnungsgesuch zu Unrecht verworfen wird?

Mit Unrecht verworfen ist die Ablehnung, wenn ein Grund vorlag, der geeignet war, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

Es besteht ein absoluter Revisionsgrund nach § 338 Nr. 3 StPO, wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch mit Unrecht verworfen worden ist.

Das Strafurteil wird regelmäßig aufgehoben, wenn ein absoluter Revisionsgrund bejaht werden kann.

Dies gilt nicht nur für das unzulässig verworfene Ablehnungsgesuch, sondern auch für das als unbegründet zurückgewiesene Ablehnungsgesuch.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass eine Revision nur dann erfolgversprechend ist, wenn ein Ablehnungsgesuch vorlag.

Wie ist ein Strafurteil aufgebaut?

Aufbau eines Strafurteils bei Verurteilung

Rubrum

1. Gericht, Aktenzeichen

2. Überschrift

- im Namen des Volkes (§ 268 I StPO)

- Urteil

3. Angabe zur Person des Angeklagten

4. Angabe der Straftat

5. Erkennendes Gericht

6. Termin der Sitzung (§ 275 III StPO)

7. Mitwirkende Personen (§ 275 III StPO)

Tenor

1. Sachentscheidung

- Schuldspruch

- Rechtsfolgenausspruch

- Hauptstrafe

- Nebenstrafe

2. Kostenentscheidung (§§ 264 II, 465 StPO)

3. Ggfs. Grundentscheidung über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen

Angabe der angewendeten Vorschriften (§ 260 V StPO)

Gründe

1. Persönliche Verhältnisse des Angeklagten

2. Erwiesener Sachverhalt (§ 267 I 1 StPO)

3. Beweiswürdigung

4. Rechtliche Würdigung der angewendeten Strafgesetze, § 267 III StPO

5. Begründung der ausgesprochenen Rechtsfolgen

6. Kostenentscheidung

7. Ggfs. Begründung der Entscheidung über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen

Unterschrift der hauptamtlichen Richter (§ 275 II StPO)



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