Gilt die Produktsicherheitsverordnung/GPSR nur für Produkte, die ab dem 13.12.2024 in den Verkehr gebracht wurden?

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Am 13.12.2024 tritt die Produktsicherheitsverordnung (General Product Safety Regulation – GPSR) in Kraft. Konkret geht es um die

VERORDNUNG (EU) 2023/988 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 10. Mai 2023 über die allgemeine Produktsicherheit, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie (EU) 2020/1828 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 87/357/EWG des Rates) .

Neben anderen Verpflichtungen sind besonders weitreichend die Verpflichtungen für Internethändler nach Art. 19 der Produktsicherheitsverordnung:

Artikel 19
 Pflichten der Wirtschaftsakteure im Hinblick auf den Fernabsatz
 Stellt ein Wirtschaftsakteur Produkte online oder über eine andere Form des Fernabsatzes auf dem Markt bereit, so muss das Angebot dieser Produkte mindestens die folgenden eindeutigen und gut sichtbaren Angaben enthalten:


 a) den Namen, den eingetragenen Handelsnamen oder die eingetragene Handelsmarke des Herstellers sowie die Postanschrift und die elektronische Adresse, unter denen er kontaktiert werden kann,


 b) falls der Hersteller nicht in der Union niedergelassen ist: den Namen, die Postanschrift und die elektronische Adresse der verantwortlichen Person im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 dieser Verordnung oder des Artikels 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2019/1020,


 c) Angaben, die die Identifizierung des Produkts ermöglichen, einschließlich einer Abbildung des Produkts, seiner Art und sonstiger Produktidentifikatoren, und


 d) etwaige Warnhinweise oder Sicherheitsinformationen, die gemäß dieser Verordnung oder den anwendbaren Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union in einer Sprache, die für die Verbraucher leicht verständlich ist und die der Mitgliedstaat festlegt, in dem das Produkt auf dem Markt bereitgestellt wird, auf dem Produkt oder auf der Verpackung anzubringen oder in einer Begleitunterlage beizufügen sind.

Diese Informationspflicht gilt für jedes (!) Verbraucherprodukt, das unter den Anwendungsbereich der Produktsicherheitsverordnung fällt.

Nähere Informationen zu den Informationspflichten für Internethändler nach der Produktsicherheitsverordnung ab dem 13.12.2024 haben wir hier zusammengestellt


Gilt die Produktsicherheitsverordnung/das GPSR nur für Produkte, die ab dem 13.12.2024 erstmalig in den Verkehr gebracht wurden?

Aktuell wird an mehreren Stellen darüber diskutiert, ob die Produktsicherheitsverordnung und alle damit zusammenhängenden Verpflichtungen nur für Produkte gilt, die ab dem 13.12.2024 in der EU erstmalig in den Verkehr gebracht wurden.

„Inverkehrbringen“ ist die erstmalige Bereitstellung eines Produktes auf dem Unionsmarkt (EU). Die Bereitstellung auf dem Markt ist jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produktes zum Vertrieb, zum Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Unionsmarkt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit.

Die Übergangsbestimmung

Artikel 51 der Produktsicherheitsverordnung enthält eine Übergangsbestimmung:

  • Artikel 51
    Übergangsbestimmung
    Die Mitgliedstaaten dürfen das Bereitstellen auf dem Markt von unter die Richtlinie 2001/95/EG fallenden Produkten nicht behindern, die mit jener Richtlinie konform sind und vor dem 13. Dezember 2024 in Verkehr gebracht wurden.

Die Richtlinie 2001/95 aus EG ist die Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit. Da es sich um eine Richtlinie handelt, muss eine Umsetzung in das jeweilig nationale Recht erfolgen. Die Richtlinie stammt vom Dezember 2001. Die Umsetzung erfolgte in Deutschland durch das Produktsicherheitsgesetz.

Anwendung der Produktsicherheitsverordnung/GPSR und damit auch der Informationspflichten für Internethändler nur für Produkte, die AB dem 13.12.2024 erstmalig in der EU in den Verkehr gebracht wurden?

Uns liegen mehrere Informationen vor, zum Teil auch von offiziellen Stellen, die die Ansicht vertreten, dass die Produktsicherheitsverordnung nicht für Produkte gilt, die vor dem 13.12.2024 in den Verkehr gebracht wurden und die die Produktsicherheitsrichtlinie einhalten.

Eine klare Position vertritt eBay (Stand 09/2024) in seinen allgemeinen Informationen über die Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit:

Eher versteckt unter der Überschrift

  •  „Wie sieht es mit gebrauchten Artikeln, Vintage-Artikeln oder Antiquitäten aus? Was passiert, wenn der Hersteller nicht mehr existiert? Was kann ich tun, wenn ich die erforderlichen Informationen nicht finden kann?“

wird wie folgt informiert:

  •  „Die Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit tritt ab dem 13. Dezember 2024 in Kraft. Produkte, die vor diesem Datum erstmals zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem EU-Markt im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit bereitgestellt wurden, sind von der Verordnung ausgenommen, sofern sie der Richtlinie 2001/95/EG entsprechen.“ (Hervorhebung von uns).

Die Information von eBay muss man so verstehen, dass unter dieser Voraussetzung die Produktsicherheitsverordnung gar keine Anwendung findet. Dies gilt insbesondere dann auch für die Informationspflichten für Internethändler nach Artikel 19 der Verordnung.

Wie ist die Rechtslage?

Ich kann diese Frage nicht eindeutig beantworten. Es gibt aktuell nur die Richtlinie mit den Erwägungsgründen. Offizielle Aussagen von staatlichen Stellen oder gerichtliche Entscheidungen gibt es aktuell noch nicht. Zu diesem Zeitpunkt gibt es somit kein richtig oder falsch, sondern nur Argumente (das klassische Arbeitsfeld eines Juristen).

Kurz gefasst halte ich unter anderem die Ansicht von eBay, aber auch anderen Stellen, nicht für richtig:

Zum einen regelt Artikel 51 der Produktsicherheitsverordnung (die Übergangsbestimmung) dass unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich dann, wenn ein Produkt mit der Produktsicherheitsrichtlinie konform ist und vor dem 13.12.2024 in den Verkehr gebracht wurde, Mitgliedsstaaten das Bereitstellen des Produktes nicht behindern dürfen. Es heißt dort ausdrücklich nicht, dass in diesem Fall die Produktsicherheitsverordnung keine Anwendung findet.

Ausdrücklich ausgenommen von der Produktsicherheitsverordnung sind jedoch Antiquitäten, Kunstgegenstände oder Sammlerstücke, von denen nicht erwartet werden kann, dass sie die in der Verordnung festgelegten Sicherheitsanforderungen erfüllen. An dieser Stelle spricht die Verordnung ausdrücklich davon, dass derartige Produkte vom Anwendungsbereich der Produktsicherheitsverordnung ausgenommen werden. Artikel 51, die Übergangsbestimmung, verwendet jedoch eine andere Formulierung, nämlich „nicht behindern“.

Wie wir die Übergangsbestimmung verstehen

Nach unserer Auffassung ist die Übergangsbestimmung so zu verstehen, dass Verbraucherprodukte, die vor dem 13.12.2024 in den Verkehr gebracht wurden und der Produktsicherheitsrichtlinie bzw. den nationalen Umsetzungen (in Deutschland dem Produktsicherheitsgesetz) entsprachen auch weiterhin verkauft werden dürfen. Es gibt neue Informationspflichten an den Produkten, so z.B. die Angabe einer elektronischen Adresse im Zusammenhang mit der Information zum Hersteller oder zur verantwortlichen Person. Aus der Übergangsbestimmung ergibt sich nach unserer Auffassung, dass diese Information bei Altprodukten nicht nachgetragen werden muss, sondern Verbraucherprodukte, die der Rechtslage bis zum 12.12.2024 entsprachen, unverändert abverkauft werden können. Die Forderung einer Nachkennzeichnung (Nachlabeln)  wäre nach unserer Auffassung eine unzulässige Behinderung.

Hinzukommt, bezogen auf die Informationspflichten in Internetangeboten, dass Verkäufer einfach behaupten könnten, es würde sich um Altprodukte handeln. Hinsichtlich der Intention der Produktsicherheitsverordnung, nämlich mehr Produktsicherheit für Verbraucherprodukte, völlig kontraproduktiv.

Wie bereits erläutert gibt es an dieser Stelle kein eindeutiges richtig oder falsch. Es ist jedoch auffällig, dass es für eine andere Auslegung der Übergangsbestimmung, als wir es an dieser Stelle tun, an allen uns bekannten Stellen keine Begründung gibt.

Sollten Internethändler darauf vertrauen, dass die Produktsicherheitsverordnung für alle Alt-Produkte, die der Produktsicherheitsrichtlinie entsprechend nicht gilt?

Auf der Plattform Amazon sind nach unserer Kenntnis für alle angebotenen Produkte bis zum 13.12.2024 alle nach Artikel 19 notwendigen Informationen zu hinterlegen, andernfalls die Produkte abgeschaltet werden. Dort stellt sich die Frage somit nicht.

Inwieweit es bei eBay grundsätzlich möglich ist, Produkte ab dem 13.12.2024 anzubieten, ohne irgende eine Information nach Produktsicherheitsverordnung zu hinterlegen, können wir an dieser Stelle jetzt noch nicht beurteilen.

Im eigenen Internetshop muss sich jeder Shopbetreiber selber darum kümmern, ob und wie er die Informationspflicht nach Artikel 19 umsetzt.

Unsere Empfehlung ist eindeutig: Shopbetreiber und Internetverkäufer sollten hinsichtlich aller Produkte, die unter die Produktsicherheitsverordnung fallen die entsprechenden Informationen nach Artikel 19 hinterlegen und insbesondere im eigenen Internetshop rechtskonform darstellen.

Wenn sich die Ansicht von eBay oder anderer Stellen später als falsch herausstellt (z.B. durch ein gerichtliches Urteil) ist der Aufwand umso größer, innerhalb von kurzer Zeit die Information zusammenzusuchen und korrekt darzustellen bzw. bei einer Plattform zu hinterlegen.

Hinzukommt, dass Sie als Verkäufer, egal wie man es dreht oder wendet, ohnehin verpflichtet sind, bei Produkten die ab dem 13.12.2004 20 erstmalig in den Verkehr gebracht wurden, die Information zu hinterlegen.

Die Interpretation der Übergangsregelung dürfte zudem bei einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung zu diesem Thema, die sehr weitreichend sein kann, wenig erfolgversprechend sein.

Ich  berate Sie zur konkreten Umsetzung der Informationspflichten in Ihrem Internetshop im Rahmen der Produktsicherheitsverordnung zum 13.12.2024


Ich berate Sie gerne konkret zur Umsetzung der Produktsicherheitsverordnung in eimem Internetshop zum 13.12.2024, u.a. zu folgenden Aspekten:

  • Für welche Produkte gilt die Produktsicherheitsverordnung konkret, welche Ausnahmen gibt es?
  • Was ist beim Angebot von gebrauchten Produkten oder Antiquitäten zu beachten?
  • Welche Prüfpflichten haben Sie als Verkäufer, bevor Sie ein Verbraucherprodukt zum Verkauf anbieten dürfen?
  • Welche Informationen müssen Sie bei einem Internetangebot eines Verbraucherproduktes konkret darstellen?
  • Was ist die „verantwortliche Person“?
  • Was ist bei der Produktidentifikation zu beachten?
  • Was müssen Sie beachten, wenn Warnhinweise und Sicherheitsinformationen darzustellen sind?
  • Welche Aspekte müssen bei einem EU-weiten Versand beachtet werden?
  • Wie sollten die notwendigen Informationen in einem Internetshop dargestellt werden?
  • Was ist zu beachten, wenn ein Produkt bereits auf der Artikelübersichtsseite in den Warenkorb gelegt werden kann?
  • Welche Verpflichtungen haben Verkaufsplattformen wie eBay, Amazon oder Kaufland?
  • Welche Sanktionen drohen bei der Nichteinhaltung der Informationspflichten nach Produktsicherheitsverordnung?


Zu mir und meiner Tätigkeit:

Ich berate als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz in meiner Kanzlei Internetrecht-Rostock.de tagtäglich seit über 20 Jahren Internethändler bei der rechtlichen Absicherung der Verkäufe.

Die Kanzlei Internetrecht-Rostock.de informiert auf ihrer gleichnamigen Internetseite seit mehr als 20 Jahren mit inzwischen über 3.000 Beiträgen über Themen für Online-Händler und berät eine Vielzahl von Online-Händlern bei der Absicherung ihrer Auftritte.

Sie benötigen eine Beratung zur Umsetzung der Produktsicherheitsverordnung in einem Internetshop?

Wenn auch Sie die Produktsicherheitsverordnung in Ihrem Internetshop rechtskonform umsetzen möchten, können Sie sich über die angegebenen Kontaktdaten unkompliziert mit mir in Verbindung setzen:

  • Rufen Sie mich einfach an (Tel. 0381-260 567 30).
  • Schicken Sie mir eine E-Mail (rostock@internetrecht-rostock).
  • Oder lassen Sie mir über die Funktion „Nachricht senden“ eine Mitteilung zukommen.


Johannes Richard
 Rechtsanwalt
 Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz


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