Griechenland erwägt Klage gegen Euro-Ausschluss
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Griechenlands Finanzminister Varoufakis erwägt ein juristisches Vorgehen der griechischen Regierung, sollte sein Land aus der Eurogruppe ausgeschlossen werden. Die EU-Verträge enthielten keine Vorgaben für einen Euro-Austritt.
Mitgliedschaft nicht verhandelbar
Über entsprechende Absichten berichtet die britische Tageszeitung The Daily Telegraph. Grund sind Aussagen europäischer Spitzenpolitiker, wie beispielsweise die von Frankreichs Präsidenten Hollande und Deutschlands Vizekanzler Gabriel. Demzufolge würde ein Ausgang des für Sonntag vorgesehenen Referendums über die Sparmaßnahmen mit Nein auch ein Nein zum Euro bedeuten. Gegen diesen als Grexit bezeichneten Schritt und ein Ersticken des griechischen Bankensystems erachte die griechische Regierung Varoufakis‘ Worten zufolge ernsthaft, eine einstweilige Verfügung beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu beantragen. Die Mitgliedschaft seines Landes sei nicht verhandelbar.
EU-Recht sieht keinen Euro-Austritt vor
In der Tat beinhaltet der EU-Vertrag keine Regeln zum Austritt eines Landes aus dem Euro. Der Vertrag von Maastricht regelte zwar damals die Einführung der neuen Währung, Bestimmungen über ein Ausscheiden aus der Währungsunion enthielt die 1992 erfolgte Änderung des EU-Vertrags (EUV) jedoch nicht. Auch die späteren Änderungen führten nicht zur Aufnahme spezifischer Euro-Austrittsregeln.
Nur Austritt aus der EU insgesamt geregelt
Seit dem Vertrag von Lissabon ist lediglich geregelt, wie ein Land komplett aus der Europäischen Union austreten kann. Artikel 50 EUV zufolge kann jeder Mitgliedsstaat seinen Austritt beschließen. Die Union verhandelt mit diesem anschließend ein Abkommen, das die Einzelheiten des Austritts und seine künftigen Beziehungen zur EU regelt. Die übrigen Länder beraten und beschließen zudem über den Austritt ohne Beteiligung des betroffenen Landes. Notwendig ist dafür eine qualifizierte Mehrheit aus einer bestimmten Anzahl an EU-Ländern und von diesen vertretener Einwohner. Auch ein späterer Wiederbeitritt wird ausdrücklich ermöglicht.
Einen solchen Austritt eines EU-Mitgliedsstaats hat es bisher nicht gegeben. Größere Verkleinerungen der Gemeinschaft ergaben sich bisher nur durch das Ausscheiden Algeriens, als es sich am 1.7.1962 von Frankreich lossagte. Außerdem schied 1985 das zu Dänemark gehörende Grönland auf eigenes Bestreben hin aus dem Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts aus. Die Beziehungen der größten Insel der Erde zur EU sind seitdem besonders geregelt.
Vertragsbeendigung nach Völkerrecht
Angesichts dessen scheint es unmöglich zu sein, dass ein Land – und damit konkret Griechenland – aus dem Euro ausscheidet. Scheinbar ist lediglich ein Austritt aus der EU, jedoch kein Ausschluss eines Mitgliedsstaats vorgesehen.
Dennoch eröffnet sich ein Weg über das allgemeine Völkerrecht. Art. 62 der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVRK) ermöglicht es, einen Vertrag zwischen Staaten zu beendigen. Voraussetzung ist, dass sich die Umstände grundlegend ändern und das bei Vertragsschluss nicht vorausgesehen wurde. Erforderlich ist dafür allerdings, dass diese Umstände erstens eine wesentliche Grundlage für die Zustimmung der Vertragsparteien waren, sich durch den Vertrag zu binden, und zweitens muss die Änderung der Umstände das Ausmaß der aufgrund des Vertrags noch zu erfüllenden Verpflichtungen tief greifend umgestalten. Insofern ist auf die Stabilitätskriterien abzustellen, deren Einhaltung Grundlage für die Aufnahme und Mitgliedschaft in der Währungsgemeinschaft ist. Stabile Preise, gesunde öffentliche Finanzen und monetäre Rahmenbedingungen sowie eine dauerhaft finanzierbare Zahlungsbilanz wurden zu richtungsweisenden Grundsätzen erklärt.
Insofern kam es bekanntermaßen bereits zu Abweichungen und nicht vorgesehenen Maßnahmen wie ESM und dem Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB. Auch andere Euroländer haben die Kriterien in der Vergangenheit bereits verletzt. Anders als in diesen Fällen weigert sich die derzeitige griechische Regierung jedoch beharrlich, zu ihrer Einhaltung zurückzukehren. Angesichts des Abweichens vom Stabilitätsziel kann die Grundlage für eine Vertragsbeendigung erfüllt sein. Dabei stellte das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem 1993 gefällten Maastricht-Urteil fest, sofern die Währungsunion die Stabilität nicht kontinuierlich im Sinne des vereinbarten Stabilisierungsauftrags fortentwickeln könne, würde sie die vertragliche Konzeption verlassen (Urteil v. 12.10.1993, Az.: 2 BvR 2134/92; 2 BvR 2159/92). Sie sollen eine auf Dauer der Stabilität und insbesondere der Geldwertstabilität verpflichtete Gemeinschaft gewährleisten. Die Einhaltung dieser Stabilitätsgemeinschaft war damals wesentlich für die Verfassungsrichter die gegen die deutsche Zustimmung zum Maastricht-Vertrag eingelegte Verfassungsbeschwerde zu verwerfen. 25 Jahre später erweist sich dies als die härteste Probe für die Zukunft der Europäischen Union in ihrer bisherigen Geschichte.
(GUE)
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