Haftpflichtansprüche gegen Vermögensschadenshaftpflichtversicherer

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Die Vermögensschadenhaftpflichtversicherungen gelten bei einer Vielzahl von Berufen und Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor. Bei der Geltendmachung von Haftpflichtansprüchen kommt es im Wesentlichen auf die Überwindung der dreijährigen Regelverjährungsfrist an. Der Ausschlussgrund des angeblichen wissentlichen Verstoßes darf grundsätzlich nur bei einem direkten Vorsatz (dolus directus 1. Grades) gesehen werden, nicht aber bei einem bedingten Vorsatz. Der volle Vorsatz muss sich auf alle Tatbestandsmerkmale beziehen. Hat sich der Vorsatz nicht auf das Tatbestandsmerkmal des Schadens bezogen, bleibt die Eintrittspflicht bestehen.

Möglich ist der Gerichtsstand des Versicherten, des Schädigers und der Versicherung.

Ist der versicherte Schuldner in die Insolvenz geraten, kommt es auf die richtigen Klageanträge an. Bei einem Direktanspruch nach § 115 VVG ist ein normaler Leistungsantrag zu wählen. Ansonsten ist Leistung an den Insolvenzverwalter zur Auskehrung an die Klägerseite zu beantragen. Wiederum Voraussetzung hierfür ist die vorherige Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle.

Das der Haftpflichtversicherung zugrunde liegende Trennungsprinzip besagt, dass zwischen dem Haftpflicht- und dem Deckungsverhältnis zu trennen ist. Das Haftpflichtverhältnis betrifft das Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Geschädigten. In diesem Verhältnis wird geprüft, ob und in welcher Höhe Schadensersatzansprüche bestehen (Quelle: Meixner, HDI Versicherung AG, Köln, Rechtsstellung des geschädigten Mandanten bei der Vermögensschadenshaftpflichtversicherung). Mit dem von dem Geschädigten erwirkten Haftungsurteil kann dieser dann den Freistellungsanspruch des verurteilten Versicherungsnehmers pfänden und sich überweisen lassen. In einem dann durch den Dritten geführten Deckungsprozess gegen den Versicherer wird geprüft, ob und inwieweit für den Schadenfall Versicherungsschutz besteht. Durchbrochen wird das Trennungsprinzip durch den Sonderfall des Direktanspruchs nach § 115 VVG (Quelle, ebenda).

Erforderlich ist also zunächst der Prozess gegen den Schädiger (Haftungsklage). Aus dem Urteil gegen ihn kann dann gegen den Versicherer vorgegangen werden (Deckungsklage).

Die Verjährung des Deckungsanspruches – soweit im Einklang mit § 106 VVG stehend – beginnt zum Ende des Jahres, in dem der Anspruch des Dritten mit bindender Wirkung für den Versicherer durch rechtskräftiges Urteil festgestellt worden ist.

Im Deckungsprozess sind die Feststellungen aus dem Haftpflichtprozess grundsätzlich bindend. Die Beweislast für Ausschlussgründe im Deckungsprozess liegt beim Versicherer. Der besondere Vorteil bei einem Versäumnisurteil dürfte sein, dass auch dieses eine Bindungswirkung gegen den Versicherer entfaltet. In Langheid/Müller-Frank, „Die Rechtsprechungsübersicht zum Versicherungsvertragsrecht im ersten Halbjahr 2018“, NJW 2018, 2302, ist ausgeführt, das OLG Rostock weise mit beachtlichen Gründen darauf hin, dass es gerade Voraussetzung des Versicherungsschutzes sei, dass der Versicherungsnehmer einen Vollstreckungstitel gegen den Schädiger erwirke.

Der im Haftpflichtprozess festgestellte Pflichtverstoß ist die Grundlage für den Risikoausschluss wissentlicher Pflichtverletzung, BGH, Urteil vom 11.06.2014 – IV ZR 400/12; OLG München (lexetius.com/2014, 2153).

Wird über das Vermögen des schädigenden Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, kann der Geschädigte wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers verlangen, § 110 VVG. Im Insolvenzverfahren muss ein entsprechender Anspruch aus abgesondertem Recht mit angemeldet werden.

Wird ein Rechtsstreit wegen des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten nach § 240 ZPO unterbrochen, muss die Forderung als Forderung aus abgesondertem Recht ergänzend zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Bestreitet der Insolvenzverwalter den Anspruch, ist der Leistungsanspruch gegen die Beklagtenseite in einen Feststellungsanspruch gegen den Insolvenzverwalter umzustellen.

Der Anspruch des Schädigers auf Freistellung gegenüber der eigenen Haftpflichtversicherung verjährt innerhalb von drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt grundsätzlich mit der Entstehung des Schadens. Der Freistellungsanspruch (Deckungsanspruch) gegen die eigene Versicherung des Schädigers ist also der Regelverjährungsfrist von drei Jahren unterworfen. Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Der Haftpflichtanspruch des Geschädigten gegenüber dem Schädiger unterliegt der gleichen Verjährungsfrist von drei Jahren.

Der Direktanspruch des Geschädigten im Falle des § 115 VVG gegenüber der Versicherung unterliegt ebenfalls der Regelverjährung von drei Jahren.

Der Deckungsanspruch des Geschädigten gegenüber der Versicherung ist solange gehemmt, solange der Prozess gegen den Schädiger läuft. Die Frist für den Deckungsanspruch beginnt mit dem obsiegenden Urteil zu laufen.

Ist ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag beim Versicherer angemeldet worden, ist die Verjährung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchsteller in Textform zugeht, § 15 VVG. Die bloße Untätigkeit des Geschädigten über mehrere Jahre hinweg führt nicht zu einem vorzeitigen Ende der Verjährungshemmung, BGH-Urteil vom 22.10.2014 – IV ZR 242/13.

Es ist im Grunde keine Verjährungshemmung durch Mahnbescheid bei fehlender Individualisierung zu riskieren (Urt. v. 21.10.2008 – XI ZR 466/07). Es ist daher besser, gleich eine Klage einzureichen. Alles, was man bei einer Klage heilen kann, kann man beim Mahnbescheid nicht heilen. Dem Bundesgerichtshof ist diese Problematik klar, er verbleibt aber bei seiner Auffassung.

Es besteht ein Heilungsverbot bei Mahnbescheiden (BGH IV ZR 167/05 v. 07.12.2006 unter Hinweis auf BGH XI ZR 312/99 vom 17.10.2000). Dieses ist ständige Rechtsprechung des BGH seit den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts.

Die gleiche Problematik gilt seit einiger Zeit leider auch für Güteverfahren, BGH-Urteil v. 18.06.2015 – III ZR 198/14. Diese Rechtsprechung war allerdings nicht vorhersehbar, NJW aktuell 39/2018, Seite 19. Ein Anwaltsverschulden schied daher aus.

Das OLG Nürnberg entschied mit Beschluss vom 21.06.2012 (5 W 1109/12), dass bei einer Insolvenz des Schädigers auch dann kein unmittelbares Vorgehen des Geschädigten gegen die Versicherung möglich ist, wenn der Insolvenzverwalter den Deckungsanspruch aus der Insolvenzmasse freigibt. Denn eine Inanspruchnahme des Versicherers setze voraus, dass die Forderungen des Geschädigten zunächst zur Tabelle angemeldet und festgestellt werden müssen (Quelle: Kein Direktanspruch gegen Haftpflichtversicherer bei Insolvenz des Versicherten, 15. April 2013 von RAin Bethlehem, anwalt.de).

Die vorstehende Position birgt Verjährungsrisiken. Denn der Deckungsanspruch gegen die Versicherung verjährt nach drei Jahren gemäß der regelmäßigen Verjährungsfrist (Versicherungsrechtliche Entstehung des Deckungsanspruches mit Geltendmachung der Forderung, OLG Hamm (20 U 168/16).

Zudem hat der BGH andererseits bestätigt, dass die Abtretung des Deckungsanspruchs gemäß § 108 VVG an den Geschädigten zu einem Zahlungsanspruch gegen den Versicherer führt (wobei offen geblieben ist, welcher Rechtsnatur dieser Zahlungsanspruch sein soll, ob es sich also um einen modifizierten Deckungs- oder einen modifizierten Haftungsanspruch handelt. Dabei kann der Geschädigte selbst Dritter i. S. d. § 108 II VVG sein (Langheid/Müller-Frank, Versicherungsrecht, NJW 32/2016, 2306 ff.).

Für einen vorweggenommenen Deckungsprozess gegen Pflichtversicherer des Schädigers – so die Meinung des OLG Naumburg – fehle es regelmäßig an einem rechtlichen Interesse. Etwas anderes könne bei der Gefahr des Verlustes des Deckungsanspruches (vgl. BGH-NJW-RR 2001, 316) bzw. bei einer dem Verlust gleichstehenden Ungewissheit (in Abgrenzung zu BGH, VersR 2009, 1485 = BeckRS 2009, 1485) gelten (Urt. v. 25.07.2013 – 2 U 23/13, OLG Naumburg, NJW aktuell 52/2013). Zu sehen ist aber, dass der Geschädigte alles unternehmen muss, um die Verjährung seines Anspruches zu hemmen.

Die Obliegenheiten des Geschädigten gegenüber dem Pflichtversicherer ergeben sich aus § 119 VVG. Hiernach ist der Schaden gegenüber der Versicherung von dem Dritten innerhalb von zwei Wochen anzuzeigen.

Ein Verteilungsverfahren nach § 109 VVG findet statt, wenn die Versicherungssumme voraussichtlich nicht ausreicht, um alle Ansprüche zu decken. Ist der Versicherungsnehmer gegenüber mehreren Dritten verantwortlich und übersteigen deren Ansprüche die Versicherungssumme, hat der Versicherer diese Ansprüche nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu erfüllen, § 109 VVG.

Bei der Verletzung von Kardinalpflichten ist der Versicherungsschutz wegen einer wissentlichen Pflichtverletzung ausgeschlossen. Dabei folgte das OLG Köln der BGH-Rechtsprechung (BGH, r + s 2015, 386 = VersR 2015, 1156), wonach dieser Ausschluss auch greift, wenn derselbe Schaden durch weitere, nicht wissentliche Pflichtverletzung mitverursacht worden ist, Langheid/Müller-Frank, Rechtsprechungsübersicht zum Versicherungsvertragsrecht im ersten Halbjahr 2017, NJW 2017, 2321. So auch OLG Köln vom 29.12.2016 – 9 U 120/16, VersR 2017, 1005.

Für den Ausschlussgrund der Wissentlichkeit der Pflichtverletzung ist der Versicherer indes darlegungs- und beweispflichtig, BGH-Urt. v. 17.12.2014 – IV ZR 90/13 – es ging um ca. 830.000 Euro gegen einen Insolvenzverwalter wegen der Verletzung der Aufstellung eines Liquiditätsplanes.

Beim Zusammentreffen von wissentlicher Pflichtverletzung und Fahrlässigkeit galt seit den 50er-Jahren: Wenn beides zusammentrifft, muss die Versicherung eintreten. Diese Rechtsprechung seit den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts schien etwas modifiziert, BGH-Beschluss vom 27.05.2015 – IV ZR 322/14; OLG Celle (lexetius.com/2015,1410).

Dieses Urteil sei so gemeint, dass derselbe Schaden durch dieselbe Handlung verursacht worden ist, es betreffe nicht den Fall, dass ein Junge mit einem Schneeball vorsätzlich das Bild A treffe, fahrlässig das Bild B schädige. Grundsätzlich müsse der Versicherer für den Schaden am Bild B. eintreten, Aktuelle Rechtsprechungsübersicht im Versicherungsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH, HAV-Seminar, 24. November 2017, Hamburg. Bedingt durch die Variationsbreite der Erscheinungsformen unterliegt die treffsichere Orientierung einem lebendigen Diskurs.

Maßgeblich dürfte die versichertenfreundliche Sichtweise sein, dass ein Vorsatz den Tatbestand eines fahrlässigen Handelns nicht verdränge, wenn der Vorsatz nicht den Schaden erfasst. Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. April 2011 – 20 U 10/11 – musste der haftungsausschließende Vorsatz bei der Herbeiführung eines Versicherungsfalles nicht nur die haftungsbegründende Verletzungshandlung umfassen, sondern auch die Verletzungsfolgen.

Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 10. Mai 2011 (IV ZR 196/10) müssen zu den objektiven Merkmalen der groben Fahrlässigkeit weitere subjektive Umstände hinzukommen, die es im konkreten Fall gerechtfertigt erscheinen ließen, unter Abwägung aller Umstände den Schuldvorwurf geringer als grob fahrlässig zu bewerten (Augenblicksversagens bei der Ablenkung von einem Frittiervorgang auf einem Küchenherd und anschließendem Brand).

Wissentlich handelt nur derjenige Versicherte, der die verletzten Pflichten positiv kennt. Bedingter Vorsatz, bei dem er die in Rede stehende Verpflichtung nur für möglich hält, reicht dafür ebenso wenig aus wie eine fahrlässige Unkenntnis. Es muss vielmehr feststehen, dass der Versicherte die Pflichten zutreffend gesehen hat, BGH-Urteil vom 17.12.2014 – IV ZR 90/13.

Fazit: Versicherungsrechtliche Angelegenheiten erfordern ein tiefes Verständnis für die mannigfaltigen Herausforderungen. Es gibt für die Anwältin und den Anwalt nur einen richtigen Weg zur Erreichung des Ziels: den sichersten Weg. Das ist der Weg mit den geringsten rechtlichen Risiken (Oberheim, Vermeidung typischer Fehler im Zivilprozess, Seminarskript v. 01.10.2010, S. 15). Dieses ist häufig der kompliziertere und anspruchsvollere und der teurere.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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