Haftung der Gesellschafter einer Limited nach dem Brexit des Vereinigten Königreichs

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Die Gesellschafter einer Limited nach englischem Recht sind akut davon betroffen, für die Verbindlichkeiten der Gesellschaften haften zu müssen, wenn der Verwaltungssitz in Deutschland liegt. Durch den Austritt des Vereinigten Königreichs (UK) aus der Europäischen Union (EU) dürfte es wieder zur Anwendung der Sitztheorie kommen. Sollte es nach derzeitigem Stand keine Regelung in einem Abkommen über den Brexit geben, so ist jetzt noch die Zeit zu reagieren. Mit welchen Maßnahmen lässt sich die Haftung vermeiden?

Hintergrund: Sitztheorie vs. Gründungstheorie

Im Kern geht es um die Frage, nach dem Recht welchen Staates sich der Status einer Gesellschaft bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt richtet.

Die Vertreter der Sitztheorie wenden das Recht des Staates an, in dem die Gesellschaft ihren tatsächlichen Sitz hat. Der tatsächliche Sitz der Gesellschaft wird insbesondere durch den Ort der Hauptverwaltung der Gesellschaft bestimmt. Wird eine Gesellschaft im EU-Ausland nach dortigem Recht gegründet und verlegt dann ihren Verwaltungssitz nach Deutschland, findet mit der Sitztheorie auf diese Gesellschaft ausschließlich deutsches Recht Anwendung.

Dagegen gehen die Vertreter der Gründungstheorie davon aus, dass für die Gesellschaft diejenige Rechtsordnung des Staates anzuwenden ist, in dem die Gesellschaft gegründet wurde. Eine Sitzverlegung in einen anderen EU-Staat hat damit keine Auswirkungen auf das anzuwendende Recht. Die weniger strenge Gründungstheorie bietet eine größere Wahlmöglichkeit unter den Gesellschaftsformen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.

Bundesgerichtshof vs. Europäischer Gerichtshof

Der Bundesgerichtshof (BGH) vertrat seinerzeit in den entsprechenden Fallgestaltungen die Sitztheorie und wandte daher praktisch ausnahmslos das deutsche Recht an.

Nach der Rechtsprechung des Europäische Gerichtshofes (EuGH) z. B. in seinen Entscheidungen in den Rechtssachen Centros, Überseering und Inspire Art Ltd. ist die Sitztheorie mit der unionsrechtlich garantierten Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar (vgl. Art. 49 bis Art. 55 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV). Aufgrund dieser Rechtsprechung des EuGH schloss sich der BGH für solche Gesellschaften der Sitztheorie an, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) oder gleichgestellten Staates gegründet worden sind (vgl. BGH, 27. Oktober 2008 – II ZR 158/06 – Trabrennbahn; BGH, 12. Juli 2011 – II ZR 28/10 – BGHZ 190, 242-251).

Brexit bedroht Haftungsabschirmung durch englische Limited

Verlässt das Vereinigte Königreich die Europäische Union, so verliert es den Status als Mitgliedsstaat. Damit gehört es nicht mehr zum EU-Ausland, sondern wird – vorbehaltlich anderweitiger Regelungen – zum Drittausland.

Damit steht den Gesellschaftern einer englischen Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland eine Anwendung der strengen Sitztheorie bevor. Folge ist, dass sich insbesondere die Frage der Haftung ausschließlich nach deutschem Recht richtet. Das deutsche Gesellschaftsrecht kennt eine Formenstrenge, die die Anerkennung von ausländischen Gesellschaften ausschließt. Eine Anwendung der aus Gründen der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit übernommenen Gründungstheorie durch den Bundesgerichtshof ist derzeit nicht zu erwarten. Eine gesetzgeberische Regelung in diese Richtung ist zurzeit auch nicht ersichtlich. Aus rechtlicher Sicht wird nach dem Brexit jede englische Limited mit deutschem Verwaltungssitz als Personengesellschaft, d. h. Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bzw. offene Handelsgesellschaft (OHG) zu behandeln sein. Diese Rechtsformen bieten allerdings keinerlei Haftungsbegrenzung. Im Gegenteil: die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die offene Handelsgesellschaft ermöglichen den Durchgriff auf das Vermögen der Gesellschafter.

Was kann man jetzt tun, um nach dem Brexit nicht haften zu müssen?

Im Allgemeinen dürften die offensichtlichsten Varianten – Sitzverlegung nach England oder gar die Liquidation der Limited – aus rein praktischen Gründen nicht in Frage kommen. Maßnahmen zur Übertragung von Vermögensgegenständen in einer Gesellschaft nach deutschem Recht oder die Umwandlung der Limited in eine deutsche Rechtsform mit Haftungsbeschränkung dürften gemeinhin das Mittel der Wahl sein. Der deutsche Gesetzgeber hat dazu bereits am 01. Januar 2019 durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes (UmwG) erweiterte Möglichkeiten geschaffen.

Das Umwandlungsgesetz sieht in den §§ 122a ff. UmwG nunmehr Vorschriften für die Hineinverschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Personenhandelsgesellschaften vor. Damit ist jetzt die Umwandlung z. B. in eine Kommanditgesellschaft (KG) möglichen. An dieser Kommanditgesellschaft kann sich entweder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder eine Unternehmergesellschaft (UG) als persönlich haftende Gesellschafterin (Komplementärin) beteiligen, sog. GmbH & Co. KG bzw. UG & Co. KG. Weiterhin bietet eine Übergangsregelung für alle zum Zeitpunkt des Brexits bereits begonnenen Verschmelzungsvorgänge entsprechenden Veränderungsschutz.

Wie Sie jetzt von diesen neuen Möglichkeiten profitieren und eine Haftung vermeiden können, erfahren Sie gerne in einem persönlichen Beratungsgespräch.



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