Handrücken: Kaliumparavasation mit „tiefer dermaler Nekrose" , Hautlappenverpflanzung, Revisionen

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außergerichtlicher Vergleich nach grobem Behandlungsfehler/Arzthaftung 

u.a. Paravasat - Schadensersatz Klinik: EUR 50.000,- nebst Anwaltskosten

Die Mandantin wurde stationär behandelt. Die Aufnahme erfolgte als Notfall bei epileptischem Anfall bei bekannter Alkoholabhängigkeit. Es lag ein Alkoholentzugssyndrom vor und die Patientin wurde bei Agitiertheit fixiert. Es wurde eine Hypokaliämie festgestellt und so im Rahmen der Therapie eine i.v. Kaliuminfusion verabreicht, welche in das Gewebe am linken Handrücken para lief. Es kam zur „oberflächigen Epidermolyse". Bei anhaltender Weichteilnekrose am linken Handrücken, erfolgte zunächst eine ambulante Vorstellung und im Anschluss die stationäre, plastisch-chirurgische Rekonstruktion des betroffenen Areals in einem anderen Krankenhaus in Regensburg. Es waren insgesamt sechs Operationen zur Defektversorgung notwendig.

Der Vorwurf (Behandlungsfehler) lautete, dass die lnfusionstherapie nicht korrekt durchgeführt worden sei; es wurde angeführt, dass die delirante Patientin zwar fixiert wurde, aber keine Fixierung der Hände und des Handrückens erfolgt sei. So konnte nicht verhindert werden, dass die Kaliuminfusion statt in die Vene in das Gewebe gelaufen war. Konkret wurde gerügt, dass die Mandantin durch eine fehlerhafte Behandlung folgende Gesundheitsschäden erlitten hatte: Kaliumparavasation mit „tiefer dermale Nekrose", die insgesamt 6x Operationen mit Hautlappenverpflanzung (Revisionen, Tenolyse und Lappenausdehnung Handrücken, Revision freier Lappen, Narbenkorrektur Oberschenkel rechts + Unterbauch, Lippofilling zur Narbenkorrektur, Entnahme Unterbauch) notwendig machten. Es verblieb jedoch infolge der Nekrose auch nach der Spalthaut-Transplantation und trotz Revisionen am linken Handrücken nach wie vor eine große, entstellende (Ausmaß 10 x 20 cm)

Zusätzlich war die Mandantin durchgehend auf physiotherapeutische Behandlungen angewiesen, zudem auch ERGO-Therapie; im Einzelnen handelte es sich um         127x krankengymnastische Behandlungen (KG, MLD, LD u.a.) sowie insgesamt weiteren 134x ergotherapeutische Behandlungen der Narben (Handrücken links, Oberschenkel rechts). Die Mandantin hat neben den bekannten Probleme aufgrund Paravasation am Handrücken links (Schmerzen verbunden mit den Nebenwirkungen der Einnahme starker Schmerzmittel – Darm, Bewegungseinschränkungen, das erste Jahr durchgehendes Tragen der verordneten Kompressionshandschuhe, Kraftlosigkeit beim Greifen) weitere Schäden aufgrund der erforderlich werdenden Hautentnahme für die Transplantation an der Entnahmestelle am Oberschenkel rechts; die Wundheilung dort erfolgte nicht problemlos, sondern verzögerte sich aufgrund einer Infektion für Monate, dies verbunden wiederum mit Schmerzen der Mandantin am Oberschenkel.

Ich hatte für die Mandantin deswegen ein Gutachten bei der Gutachterstelle für Arzthaftungsfragen (Bayerische LandesärztekammerBLÄK) eingeholt - diese hatte einen groben Behandlungsfehler festgestellt:

Bei einer unruhigen und deliranten Patientin dürfe eine hochgewebetoxische Substanz, wie Kalium-Chlorid 7,45%, nicht unverdünnt am Handrücken appliziert werden, da den Behandlern die Gefahr einer Paravasation bekannt sein müsse. Die Applikation von unverdünntem Kalium am Handrücken mit Perfusor ist deshalb als Behandlungsfehler zu bezeichnen. Dieser Behandlungsfehler mit Paravasation von Kalium ist ursächlich für die schwere Nekrose der Haut, des gesamten Handgelenkes und alle damit verbundenen nachfolgenden Operationen. Nach Überzeugung der Kommission sei die unverdünnte Verabreichung des Kalium-Chlorid-Konzentrats über einen periphervenösen Zugang zudem als grober Behandlungsfehler zu werten, wenn, wie im vorliegenden Fall, aufgrund der Unruhe der Patientin (Patientin wegen Agitiertheit fixiert) eine sichere Lage der peripheren Venenkanüle nicht zu gewährleisten war und somit die hochgradige Gefahr einer Paravasation mit ausgeprägter Nekrosenbildung bestand.

Nachdem die Haftpflichtversicherung der Klinik zunächst nur eine Zahlung in Höhe von 15.000,- € geleistet hatte, konnte nach vollständiger Bezifferung vergleichsweise zeitnah (wunschgemäß ohne Klage vor dem Landgericht) eine angemessene Gesamt-Abfindung (Schmerzensgeld, Schadensersatz und Haushaltsführungsschaden) in Höhe von insgesamt 50.000 Euro (zzgl. aller RA-Kosten) für die Mandantin ausgehandelt werden.




Rainer Beer, Fachanwalt für Medizinrecht 



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