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Hund rennt in Fahrrad – Mithaftung des Radlers?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Wer mit seinem Hund einen Spaziergang macht, muss stets darauf achten, dass sein tierisches Familienmitglied niemanden belästigt. Um die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten, herrscht daher in vielen Gemeinden Leinenzwang. Lässt das Herrchen seinen Vierbeiner dennoch frei herumlaufen und kommt es dabei zu einem Zusammenstoß mit Passanten, stellt sich die Frage, wer haftet: der Tierhalter oder der Passant?

Auf den Hund gekommen?

Ein Mann ging mit seinem germanischen Bärenhund auf einem landwirtschaftlichen und asphaltierten Weg, der von landwirtschaftlichen Fahrzeugen, Fußgängern und Radlern genutzt werden durfte, Gassi. Während er selbst auf der rechten Seite des Pfades lief, trottete der Vierbeiner freilaufend auf der linken Seite entlang. Dabei zog er die Leine, die noch immer an seinem Halsband hing, hinter sich her.

Als sich von hinten eine Radlerin mit ihrem Mann näherte und mittels Fahrradklingel auf sich aufmerksam machte, pfiff der Hundehalter nach seinem Vierbeiner – der ihn jedoch prompt ignorierte. Erst als sich die Frau – die sich nur langsam genähert hatte – auf gleicher Höhe mit dem Hund befand und zwischen ihm und seinem Herrchen vorbeifahren wollte, scherte die Fellschnauze nach rechts aus. Die Frau konnte nicht mehr schnell genug bremsen, sodass der Hund gegen das Zweirad rannte und die Frau zu Fall brachte. Sie verletzte sich schwer und verlangte vom Tierhalter Schadenersatz. Schließlich habe der entgegen einer geltenden Polizeiverordnung der Gemeinde seinen Hund frei laufen lassen. Das wäre aber nur zulässig gewesen, wenn ihm der Hund auf Zuruf gehorchen würde.

Der Tierhalter jedoch verweigerte jegliche Zahlungen – seiner Ansicht nach war das Verhalten seines Hundes nicht für den Sturz verantwortlich. Daraufhin zog die Radlerin vor Gericht.

Alleinige Haftung des Tierhalters

Das Landgericht (LG) Tübingen gab der Radlerin Recht und verpflichtete den Tierhalter gemäß § 833 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Zahlung von Schadenersatz.

Für das Gericht war bereits der örtliche und zeitliche Zusammenhang zwischen dem Ausscheren des Hundes und dem Sturz der Frau Beweis genug, dass der Vorfall durch das Verhalten des Tieres ins Rollen gebracht worden ist. Im Übrigen sprach auch ein sog. Anscheinsbeweis gegen die „Unschuld“ des Hundes und damit auch seines Herrchens. Dieser hatte seinen Hund nämlich entgegen der Polizeiordnung nicht angeleint, sondern samt Schleppleine frei herumlaufen lassen. Die Ausnahme, wonach ein Hund auch ohne Leine Gassi geführt werden darf, wenn er auf Zuruf gehorcht, war vorliegend unstreitig nicht einschlägig. Im Gegenteil: Der Hund hat die Pfiffe seines Herrchens ignoriert.

Kurz darauf ist er plötzlich, ohne Grund und unvorhersehbar nach rechts gelaufen. Durch dieses unkalkulierbare Verhalten hat sich die typische Tiergefahr verwirklicht. Schließlich handeln Tiere mehr nach ihren Instinkten und nicht – wie ihre menschlichen Begleiter – nach Straßenverkehrsregeln. Das Risiko, dass aufgrund dieses Verhaltens etwas passiert, trägt stets der Tierhalter – schließlich ist er für sein Haustier verantwortlich. Das Herrchen jedoch hat vorliegend seinen Hund samt Leine auf der anderen Seite des Weges laufen lassen. Im Fall einer Gefahrensituation hätte er nicht rechtzeitig nach der Leine greifen können. Die schleifte vielmehr auf dem Boden herum und hätte sich z. B. in vorbeifahrenden Rädern verhaken können – sie stellte daher eine weitere Gefahrenquelle dar, die durch den Tierhalter fahrlässig verursacht worden ist.

Die Radlerin dagegen hat den Unfall nicht mitverursacht. Sie hat ihr Kommen rechtzeitig durch das Betätigen der Fahrradklingel angezeigt und sich nur langsam genähert. Dass sie nicht vom Fahrrad abgestiegen ist und es an dem Hund vorbeigeschoben hat, konnte ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden. Schließlich gibt es keine gesetzliche Regelung, wonach Radler ihre Fahrräder an Hunden nur vorbeischieben dürfen. Es reicht aus, wenn sie langsamer werden und vorsichtig an den Tieren vorbeifahren.

(LG Tübingen, Urteil v. 12.05.2015, Az.: 5 O 218/14)

(VOI)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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