Immobiliendarlehen: Bank verweigert Auszahlung? Wichtiges Urteil zur Fälligkeit des Darlehens!

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Kreditnehmer eines Immobiliendarlehens sehen sich immer öfter damit konfrontiert, dass die Bank die Auszahlung des Darlehens oder Teilen davon von der Vorlage sog. Baufortschrittsanzeigen oder Rechnungen abhängig macht. Die maßgebliche Klausel, die sich wortgleich in vielen Immobiliendarlehensverträgen befindet, hat das Oberlandesgericht Stuttgart nunmehr für unzulässig erklärt (Urteil vom 27.04.2022 – 9 U 355/21). Der nachfolgende Beitrag setzt sich mit den Vorteilen der Entscheidung für Darlehensnehmer auseinander und zeigt, welche weiteren typischen Darlehenssituationen von der Entscheidung betroffen sind.

Klausel über Auszahlung nach Baufortschritt ist unwirksam

Eine Darlehensnehmerin machte die Auszahlung von weiteren € 150.000,00 eines über den Betrag von € 800.000,00 abgeschlossenen Darlehens geltend, von dem die beklagte Bank le­diglich ca. € 118.000,00 ausbezahlt hat. Der Darlehensvertrag enthielt in seinen Ver­trags­bedingungen nur den Hinweis, dass das Darlehen zu einem Auszahlungskurs von 100 % zugunsten des Kontos der Darlehensnehmerin ausbezahlt würde. In den All­ge­meinen Geschäftsbedingungen heißt es : „Der Kredit kann erst in Anspruch ge­nommen werden, wenn sämtliche vertraglichen Bedingungen erfüllt sind […]. Bei Bau­kre­di­ten erfolgt die Auszahlung üblicherweise nach Baufortschritt […]“.

Die Bank verweigerte die Auszahlung des Darlehens und begründete dies damit, dass die Darlehensnehmerin den Baufortschritt nicht nachgewiesen hätte. 

Wann ist "üblicherweise" und wann nicht?

Das Oberlandesgericht Stuttgart gab der Darlehensnehmerin recht und begründete dies damit, dass es sich für einen nicht rechtlich vorgebildeten durch­schnittlicher Vertragspartner der Bank nicht ohne weiters erschließe, wann von einem "üblichen" und wann von einem unüblichen Fall auszugehen sein soll. Die verwendete Klausel enthalte dazu keinerlei An­haltspunkte. Es bleibe „gleichsam im Nebel“, woran sich der „Baufortschritt“ orientieren solle. Ein klarstellender Verweis auf die Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) erfolge gerade nicht. Die Auslegung der Klausel durch die Bank, das Darlehen sei (nur) gegen Nachweis von Rechnungen auszuzahlen, finde in der konkreten Klausel gerade keine Stütze. Zudem sei ein Baufortschritt ein tatsächlicher Vorgang, der von der Tatsache, ob und welche Rechnungen im Einzelnen gestellt werden, gerade nicht abhänge.

Konsequenzen der Entscheidung

Im Zweifel muss Auszahlung sofort erfolgen

Darlehensnehmer, die eine solche unwirksame Klausel in ihrem Darlehensvertrag vereinbart haben, können nach deutschem Recht mangels einer Regelung über den Auszahlungszeitpunkt des Darlehens dieses im Zweifel sofort zur Auszahlung verlangen. Denn die Bank befindet sich dann, wenn sie die Auszahlung zu unrecht verweigere, mit er Auszahlung in Verzug, und hat dann auch die durch die Verzögerung entstanden Schäden zu ersetzen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es ist derzeit beim Bundesgerichtshof anhängig.

Bereitsstellungszinsen

Beliebt bei Banken sind sog. Bereitstellungszinsen. Diese werden dann fällig, wenn die Bank das Darlehen für eine bestimmte bereitstellungsfreie Zeit (also kostenlos) zur Verfügung stellt und der Darlehensnehmer das Darlehen nach Ablauf der bereitstellungsfreien Zeit ganz oder teilweise nicht abruft. Findet sich aber im Vertrag die gegenständliche Klausel zur Auszahlung "üblicherweise nach Baufortschritt", und begründet die Bank die Nichtauszahlung mit der Nichterfüllung der Auszahlungsvoraussetzung "Baufortschritt" z.B. wegen angeblichem Fehlens von Nachweisen, dürfte die Berechnung eines Bereitstellungszinses nicht rechtens sein, da die Bank in diesem Fall im Zweifel zur sofortigen Auszahlung des gesamten Darlehens verpflichtet ist und der Darlehensnehmer den Nichtabruf gerade nicht zu vertreten hat.

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Rechtsanwalt Markus Mehlig ist auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisiert. Er berät und vertritt bundesweit Darlehensnehmer unter anderem bei der Nichtauszahlung von Baudarlehen und gegen Bereitstellungszinsen sowie Vorfälligkeitsentschädigungen. Gerne steht er auch Ihnen im Rahmen eines kostenfreien Erstgesprächs zur Verfügung und prüft die Erfolgsaussichten Ihrer Ansprüche.



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