Infektion am Zeigefinger zu spät behandelt: 10.000 Euro

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Mit gerichtlichem Vergleich vom 29.08.2016 hat sich ein Krankenhaus verpflichtet, an meine Mandantin zur Abfindung sämtlicher Ansprüche einen Betrag in Höhe von 10.000 Euro sowie die außergerichtlichen Anwaltsgebühren zu zahlen.

Die am 20.08.1971 geborene Angestellte verspürte in der Nacht vom 17. auf den 18.11.2012 starke Schmerzen im Zeigefinger der linken Hand und suchte am Morgen des 18.11.2012 die Ambulanz des Krankenhauses auf. Der Arzt diagnostizierte eine Arthrose oder Gelenkentzündung und schickte sie mit Schmerzmitteln wieder nach Hause. Es zeigte sich jedoch bereits ein roter Strich am Handgelenk innen. Zu Hause verlängerte sich der Strich bis zur Schulter. Noch am selben Abend begab sie sich wieder ins Krankenhaus, da sich auch die Schmerzen verstärkt hatten. Sie wurde wieder nach Hause geschickt.

Am 19.11.2012 ging sie zu ihrem Hausarzt, welcher sie notfallmäßig ins Krankenhaus überwies. Jetzt wurde die Mandantin in der Handchirurgie des Krankenhauses untersucht, wo eine Sepsis festgestellt und eine Not-OP eingeleitet wurde. Aus der Anamnese der Handchirurgie ging hervor, dass sich drei Tage nach einem Nagelstudiobesuch mit Auflage von Gelnägeln eine Schwellung des Endgliedes des zweiten Fingers links eingestellt habe. Am Aufnahmetag zeigten sich Zeichen einer schwersten Infektion mit einer Erhöhung des CRP-Wertes auf 285 mg/l (normal < 5).

Die leitende Oberärztin der Handchirurgie dokumentierte bei Aufnahme eine massive Schwellung des gesamten zweiten Fingers links mit fortgeleiteter Lymphangitis bis zum Oberarm/Achselhöhle. Es habe eine livide Verfärbung des Endgliedes des Zeigefingers sowie eine schmerzhaft aufgehobene Beweglichkeit vorgelegen.

Am 19.11.2012 wurde der linke Finger eröffnet. Im Bereich des subkutanen Gewebes zeigten sich nekrotisierende Weichanteile, die unter Schonung des Gefäßnervenbündels beidseitig debridiert wurden. Nach Eröffnung der Sehnenscheide entleerte sich seröse Flüssigkeit. Im Bereich des Endgliedes zeigte sich ein Panaritium subkutanäum, welches entlastet und debridiert wurde. Am 20.11.2012 musste eine Revisionsoperation durchgeführt werden. Die Ärzte führten ein zweites notwendig gewordenes Debridement unter Schnitterweiterung nach distal und proximal sowie eine Spaltung des Retinaculums flexorum, Spaltung der Thenarfaszie mit Anlage einer Spüldrainage durch.

Aufgrund einer massiven Streptococceninfektion war es zu einem Untergang der palmarseitigen Haut des zweiten Fingers links gekommen. Deswegen erfolgte am 21.11.2012 die Entfernung des Fingernagels sowie die Entfernung der gesamten Dermis des zweiten Fingers links palmarseitig. Mikrobiologisch wurde bei mehrfachem Abstrich als Infektionserreger ein Streptococcus pyogenes (Gruppe A) beschrieben.

Am 05.12.2012 wurde der Mandantin vom Oberschenkel links Spalthaut auf die Narbe am Zeigefinger gesetzt. Im Operationsbericht wurde die Spalthauttransplantation eines ca. 3 x 2 cm großen Hautdefektes im Bereich des zweiten Fingers links bei sauber granulierender Wunde beschrieben. Trotz über 78 Terminen bei einem Krankengymnasten blieb es bei einer erheblichen Funktionseinschränkung des linken Zeigefingers. Die Mandantin verspürt kaum Verbesserung in der Beweglichkeit, muss sich bei vielen Alltagshandlungen von ihrem Mann oder ihren Kindern helfen lassen. Sie ist in großer Sorge, nicht wieder in ihrem alten Beruf arbeiten zu können wegen der Bewegungs- und Belastbarkeitseinschränkung ihres Fingers. Sie leidet zudem unter regelmäßigen Schmerzen im linken Zeigefinger und schämt sich, diesen zu zeigen.

Der gerichtliche Sachverständige hatte bestätigt: Zwar sei in der Nacht des 18.11.2012 bei zunehmenden Schmerzen richtigerweise eine Fingerphlegmone diagnostiziert worden. Bei der zeitlichen Dynamik der sich in kurzer Zeit erheblich verschlechternden subjektiven und objektiven Symptomatik sei jedoch zwingend die Einweisung in eine Handchirurgische Abteilung zur Überwachung medizinisch notwendig gewesen, weil sich der explosionsartige Verlauf einer derartigen Infektion nicht vorhersagen lasse.

Diese Einweisung am Abend des 18.11.2012 in eine Handchirurgische Abteilung sei fehlerhaft unterlassen worden. Seien die Angaben der Mandantin zutreffend, dass sich bereits am Morgen des 18.11.2012 ein roter Strich vom Handgelenk innen bis kurz zur Innenseite des linken Ellenbogengelenkes gezeigt hätte, wäre schon zu diesem Zeitpunkt eine sofortige Operation medizinisch notwendig gewesen.

Die weitere ambulante Behandlung sei mit einem hohen Risiko einer Befundverschlechterung und einem zeitlichen Verzug der Operation verbunden gewesen. Die angeführten Behandlungen/Beeinträchtigungen seien allerdings nur teilweise auf die verzögerte Überwachung/Behandlung zurückzuführen. Ein Teil der Beeinträchtigung falle bestimmt auch auf die unverschuldete bestehende schwere Fingerinfektion. Eine Quantifizierung sei schwierig. Möglicherweise sei ein Verhältnis von 1:1 adäquat.

Zur Vermeidung einer umfangreichen weiteren Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Abklärung der Folgen zwischen dem Behandlungsfehler und der Grundinfektion haben sich die Parteien auf den Betrag in Höhe von 10.000 Euro geeinigt.

(Landgericht Dortmund, Vergleich vom 29.08.2016, AZ: 12 O 187/14)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht



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