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Insolvenzverfahren in Frankreich: Forderungsanmeldung und Wiederaufnahme eines anhängigen Gerichtsverfahrens

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Das anhängige Verfahren, das nach französischem Recht unterbrochen wurde, bis der Gläubiger seine Forderung in dem ausländischen Insolvenzverfahren angemeldet hat, wird nicht allein aufgrund der Klageschrift des ausländischen Insolvenzverwalters auf Zwangsintervention wieder aufgenommen, da diese nicht als Anmeldung einer Forderung gilt.

Entscheidung der Handelskammer des französischen Kassationsgerichtshofs : Com. 04.10.2023, F-B, n° 22-12.128 



Automatische Anerkennung der Wirkungen eines ausländischen Insolvenzverfahrens, lex fori concursus und anhängiges Verfahren



Sowohl Bankinstitute als auch Versicherungsunternehmen sind zwei Kategorien von Schuldnern, die vom Anwendungsbereich des allgemeinen europäischen Insolvenzrechts, d. h. der Verordnung (EU) 2015/848 (Europäische Insolvenzverordnung oder EIR), ausgenommen sind, da sie besonderen Instrumenten unterliegen (in Bezug auf Versicherungsunternehmen siehe Richtlinie 2009/138/EG vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherung Tätigkeit (Solvabilität II)).

Gemäß der Solvabilität-II-Richtlinie (Richtlinie 2009/138/EG) unterliegt das Insolvenzverfahren, das zugunsten eines Versicherungsunternehmens eröffnet wird, nach dem Grundsatz der lex fori concursus dem Recht des Mitgliedstaates, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird.

Der Grundsatz der lex fori concursus bedeutet, dass das auf das Insolvenzverfahren anwendbare Recht das Recht des Mitgliedstaates ist, in dem das Verfahren eröffnet wird. Dies soll eine wirksame Koordinierung der Insolvenzverfahren innerhalb der Europäischen Union gewährleisten, indem Rechtskollisionen zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten vermieden werden.


Umsetzung und Anwendung in Frankreich



Die Solvabilität-II-Richtlinie wurde in Frankreich durch die Verordnung Nr. 2015-378 vom 2. April 2015 umgesetzt, mit der insbesondere die Artikel L. 326-20 ff. des frz. Versicherungsgesetzbuchs geschaffen oder geändert wurden. Artikel L. 326-20 des Versicherungsgesetzbuchs sieht die automatische Anerkennung von in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen zur Eröffnung einer Insolvenz in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union vor. 

Die Bestimmungen von Artikel L. 326-28 desselben Gesetzbuchs ergänzen die Lösung, indem sie festlegen, dass die "Auswirkungen der Maßnahme zur Liquidierung oder der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf ein in Frankreich anhängiges Verfahren, das einen Vermögensgegenstand oder ein Recht betrifft, das dem Versicherungsunternehmen entzogen wurde, ausschließlich durch die Bestimmungen der Zivilprozessordnung geregelt werden". 

Zur Erinnerung: Diese beiden Artikel sind das Ergebnis der Umsetzung der Bestimmungen von Artikel 292 der Solvabilität-II-Richtlinie in Frankreich.

Gemäß Artikel R. 622-20 des frz. Handelsgesetzbuchs wird die gemäß Artikel L. 622-22 unterbrochene Instanz auf Initiative des klagenden Gläubigers wieder aufgenommen, sobald dieser dem Gericht, bei dem die Instanz anhängig ist, eine Kopie der Anmeldung seiner Forderung oder jedes andere Element vorgelegt hat, das die Nennung seiner Forderung in der Liste der angemeldeten Forderungen belegt, und er die ernannten Rechtsvertreter in Anspruch genommen hat. 

Die Unterbrechung gilt für alle anhängigen Verfahren, unabhängig von der Gerichtsbarkeit, und zwar für einen unbestimmten Zeitraum, der die Erfüllung der Formalitäten ermöglichen soll, die die Wiederaufnahme des Verfahrens ermöglichen (C. pr. civ., Art. 373). 

Die Unterbrechung muss automatisch festgestellt werden.




Forderungsanmeldung und gerichtliche Klage



Die Schwierigkeit besteht also darin, zu prüfen, ob die französischen Insolvenzverwalter ihre jeweiligen Forderungen bei der zugunsten des Versicherungsunternehmens eröffneten Insolvenz rechtsgültig angemeldet hatten. Die Forderungsanmeldung ist eine Verfahrenshandlung, mit der ein Gläubiger seine Absicht bekundet, sich an den Verteilungen zu beteiligen und seine Forderung im Insolvenzverfahren anerkennen zu lassen. Sowohl im französischen Recht als auch im vergleichenden Recht hat diese Verfahrenshandlung jedoch einen gesonderten Charakter. 

Darüber hinaus wird selbst im französischen Recht die Analyse, die die Forderungsanmeldung mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gleichsetzt, zunehmend kritisiert, da die Anmeldung zu den Passiva nunmehr vom Schuldner selbst vorgenommen und vom Gläubiger ratifiziert werden kann. 

Diese Entwicklung hat im Übrigen einen Teil der Lehre dazu veranlasst, in der Forderungsanmeldung eine Sicherungsmaßnahme zu erkennen. 

Schließlich sei darauf hingewiesen, dass die Lösung auch auf die Insolvenzverordnung übertragbar ist, da diese dieselben Grundsätze für die Anwendung der lex fori concursus und die automatische Anerkennung von Eröffnungsbeschlüssen aufstellt und eine analoge Ausnahme für anhängige Verfahren vorsieht (s. VO [EU] 2015/848, Art. 7 [anwendbares Recht]; Art. 19 [automatische Anerkennung]; Art. 18 [anhängige Verfahren]).

Foto(s): pexels.com


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