Ist der Urlaubsabgeltungsanspruch vererblich?

  • 2 Minuten Lesezeit

Der Tod eines Angehörigen ist nicht nur eine traurige Angelegenheit sondern birgt auch viele rechtliche Fragen. Stand der Verstorbene zum Beispiel noch in einem Arbeitsverhältnis, so stellt sich die Frage, ob die Erben für nicht genommenen Urlaub des verstorbenen Arbeitnehmers einen Urlaubsabgeltungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen können. Dies kann bei längerer Krankheit ein nicht unerheblicher Betrag sein.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat bisher in ständiger Rechtsprechung diese Frage verneint. Es hatte sich bisher darauf berufen, dass nach dem Bundesurlaubsgesetz der Urlaub im Kalenderjahr zu nehmen ist und nur ausnahmsweise eine Übertragung des nicht genommenen Urlaubs auf das Folgejahr möglich ist. Daraus abgeleitet hatte das BAG in seiner früheren Rechtsprechung auch die Auffassung vertreten, dass langjährig erkrankte Arbeitnehmer Jahresurlaub, den sie krankheitsbedingt nicht in Anspruch nehmen konnten, jeweils zum 31. März des Folgejahres verlieren.

Diese Rechtsprechung wurde inzwischen aufgegeben, da der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit einem Urteil am 20.01.2009 entschieden hat, dass zumindest im Umfang des gesetzlichen Mindesturlaubs (20 Werktage) der Urlaubsanspruch mit Ablauf des 31. März des Folgejahres nicht verlustig geht, sondern fortbesteht. Krankheitsbedingt nicht genommener Urlaub kann nun nach der jetzt geltenden Rechtsprechung erst nach 15 Monaten verfallen.

Ob allerdings der Urlaubsabgeltungsanspruch sich in einen reinen Geldanspruch umwandele, der beim Tod eines Arbeitnehmers auf dessen Erben übergeht, hatte das BAG noch durch Urteil im Jahr 2011 und auch der EuGH bis Mai 2014, allerdings nur indirekt, verneint.

In einem in Nordrhein-Westfalen anhängigen arbeitsgerichtlichen Verfahren legte das dortige Landesarbeitsgericht im Jahr 2013 diese Rechtsfrage dem EuGH zwecks Entscheidung darüber, ob das Europarecht den ersatzlosen Wegfall des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung im Todesfall zulässt, vor.

Der EuGH hat mit seinem Urteil vom 12.06.2014 sodann entschieden, dass Europarecht den nationalen Vorschriften entgegensteht, wenn nicht genommener Urlaub ohne Ausgleich durch einen Urlaubsabgeltungsanspruch untergeht, sofern das Arbeitsverhältnis durch Tod des Arbeitnehmers endet. Der EuGH leitet dies aus Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG ab.

Das Urteil des EuGH wirft zwar noch einige ungeklärte Fragen auf, z. B. ob sich diese Rechtsauffassung lediglich auf den gesetzlichen Mindesturlaub bezieht oder nicht, ungeachtet dessen hat aber inzwischen das Arbeitsgericht Berlin einer Klage stattgegeben, mit der Erben einer noch in einem Arbeitsverhältnis stehenden Verstorbenen, die im Zeitpunkt ihres Todes noch einen Erholungsurlaubsanspruch von 33 Tagen innehatte, die Urlaubsabgeltung, mithin die Bezahlung dieses nicht genommenen Urlaubs forderten.

Das Arbeitsgericht Berlin ist mit seiner Entscheidung vom 07.10.2015 (56 Ca 10968/15) laut Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg der Auffassung, dass der nicht genommene Urlaub nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten ist, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Das Arbeitsgericht Berlin stellt sich so gegen die bisherigen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes, die darauf abstellten, dass mit dem Tod die höchstpersönliche Leistungspflicht des Arbeitnehmers erlösche und damit auch kein abzugeltender Urlaubsanspruch bestehe. Dies, so die Auffassung des Arbeitsgerichtes Berlin, widerspräche Art. 7 Abs. 2 der EU-Richtlinie 2003/88/EG und dem vom EuGH am 12.06.2014 ergangenen Urteil. Somit sei der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nicht mehr zu folgen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ob Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden wird, bleibt abzuwarten.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Roger Blum

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten