Kann man als Deutscher in ein anderes Land ausgeliefert werden? Can you be extradited to another country as a German?

  • 6 Minuten Lesezeit

Kann man als Deutscher für Strafverfolgung ausgeliefert werden?

Eine Auslieferung im rechtlichen Sinne bedeutet die Überstellung einer im ersuchenden Staat verfolgten Person an diesen durch den ersuchten Staat zu Zwecken der Strafverfolgung oder Strafvollstreckung. Artikel 16 des Deutschen Grundgesetzes ist weit zu verstehen und erfasst jedoch auch neben der typischen strafjustizbezogenen Auslieferungskonstellation auch Überstellungen an eine ausländische Hoheitsgewalt zum Zwecke der Durchführung eines zivil- oder verwaltungsrechtlichen Verfahrens.
Zu beachten ist, dass Auslieferung etwas ganz Anderes ist als die Abschiebung oder Ausweisung aus Deutschland.

Grundsätzlich darf kein Deutscher an das Ausland ausgeliefert werden (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG). Das Grundrecht schützt deutsche Staatsbürger in ihrem staatsbürgerlichen Status und gegenüber der Strafverfolgung im Ausland. Zugleich ist es Ausdruck der sogenannten staatlichen Souveränität, indem es das Recht der Bundesrepublik Deutschland manifestiert, „seine“ Bürger nicht einer fremden Staatsgewalt ausliefern und unterwerfen zu müssen. Allerdings erhält der Gesetzesvorbehalt in Artikel 16 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz konkrete Ausnahmen im Falle von Überstellungen an Mitgliedstaaten der EU oder an einen internationalen Gerichtshof, beispielsweise den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Vor Einführung des europäischen Haftbefehls im Jahr 2004 war die Auslieferung Deutscher an das Ausland durch das Grundgesetz generell verboten. Dies ist seither unter bestimmten Voraussetzungen jetzt anders.

Denn Ziel der Auslieferung ist die internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Das sogenannte Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) regelt als innerstaatliches Recht den Rechtsverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten, falls kein völkerrechtlicher Vertrag zwischen Deutschland und dem ersuchenden Staat besteht. Danach müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein, bevor eine Person an einen anderen Staat ausgeliefert wird, diese sind:

1. Die ihm zur Last gelegte Tat muss in beiden Ländern strafbar sein und vor Ort festgestellt werden.
2. Der Person dürfen keinerlei Folter oder sonstige menschenunwürdige Behandlung drohen (wobei eine konkrete und keine lediglich abstrakte Gefahr bestehen muss)
3. Der Person darf nicht die Todesstrafe drohen (§ 8 IRG).
4. Es muss sichergestellt sein, dass die Person ein fairer Prozess erwartet. Das Grundrecht auf einen fairen Prozess kann z. B. durch eine unangemessene Strafandrohung verletzt werden oder die Auslieferung an ein Ausnahmegericht.


Wichtig zu wissen ist auch, dass nicht zwingend ein Auslieferungsabkommen zwischen den beiden Ländern bestehen muss, denn eine Auslieferung ist auch auf vertragloser Grundlage möglich. Eine Auslieferung eines bzw. einer Deutschen zum Zwecke der Strafverfolgung ist nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 80 IRG zulässig.


Eine Auslieferung darf hingegen nicht erfolgen, wenn Erkenntnisse bestehen, dass der bzw. die Auszuliefernde noch wegen weiterer, im Auslieferungsantrag nicht erwähnter Taten verfolgt oder an einen Drittstaat ausgeliefert werden soll (§ 11 IRG).

Die Entscheidung über die rechtliche Zulässigkeit der Auslieferung obliegt dem örtlich zuständigen Oberlandesgericht in Deutschland (§ 29 IRG). Ein Rechtsmittel hiergegen besteht nicht, jedoch ist eine Verfassungsbeschwerde möglich. Diese können ausländische Staatsangehörige zwar nicht auf Art. 16 Abs. 2 GG, aber trotzdem auf das Grundrecht nach Art. Art. 2 GG ein sogenanntes Jedermannsrecht stützen.

Aber Vorsicht! 


Wenn eine Person aus den oben genannten Gründen nicht ausgeliefert wird, bedeutet das für sie nicht automatisch Straffreiheit in Deutschland. Denn nach dem Legalitätsprinzip sind die deutschen Strafverfolgungsbehörden verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, wenn sie Kenntnis vom Verdacht einer Straftat erlangen (§ 152 Abs. 2, § 160, § 163 StPO). Voraussetzung ist bei im Ausland begangenen Taten allerdings, dass das deutsche Strafrecht auf die Tat überhaupt anwendbar ist (§§ 3 ff. StGB). Das geschieht etwa, wenn ein Deutscher ein Verbrechen oder eine Straftat im Ausland begangen hat und erst nach der Rückkehr nach Deutschland verhaftet werden konnte.

Wichtig ist, dass Sie von Beginn an einen Experten als Anwalt bzw. Anwältin beauftragen, beraten und verteidigt werden. Unsere Kanzlei ist insbesondere im internationalen Recht spezialisiert und arbeitet mit internationalen Kollegen und Kolleginnen zusammen. Für jegliche Fragen stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung!


English Version:

Can you be extradited to another country for criminal prosecution as a German?

Extradition in the legal sense means the transfer of a person being persecuted in the requesting state to the requested state for the purposes of criminal prosecution or the execution of sentences. Article 16 of the German Basic Law is to be understood broadly and, in addition to the typical criminal justice-related extradition constellation, also covers transfers to a foreign sovereignty for the purpose of carrying out civil or administrative proceedings.


It should be noted that extradition is something completely different than deportation or expulsion from Germany.

In principle, no German may be extradited abroad (Art. 16 Para. 2 Sentence 1 GG). The fundamental right protects German citizens in their civil status and against criminal prosecution abroad. At the same time, it is an expression of so-called state sovereignty by manifesting the right of the Federal Republic of Germany not to have to hand over and subject “its” citizens to a foreign state power. However, the legal reservation in Article 16 Paragraph 2 Sentence 2 of the Basic Law receives specific exceptions in the case of transfers to EU member states or to an international court, for example the International Criminal Court in The Hague. Before the introduction of the European arrest warrant in 2004, the extradition of Germans abroad was generally prohibited by the Basic Law. Since then, this has changed under certain conditions.

The aim of extradition is international legal assistance in criminal matters. The so-called Law on International Legal Assistance in Criminal Matters (IRG) is domestic law that regulates legal transactions with foreign countries in criminal matters if there is no international treaty between Germany and the requesting state. According to this, certain criteria must be met before a person is extradited to another state, these are:


1. The act with which he is accused must be punishable in both countries and must be established locally.

2. The person must not be at risk of torture or other inhumane treatment (although there must be a concrete and not a merely abstract risk)

3. The person may not face the death penalty (Section 8 IRG).

4. It must be ensured that the person expects a fair trial. The fundamental right to a fair trial can e.g. B. be violated by an unreasonable threat of punishment or extradition to an exceptional court.


It is also important to know that there does not necessarily have to be an extradition agreement between the two countries, as extradition is also possible on a non-contractual basis. The extradition of a German for the purpose of criminal prosecution is only permitted under the special conditions of Section 80 IRG.


However, an extradition may not take place if there is evidence that the person to be extradited is to be prosecuted or extradited to a third country for other offenses not mentioned in the extradition request (Section 11 IRG). The decision on the legal admissibility of extradition rests with the locally responsible higher regional court in Germany (Section 29 IRG). There is no legal remedy against this, although a constitutional complaint is possible. Although foreign nationals cannot base this on Article 16 Paragraph 2 of the Basic Law, they can still rely on the fundamental right under Article 2 of the Basic Law, a so-called everyman's right.


But beware!

If a person is not extradited for the reasons mentioned above, this does not automatically mean that they will be exempt from prosecution in Germany. According to the principle of legality, the German law enforcement authorities are obliged to initiate an investigation if they become aware of the suspicion of a crime (§ 152 para. 2, § 160, § 163 StPO). However, the prerequisite for crimes committed abroad is that German criminal law is applicable to the crime (§§ 3 ff. StGB). This happens, for example, if a German committed a crime or offense abroad and could only be arrested after returning to Germany.


It is important that you hire an expert as a lawyer right from the start, to advise you and to defend you. Our law firm is particularly specialized in international law and works with international colleagues as well. We are happy to answer any questions you may have at any time!


Foto(s): public pictures

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Vera Zambrano née Mueller

Beiträge zum Thema