Kapitalanleger aufgepasst: Ist die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 S. 5 EStG verfassungswidrig?

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Seit dem 17.11.2020 hat der Bundesfinanzhof im Rahmen eines Normenkontrollantrags diese Rechtsfrage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Mittlerweile findet sich die Regelung in § 20 Abs. 6 S. 4 EStG. Ein Einspruch gegen den aktuellen Einkommensteuerbescheid, sollte daher auf die neue Fundstelle im Gesetz gestützt werden.

Der Fall:

Viele Kapitalanleger stehen jedes Jahr aufs Neue vor folgendem Problem: Die Dividendenerträge werden mit der Abgeltungssteuer besteuert und die Verluste aus der Veräußerung von Aktien werden nicht berücksichtigt. Das ist ärgerlich und hat für Anleger aus Schleswig-Holstein zu der Erkenntnis geführt hiergegen zu klagen.

Die Kläger hatten neben Kapitalerträgen in Höhe von ca. 2.000€ auch Verluste aus Veräußerung von Aktien erlitten und hierfür eine Verlustbescheinigung der depotführenden Bank erhalten nach §43a Abs. 3 S. 4 EstG.

Das Finanzamt behandelte die Verluste aus der Aktienveräußerung als nicht ausgleichsfähig.


Warum gibt es diese Ungleichbehandlung?

Hintergrund ist die Einführung der Abgeltungssteuer. Kapitalerträge werden nur mit 25% besteuert, was für viele Anleger attraktiv ist, da ihr individueller Steuersatz höher ist. Gleichzeitig sollen damit aber auch alle Kosten im Zusammenhang mit der Erzielung der Kapitaleinkünfte abgegolten sein. Dies wird insbesondere deutlich durch die Verlustverrechnungsbeschränkung. Nur Einnahmen aus Aktienveräußerungen dürfen mit Verlusten aus Aktienveräußerungen verrechnet werden. Hier geht enormes Potential für den Anleger verloren, da er unter Umständen gezwungen sein könnte gut laufende Aktien zu veräußern, wenn er seinen Verlustvortrag aus der Veräußerung schlecht laufender Aktien nicht verlieren will.

Das Finanzgericht Schleswig-Holstein hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Hiergegen haben die Kläger Revision eingelegt. Interessant ist an dieser Stelle auch, dass das Bundesfinanzministerium dem Rechtsstreit beigetreten ist. Dies ist ein Indiz für die enorme Wichtigkeit des Verfahrens.


Wie stehen die Erfolgsaussichten?

Der Bundesfinanzhof hat über die Revision noch nicht entschieden, sondern in einem Beschluss vom 17.11.2020 zum Az. VIII R 11/18 das Verfahren ausgesetzt und zur Prüfung dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Nach Überzeugung des Gerichts verstößt nämlich § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG insoweit gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, als im Rahmen einer Steuerfestsetzung gemäß § 32d Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 EStG Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien und nicht mit anderen positiven Kapitaleinkünften verrechnet werden dürfen.

Die Vorschrift behandelt Steuerpflichtige bei der Bestimmung ihrer steuerpflichtigen Einkünfte unterschiedlich, je nachdem, ob sie Verluste aus der Veräußerung von Aktien oder aus der Veräußerung anderer Kapitalanlagen erzielt haben. Für diese Ungleichbehandlung fehlt es selbst bei einer Prüfung anhand des Willkürmaßstabs an einem hinreichenden rechtfertigenden Grund.


Wie kann ich als Anleger von dem Urteil profitieren?

Das zu erwartende Urteil des Bundesverfassungsgerichts kann weitreichende Folgen haben. Jeder einzelne Kapitalanleger kann hiervon profitieren. Nach § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AO ist nämlich die Steuer vorläufig festzusetzen, wenn das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit eines Steuergesetzes mit dem Grundgesetz festgestellt hat. Sie können daher beantragen, dass ihre Steuerfestsetzung in diesem Punkt noch nicht in Bestandskraft tritt. Wird dem stattgegeben und das Bundesverfassungsgericht entscheidet zugunsten der Anleger, muss das Finanzamt den Steuerbescheid ändern von Amts wegen.



Bei Fragen zu dieser komplexen Materie bin ich gern für Sie da.   

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