Kein strafbares „Verbreiten“ von Inhalten in WhatsApp-Gruppen - wenn man sich kennt und vertrauen darf!
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Sie werden beschuldigt, strafbare Inhalte, z.B. volksverhetzende Inhalte oder Tierpornographie, in WhatsApp-Gruppen verbreitet zu haben? Dann ist folgender Beitrag für Sie interessant.
Anlass dieses Rechtstipps von Heiko Urbanzyk, Fachanwalt für Strafrecht in Coesfeld ist eine Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. (Beschluss vom 08. Juli 2024; BeckRS 2024, 16581), welche sich mit dem Tatbestandsmerkmal „Verbreiten“ im Zusammenhang mit Versendung von Dateien in WhatsApp-Gruppen befasst hat.
In dem Urteil des OLG wurde abgegrenzt wann eine Verbreitung im Sinne des Gesetzes von strafbaren Inhalten vorliegt und welche Kriterien maßgeblich sind, um dies zu ermitteln.
Sachverhalt des Beschluss vom OLG Frankfurt a.M.
Das OLG beschäftigte sich mit der strafbaren Verbreitung von inkriminierten Inhalten in WhatsApp-Gruppen. In dem konkreten Fall wurden Inhalte in Chatgruppen von Polizeibeamten gepostet. Bei den Inhalten handelte es sich sowohl um Kennzeichnung verfassungswidriger Organisationen, volksverhetzende Inhalte sowie Gewaltdarstellungen und Tierpornographie.
Das Gericht hatte über zahlreiche Inhalte in verschiedenen Chatgruppen zu entscheiden. In allen Gruppen wurden Bild- und Videodateien mit den fraglichen Inhalten ausgetauscht.
Rechtliche Einordnung des Sachverhalts in Straftatbestände
Zunächst sind kurz die maßgeblichen Straftatbestände zu nennen. Die Verbreitung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen ist gem. § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar. Als Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen gelten beispielsweise Hakenkreuzflaggen, Aussprüche wie „Sieg Heil“ oder „Heil Hitler“, der Hitlergruß oder das Schwarze Banner des IS. (Ellbogen, in: BeckOK StGB, § 86a Rn. 5)
Bestraft wird die Verbreitung dieser Kennzeichen mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
Einige der Bilder und Videos unterfielen der Volksverhetzung, bei der es gem. § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar ist, einen Inhalt zu verbreiten, welcher
a) zum Hass gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe oder gegen Teile der Bevölkerung oder gegen Einzelne wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe aufstachelt oder
b) zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen eine solche Person oder Personenmehrheit auffordert oder
c) die Menschenwürde einer solchen Person oder Personenmehrheit angreift, indem diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden.
Beispielsweise Parolen wie „Juden raus“ oder in bestimmten Zusammenhängen auch „Ausländer raus“ unterfallen diesem Straftatbestand. (Rackow, in: BeckOK StGB, § 130 Rn. 20.1), aber auch die allgemein sogenannte Holocaustleugnung.
Wer solche Inhalte verbreitet, verhält sich strafbar. Das Strafmaß beläuft sich auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
Zuletzt ist noch auf § 184a Abs. 1 Nr. 1 StGB einzugehen. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen pornographischen Inhalt, der Gewalttätigkeiten oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand hat, verbreitet. Demnach ist es strafbar ein Video zu verbreiten, in dem zum Beispiel ein Mensch Beischlaf mit einem Tier hält.
Ein Strafverteidiger hat für Sie zunächst prüfen, inwiefern überhaupt ein solcher Inhalt vorliegt. Dabei müssen z.B. im Falle der Volksverhetzung insbesondere der Kontext der Aussage und andere, straflose Deutungsmöglichkeiten beachtet werden. Sollte kein solcher Inhalt vorliegen, dann ist dessen Verbreitung folglich nicht strafbar.
Wann werden solche Inhalte strafbar „verbreitet“?
Bei allen Straftatbeständen ist es gemeinsam und maßgeblich, dass der Inhalt durch den Täter verbreitet wird. Daher musste sich das OLG damit auseinandersetzen, unter welchen Voraussetzungen ein solcher Inhalt verbreitet wird.
Verbreiten stellt die Weitergabe eines verkörperten oder nicht verkörperten Inhalts dar, die darauf abzielt, diesen Inhalt einem größeren Personenkreis zugänglich zu machen, der nach Zahl und Individualität für den Täter nicht mehr kontrollierbar ist. Dabei muss der Absender damit rechnen oder es gar beabsichtigen, dass die Inhalte weitergeleitet und verbreitet werden.
Das OLG hat grundsätzlich festgehalten, dass die Einstellung eines solchen strafbaren Inhalts in eine WhatsApp-Gruppe mit mehreren Teilnehmern, welche jedoch einen überschaubaren Personenkreis bilden, nicht das Tatbestandsmerkmal des Verbreitens erfüllt. Ein Verbreiten liegt nur vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Empfänger den Inhalt an eine größere, nicht mehr zu kontrollierende Personengruppe weiterleitet und der Versender dies zumindest billigend in Kauf nimmt.
Dabei wurden konkret verschiedene Gruppenkonstellationen in Augenschein genommen. Einerseits eine Chatgruppe mit fünf bis acht Mitgliedern. Die Mitglieder der Gruppe waren Arbeitskollegen. Die Anzahl der Mitglieder war sehr begrenzt und die Personen kannten sich aufgrund der gemeinsam verrichteten Arbeit. Das Einstellen der Inhalte diente der Belustigung der Chatmitglieder. Die Mitglieder selber betitelten es als „Quatschgruppe“, bei der Inhalte mit „schwarzem Humor“ verbreitet wurden. Hier lässt sich nicht begründen, dass eine Weitergabe der Inhalte an eine größere nicht mehr zu kontrollierende Anzahl an Personen drohte. Allein der Umstand, dass in WhatsApp eingestellt Bilder technisch gesehen schnell weitergeleitet werden können, ist kein ausreichend tatsächlicher Anhaltspunkt für die Annahme, dass sie auch tatsächlich weitergeleitet werden.
Eine andere in Augenschein genommene Chatgruppe bestand aus 26 bis 31 Personen. Die Anzahl der Personen ist deutlich höher, jedoch stellte das OLG Frankfurt a.M. fest, dass es sich bei der Gruppe um eine noch individualisierbare und kontrollierbare Gruppe handelt. Die Mitglieder kannten sich, weil sie zusammenarbeiten oder zusammengearbeitet hatten. Zu der Gruppe konnte nur ein Administrator Personen hinzufügen. Zudem wurden in der Gruppe auch Verabredungen für gemeinsame Veranstaltungen, Einladungen zu Veranstaltungen und Geburtstagswünsche ausgetauscht. Auch private Bilder aus Urlauben wurden eingestellt. Die Auswertung des Chatverlaufs und die Zusammensetzung der Gruppe hat gezeigt, dass eine innere Verbundenheit zwischen den Mitgliedern besteht. Demnach musste der Versender nicht damit rechnen, dass etwaige Inhalte unkontrolliert an einen größeren Personenkreis weitergeleitet werden.
Das OLG Frankfurt hat als Beispiel, wann ein Verbreiten vorliegt, eine Entscheidung des OLG Celle (Beschluss vom 11. Oktober 2022 – 2 Ss 127/22) zitiert. Dort wurde ein Bild mit fremdenfeindlichen Inhalt in einer WhatsApp-Gruppe mit 60 Mitgliedern hochgeladen. Die Mitglieder waren dem Täter nicht näher bekannt und auf dessen Diskretion konnte er nicht vertrauen. Die Gruppen-Mitglieder hatten rechte und ausländerfeindliche Tendenzen, sodass damit zu rechnen war, dass das von dem Angeklagten hochgeladene Bild über die Mitglieder der WhatsApp-Gruppe hinaus einer Vielzahl weiterer Personen zugänglich gemacht werden würde.
Faustregel zur Strafbarkeit eines Versendens als "Verbreiten"
Somit ist festzustellen, dass es maßgeblich darauf ankommt wie sich die Gruppe, in der solche Inhalte reingeschickt werden, zusammensetzt. Kennen die Gruppenmitglieder sich persönlich und die Inhalte werden nur zusätzlich in den Chat gestellt, dann liegt wohl kein Verbreiten vor. Besteht der Chat ausschließlich darin solche Inhalte zu teilen und sind in der Gruppe viele sich unbekannte Personen, dann kann eher von einem Verbreiten ausgegangen werden. Unter Abwägung diverser Aspekte muss entschieden werden, ob der Versender der Nachricht damit rechnen kann, dass die Nachricht an unbestimmt viele Personen weitergeleitet wird. Es muss abgewogen werden, ob der Versender auf die Diskretion der Gruppenmitglieder vertrauen konnte. Umso mehr Personen in einer Gruppe sind, welche sind nicht persönlich kennen, umso wahrscheinlicher ist es, dass gesendete Inhalte weitergeleitet werden. Inhalte welche auf privaten Smartphone in private geschlossenen Chatgruppen mit überschaubaren Personenkreis eingestellt werden, sind in der Regel nicht strafbar.
Ein erfahrener Strafverteidiger kann diese Aspekte für Sie überprüfen. Durch die frühzeitige Einschaltung eines Strafverteidigers können für Sie entlastende Umstände schon im Ermittlungsverfahren eingebracht werden und auf eine Einstellung des Verfahrens hingearbeitet werden. Schweigen Sie gegenüber der Polizei und tätigen Sie keine unüberlegten Aussagen! Alles was Sie sagen kann im Zweifel gegen Sie verwendet werden und als Geständnis ausgelegt werden!
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