Kein Verkaufsstopp mehr für Persiflage der „Wanderhure“
- 3 Minuten Lesezeit


[image]Die Urheber des 2004 erschienenen Romans „Die Wanderhure“ können mit Fug und Recht von sich behaupten, die deutschsprachige Literaturlandschaft ein wenig auf den Kopf gestellt zu haben. Mit einer auf spannende Unterhaltung abzielenden Mischung aus Herzschmerz, Krimi und historischem Roman motivierte das Autorenduo Iny Klocke und Elmar Wohlrath alias Iny Lorentz selbst Lesemuffel, sich einer über 600 Seiten starken Lektüre zu stellen. Die Verkaufszahlen waren exzellent und bis heute sind vier Fortsetzungen und drei Verfilmungen erschienen. Ab Juni dieses Jahres sind die mittelalterlichen Abenteuer der taffen „Wanderhure wider Willen“ Marie Schärer auch auf der Theaterbühne zu Hause.
Wo der Erfolg ist, ist die Verballhornung nicht weit
Die Auswirkungen des Erfolgs der Buchreihe sind auch heute noch zu spüren – so manchem Bücherfreund wird die schiere Schwemme an historischen Romanen mit weiblichen Protagonisten der letzten Jahre aufgefallen sein. Nachahmer gab es also zuhauf. Und – wie konnte es auch anders sein – auch Parodien. Eine der direktesten – jedenfalls, was den Titel anbelangt – zog sich Anfang 2014 den Zorn des Verlegers des „Originals“ zu. Ein kleines Verlagshaus hatte einen satirischen Kurzgeschichtenband mit dem Titel „Die schönsten Wanderwege der Wanderhure“ veröffentlicht. Das mit Seitenhieben auf moderne Bestsellerliteratur nicht sparende Werk war ein beachtlicher Erfolg – bis eine einstweilige Verfügung ins Haus flatterte.
Ist ein kommerziell erfolgreicher Titel unantastbar?
Der Verleger der „Wanderhuren“-Reihe hatte seine Titelrechte verletzt gesehen und ging schließlich vor dem Landgericht Düsseldorf als Sieger hervor. Seit März 2014 darf „Die schönsten Wanderwege der Wanderhure“ nicht mehr verkauft werden. Doch der Verleger der „verbotenen Parodie“ ließ sich das Urteil nicht gefallen. Er ging in Revision – die notwendigen Geldmittel hatte er mittels einer Crowdfunding-Kampagne sammeln lassen – und bekam am 04.08. in zweiter Instanz vom Oberlandesgericht Düsseldorf Recht. Die Argumentation des OLG Düsseldorf verwies hierbei auf die Kunstfreiheit. Bei dem Titel des Werkes handle es sich bereits um Kunst, da er mithilfe einer satirisch-ironischen Formulierung der Begeisterung für „schöne Wanderwege“ unserer Zeit die mittelalterliche „Wanderhure“ gegenüberstelle.
Keine rechtswidrige Ausnutzung der Popularität des „Originals“
Zusätzlich zeichne sich der Titel durch seinen engen Bezug zum ersten Beitrag des Buches aus. Dieser setze sich kritisch mit kommerzialisierter Bestsellerliteratur auseinander und diskutiere hierzu auch das Beispiel der „Wanderhuren“-Romane. Zwar sei gegeben, dass die Titel der „Wanderhuren-Reihe“ gemäß § 15 Abs. 3 MarkenG als „bekannt“ zu bezeichnen sind. Diese könnten somit den erweiterten Schutz der Vorschrift beanspruchen. Ebenso sei davon auszugehen, dass der Urheber von „Die schönsten Wanderwege der Wanderhure“ aus besagter Bekanntheit Nutzen ziehen wolle. Dies geschehe jedoch in vorliegendem Fall nicht in rechtwidriger Weise. Somit trug die Kunstfreiheit vor Gericht einen Sieg über den Eigentumsschutz davon.
Ruhm schützt vor Persiflage nicht
Das Urteil der vorhergehenden Instanz wurde hierbei aufgehoben und „Die schönsten Wanderwege der Wanderhure“ darf nun wieder verlegt und verkauft werden. Alle Fans des satirischen Kurzgeschichtenbands haben somit jeden Grund zur Freude – und selbstverständlich auch Autor und Verleger, denen es übrigens gelang, bereits vor dem Verkaufsstopp die gesamte erste Auflage an den Mann zu bringen. Und auch Nicht-Vielleser können sich über ein Urteil freuen, das den Beweis antritt, dass zu einer gesunden Medienlandschaft das Element der Satire schlicht dazugehört – und auch keineswegs vor kommerziellem Erfolg haltmachen muss.
(OLG Düsseldorf, Urteil v. 05.08.2014, Az.: I-20 U 63/14)
(JSC)
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