Keine Anfechtung der Erbschaftsannahme wegen Irrtums über die Steuerklasse

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Ich hatte schon an anderer Stelle darauf hingewiesen:

Sowohl bei der Annahme als auch beim Ausschlagen eines Erbes kann man vieles falsch machen – weshalb man sich auf jeden Fall zügig beraten lassen sollte, sofern man Kenntnis davon bekommen hat, dass man geerbt hat.

Der Erbfall und die Steuerklassen

Größere Nachlässe bringen es mit sich, dass die Begünstigten Erbschaftsteuer zahlen müssen:

Es gibt zunächst Freibeträge für die Begünstigten, die um so höher sind, je näher der Begünstigte mit dem Erblasser verwandt war. Die Freibeträge liegen zwischen € 500.00 für den Ehegatten, € 400.000 für die Kinder und enden schließlich bei € 20.000 für entfernte Verwandte und Nichtverwandte.

Es gibt für die Erbschaft- und Schenkungsteuer weiterhin drei Steuerklassen mit unterschiedlich hohen Steuersätzen. Die Sätze in Steuerklasse I belaufen sich auf 7 bis 30 Prozent des steuerpflichtigen Erwerbs, in Steuerklasse II sind es 15 bis 43 Prozent und in Steuerklasse III sind es 30 bis 50 Prozent.

Die Unterschiede bei den Freibeträgen und bei den Steuersätzen sind also durchaus vorhanden.

Tipp:

Wer ein wertvolles Erbe erhalten hat, sollte sich daher zügig mit einer im Erbschaftsteuerrecht versierten Person zusammensetzen und ermitteln, wie hoch der Freibetrag und wie hoch der Steuersatz im eigenen Fall sind, damit es ihm nicht so geht wie dem Steuerpflichtigen in dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall:

Der Erbfall, die Annahme der Erbschaft und die Anfechtung der Annahme

Der Verstorbene hatte seine Mutter und seinen Bruder je hälftig als Erben eingesetzt. Sowohl die Mutter als auch der Bruder hatten die Erbschaft angenommen.

Als es ans Steuerzahlen ging, erkannte der Bruder, dass er einen teuren Fehler begangen hatte, als er das Erbe annahm:

Als Bruder des Erblassers befand er sich in der Steuerklasse II mit einem Freibetrag von „nur“ 20.000 Euro.

Hätte er, der Bruder, das Erbe ausgeschlagen und seine Mutter allein erben lassen, wäre ihm die Erbschaft zwar ersatzlos entgangen. Das Vermögen des Bruders aber wäre vollständig in das Vermögen der schon recht betagten Mutter eingeflossen, welches der Bruder dann über kurz oder lang allein geerbt hätte. In dem Fall hätte er einen Freibetrag von € 400.000 gehabt und in der Steuerklasse I einen deutlich geringeren Satz zahlen müssen.

Der Bruder, der längst einen Erbschein beantragt und erteilt bekommen hatte, focht nun die Annahme der Erbschaft gegenüber dem Nachlassgericht wegen Irrtums an. Das Nachlassgericht wertete diese Erklärung als Antrag auf Einziehung des Erbscheins, den es ablehnte – wogegen der Bruder sich erfolglos wehrte.

Ein Irrtum ist nicht unbedingt rechtlich erheblich

Die Annahme der Erbschaft kann wegen Irrtums angefochten werden, zum Beispiel wegen Inhaltsirrtums. Dies aber nur, wenn der Irrtum rechtlich erheblich ist – und das ist bei Irrtümern über die Rechtsfolgen recht schwierig:

Ein rechtlich erheblicher Inhaltsirrtum, der zur Anfechtung berechtigt, läge vor, wenn der Erklärende, vorliegend der Bruder, sich über die Rechtsfolgen seiner Willenserklärung (Annahme der Erbschaft) geirrt hat, weil das Rechtsgeschäft (die Stellung als Erbe) eine wesentlich andere als die vom Erklärenden beabsichtigte Wirkung erzeugt. Das hat das OLG Hamm aber verneint:

Der Bruder habe sich bei Annahme der Erbschaft nicht über den Eintritt wesentlich anderer Rechtsfolgen geirrt, sondern nur über die ihn letztendlich treffende Höhe der Erbschaftsteuer. Dies sei keine unmittelbare, sondern nur eine mittelbare Rechtswirkung

(OLG Hamm, Beschluss v. 04.11.2021, 10 W 125/21, BeckRS 2021, 57908, NJW-Spezial 2022, 712).


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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