Keine automatische Zahlungspflicht des Ehegatten aus Grundschulden

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Der BGH hatte am 20.10.2010 eine weitere aufschlussreiche Entscheidung im Zusammenhang mit der Frage der Verwertung eines gemeinschaftlichen Grundstücks unter Ehegatten (XII ZR 11/08) getroffen.

Demzufolge gilt Folgendes: Ersteigert ein Ehegatte das bis dahin gemeinsame Grundstück der Ehegatten, so kann der weichende Ehegatte vom Ersteher nicht Zahlung des hälftigen Betrags einer in das geringste Gebot fallenden, nicht mehr valutierten Grundschuld verlangen, welche die Ehegatten einem Kreditinstitut zur Sicherung eines gemeinsam aufgenommenen Darlehens eingeräumt hatten. Der weichende Ehegatte ist vielmehr darauf beschränkt, vom Ersteher die Mitwirkung bei der („Rück-")Übertragung und Teilung der Grundschuld zu verlangen und sodann aus der ihm gebührenden Teilgrundschuld die Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu begehren. Auch § 242 BGB eröffnet dem weichenden Ehegatten grundsätzlich keinen weitergehenden Zugriff auf das Vermögen des Erstehers

Sachverhalt: Die Parteien sind aufgrund des im Januar 2003 zugestellten Antrags seit November 2003 geschieden. Sie streiten um Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit der Rückübertragung von Grundschulden, die sie der Sparkasse zur Sicherung gemeinsamer Darlehen eingeräumt hatten. Die Parteien waren zu je ½ Miteigentümer eines Einfamilienhauses, das ihnen bis zur Trennung als Ehewohnung diente. Am 30. Juni 2005 ersteigerte der Beklagte (im Folgenden: Ehemann) in einer Teilungsversteigerung das Hausgrundstück mit einem Bargebot von 3.000 €. Bestehen blieben dabei u.a. die Sicherungs- (Buch-) grundschulden Nr. 2 und Nr. 3 zugunsten der örtlichen Sparkasse. Die Grundschuld Nr. 2 über 61.355,03 € war im Versteigerungszeitpunkt in Höhe von 43.905,63 € nicht mehr valutiert. Die Grundschuld Nr. 3 über 17.895,22 € war im Versteigerungszeitpunkt insgesamt nicht mehr valutiert.

Am selben Tag erklärte die Sparkasse gegenüber der Klägerin (im Folgenden: Ehe-frau) privatschriftlich die Abtretung der Grundschulden, soweit nicht mehr valutiert, an die Eheleute. Ein Vollzug im Grundbuch erfolgte nicht. Den Grundschulden liegen den Parteien gemeinsam gewährte Darlehen zugrunde, die die Ehegatten in Höhe der nicht mehr valutierten Beträge zurückgeführt hatten, und zwar ganz überwiegend in der Zeit bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags. Die Ehefrau verlangt vom Beklagten die Zahlung des hälftigen Betrags der „abgetretenen" Grundschulden, also (43.905,63 € + 17.895,22 € = 61.800,85 € : 2 =) 30.900,43 €. Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin diesen Betrag Zug um Zug gegen Abtretung der beiden Grundschulden zu zahlen. Die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte zur Zahlung Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte der Klägerin aus den Abtretungserklärungen der Sparkasse verurteilt wird.

Mit der Revision verfolgte der Beklagte sein Klagabweisungsbegehren weiter. Sein Rechtsmittel war begründet. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts sind die Parteien nicht Gläubiger der Grundschulden. Es ist nicht dargetan, dass die Sparkasse diese wirksam an die Parteien abgetreten hat. Es erscheint - aus Sicht des BGH - bereits zweifelhaft, ob sich aus dem - vom Oberlandesgericht unterstellten - Einverständnis des Ehemannes mit einer Abtretung der Grundschulden allein an ihn eine Willenserklärung herleiten lässt, nach der er hilfsweise auch mit einer Übertragung dieser Grundschulden an ihn und die Ehefrau gemeinsam einverstanden sei. Zum einen ist nicht erkennbar, in welchem Handeln des Ehemannes eine rechtsgeschäftliche Erklärung liegen soll, mit der er die in den Abtretungserklärungen der Sparkasse liegenden Angebote zur Abtretung der Grundschulden an beide Ehegatten angenommen haben könnte. Zum andern stellt die Beteiligung an einer Bruchteilsgemeinschaft gegenüber dem Vollrechtserwerb nicht ohne weiteres ein Weniger dar mit der Folge, dass ein - unterstellter - Wille des Ehemannes zum alleinigen Rechtserwerb an den Grundschulden „hilfsweise" und als „minus" auch dessen Einverständnis mit einem Rechtserwerb nur zu Bruchteilen umfasst. Diese Fragen können indes dahinstehen. Denn eine Abtretung der - hier vorliegenden - Buchgrundschulden bedarf der Eintragung im Grundbuch (§§ 1192 Abs. 1, 1154 Abs. 3, 873 BGB). Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

Das Oberlandesgericht geht selbst davon aus, dass die Grundschulden noch nicht zugunsten der Parteien im Grundbuch eingetragen sind. Auch ein Eintragungs-antrag der Ehefrau oder eine Eintragungsbewilligung der Sparkasse ist nicht festgestellt. Die Grundschulden stehen deshalb weiterhin der Sparkasse zu. Allerdings könnte sich aus dem der Einräumung der Grundschulden zugrunde-liegenden Sicherungsvertrag ein Anspruch der Parteien gegen die Sparkasse herleiten, nach Tilgung der persönlichen Verbindlichkeiten die Rückübertragung der (Sicherungs-)Grundschulden auf sich zu verlangen (vgl. im einzelnen Senatsurteil vom 13. Januar 1993 - XII ZR 212/90 - FamRZ 1993, 676, 680 f.). Ein solcher Anspruch stünde den Parteien gemeinschaftlich zu. Jeder Ehegatte könnte vom anderen verlangen, an der Realisierung dieses - auf Übertragung der (nicht mehr valutierten) Grundschulden an die Ehegatten gemeinsam gerichteten - Anspruchs mitzuwirken (§ 747 Satz 2 BGB). Erst bei Erfüllung dieses Anspruchs entstünde, wie vom Oberlandesgericht schon für den Jetztzeitpunkt angenommen, eine Bruchteilsgemeinschaft der Ehegatten an den ihnen gemeinsam übertragenen Grundschulden. Jeder Ehegatte könnte vom anderen verlangen, daran mitzuwirken, dass diese Gemeinschaft durch Teilung in Natur - hier durch Begründung von gleichrangigen Teilgrundschulden für jeden Ehegatten - auseinandergesetzt wird (§§ 1152, 1192 BGB; Senatsurteil vom 13. Januar 1993 - XII ZR 212/90 - FamRZ 1993, 676, 681).

Nach Erfüllung auch dieses Anspruchs könnte die Ehefrau vom Ehemann aus den von ihr in der Auseinandersetzung erworbenen Teilgrundschulden die Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück verlangen (§§ 1191 Abs. 1, 1147 BGB). Der Ehemann hätte die Möglichkeit, eine solche Vollstreckung durch Zahlung auf die Teilgrundschulden der Ehefrau abzuwenden. Soweit das Oberlandesgericht für seine abweichende Auffassung auf § 242 BGB abstellt, erweist sich dies als nicht tragfähig (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 1993 - XII ZR 212/90 - FamRZ 1993, 676, 681).

Im Übrigen sind die zu § 242 BGB angestellten Erwägungen auch sonst nicht frei von Rechtsfehlern. So wird bereits der Ansatzpunkt des § 242 BGB verkannt, wenn gefragt wird, ob von der Ehefrau unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben die Durchführung eines erneuten Zwangsversteigerungsverfahrens verlangt werden könne. Auch wird es § 242 BGB nicht gerecht, wenn diese Frage - ohne nähere Begründung - „ausnahmsweise" verneint wird und die Belange des Ehemannes als Grundstückseigentümer - unbeschadet der entgegenstehenden gesetzlichen Wertung - keiner weiteren Würdigung unterzogen werden. Die von § 242 BGB gebotene Abwägung der beiderseitigen Zumutbarkeitsaspekte wird dabei nicht dadurch entbehrlich, dass das Oberlandesgericht die Zubilligung eines Zahlungsanspruchs der Klägerin „für sachgerecht und angemessen" erachtet. Damit wird rechtsfehlerhaft der Prüfungsmaßstab verschoben und auf allgemeine Gesichtspunkte - hier: die eindeutig feststellbare Höhe der Ansprüche aus den Grundschulden, die Möglichkeit einer abschließenden Auseinandersetzung bezüglich eines konkret abgrenzbaren Vermögensteils und der Zeitablauf seit Eheende - abgestellt, die für die Unzumutbarkeit des vom Gesetz vorgegebenen Auseinandersetzungsverfahrens im Einzelfall nichts hergeben.

Schließlich ließ sich aus Sicht des BGH der von der Ehefrau geltend gemachte Zahlungsanspruch auch nicht mit den Erwägungen des Senatsurteils vom 29. November 1995 (XII ZR 140/94 - BGHR BGB § 752 Auseinandersetzung 1) begründen: In dem dort entschiedenen Fall hatte die klagende Ehefrau (= Ersteherin des Grundstücks) verlangt, dass der beklagte Ehemann bei der Abtretung von nicht mehr valutierten Sicherungsgrundschulden durch die Banken an sie allein (also nur an die Ehefrau) mitwirkt und er Löschungsbewilligungen für diese Grundschulden erteilt. Der Senat hat den Ehemann zur begehrten Mitwirkung und zur Erteilung der Löschungsbewilligungen verurteilt - dies aber nur Zug um Zug gegen eine Ausgleichszahlung in Höhe des hälftigen Betrags der nicht mehr valutierten Grundschulden. Zwar könne der Ehemann, dem wertmäßig ein hälftiger Anteil an den nicht mehr valutierten Grundschulden zustehe, an sich - nach deren Abtretung und Teilung - von der Ehefrau nur die Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück, nicht dagegen Zahlung fordern. Jedoch habe das Oberlandesgericht zum Zwecke einer im beiderseitigen Interesse liegenden endgültigen Auseinandersetzung, die auch der schriftsätzlich zum Ausdruck gebrachten Intention des Ehemannes entspreche, der Ehefrau die im Gegenzug zur Mitwirkung und Löschungsbewilligung des Ehemannes zu erbringende Ausgleichszahlung aufgegeben. Dies sei aus den besonderen Gegebenheiten des Falles zu billigen.

Die dargestellte Konstellation ist mithin umgekehrt wie im vorliegenden Fall und im Fall des Senatsurteils vom 13. Januar 1993 (XII ZR 212/90 - FamRZ 1993, 676). Während in diesen beiden Fällen der weichende Ehegatte den Ersteher auf Zahlung einer Ausgleichsforderung in Anspruch nimmt und ihn damit der Vollstreckung in sein gesamtes Vermögen aussetzen will, macht im Falle des Senatsurteils vom 29. November 1995 (XII ZR 140/94 - BGHR BGB § 752 Auseinandersetzung 1) der Ersteher (Ehefrau) einen Anspruch auf Mitwirkung an der Übertragung der Grundschulden sowie auf Löschungsbewilligung gegen den weichenden Ehegatten (Ehemann) geltend. Da der weichende Ehegatte bei Erfüllung dieses Verlangens der ihm zustehenden Beteiligung an den nicht mehr valutierten Grundschulden verlustig ginge, kann er dem Verlangen einen entsprechenden Ausgleichsanspruch entgegensetzten.

Zwar wäre auch in diesem Fall eine „schulmäßige" Lösung möglich: Die Ersteherin (Ehefrau) könnte - gemeinsam mit dem Ehemann - von den Banken die Übertragung der nicht mehr valutierten Grundschulden an beide Ehegatten gemeinsam und sodann vom Ehemann die Bildung von - den Anteilen der Ehegatten entsprechenden Teilgrundschulden verlangen. Die auf den Ehemann entfallenden Teilgrundschulden könnte die Ehefrau sodann - Zug um Zug gegen die begehrte Löschungsbewilligung - befriedigen. Das Ergebnis wäre dasselbe wie das vom Senat erzielte Resultat. Es verdeutlicht aber zugleich den entscheidenden Unterschied dieses Falles zum vorliegenden Fall und dem Fall des Senatsurteils vom 13. Januar 1993 (XII ZR 212/90 - FamRZ 1993, 676): Im Fall des Senatsurteils vom 29. November 1995 (XII ZR 140/94 - BGHR BGB § 752 Auseinandersetzung 1) wird dem Ersteher nicht gegen seinen Willen - anstelle der Haftung nur mit dem Grundstück - eine in das gesamte Vermögen vollstreckbare Zahlungspflicht auferlegt. Vielmehr ist er dem anderen Ehegatten zur Zahlung einer entsprechenden Geldleistung nur verpflichtet, wenn er nicht den dargestellten „schulmäßigen" Weg einhalten, sondern einen Anspruch auf Übertragung der gesamten Grundschulden (also einschließlich der eigentlich dem anderen Ehegatten gebührenden Anteile) an sich allein und auf Löschungsbewilligung gegen den anderen Ehegatten durchsetzen will. Er hat also ein Wahlrecht.

Ganz anders im vorliegenden Fall und dem des Senatsurteils vom 13. Januar 1993 (XII ZR 212/90 - FamRZ 1993, 676): Der Ersteher schuldet nach seiner Wahl Zahlung auf die (Teil-)Grundschulden des Ehegatten oder Duldung der Zwangsvollstreckung (nur) in das Grundstück. Dieses Wahlrecht würde ihm durch die ihm oktroyierte Zahlungspflicht, für die er mit seinem gesamten Vermögen haftet, genommen. Das lässt sich mit den Erwägungen im Senatsurteil vom 29. November 1995 (XII ZR 140/94 - BGHR BGB § 752 Auseinandersetzung 1) nicht rechtfertigen und ist, wie dargetan, auch sonst nicht hinnehmbar.

Ein sehr klärendes Urteil für die Gestaltungsmöglichkeiten entsprechender Streitigkeiten.


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