Keine Haftung wegen unterlassener Thromboseprophylaxe nach Entlassung aus dem Krankenhaus

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OLG Hamm, Urteil vom 30.05.2017 – 26 U 156/16

Das Oberlandesgericht Hamm beschäftigte sich unter anderem mit der Frage, inwieweit eine zunächst im Krankenhaus begonnene Thromboseprophylaxe bei der weiteren ambulanten Nachbehandlung durch einen niedergelassenen Arzt fortzusetzen ist.

Der Kläger erlitt einen Muskelfaserriss, der zunächst in einem Krankenhaus behandelt wurde. Dort erhielt der Kläger eine Thromboseprophylaxe. Nach Entlassung aus dem Krankenhaus erfolgte die Weiterbehandlung durch einen niedergelassenen Arzt, welcher die Thromboseprophylaxe aufgrund der Mobilität des Klägers für nicht mehr erforderlich hielt – und daher nicht weiter verordnete. Eine Woche nach der erstmaligen ambulanten Vorstellung bei dem Beklagten wurde der Kläger mit Verdacht auf eine Thrombose zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus eingewiesen. Dort stellte sich heraus, dass der Kläger eine tiefe Beinvenenthrombose erlitten hatte.

Schadensersatz nach Beinvenenthrombose

Der Kläger verlangte von dem niedergelassenen Arzt Schadensersatz und Schmerzensgeld – unter anderem – mit dem Vorwurf, dass eine Thromboseprophylaxe hätte weiterverordnet werden müssen. Das Begehren des Klägers scheiterte sowohl in der ersten Instanz als auch im Berufungsverfahren vor dem OLG Hamm.

Nach einem Muskelfaserriss ist eine Thromboseprophylaxe nicht erforderlich, wenn der Patient mobil ist

Das OLG Hamm schloss einen Behandlungsfehler aus. Nach den Feststellungen des medizinischen Sachverständigen sei eine Thromboseprophylaxe nicht erforderlich gewesen, weil der Kläger jedenfalls mittels Gehhilfen mobil gewesen sei.

Der Sachverständige stellte dabei auf die „S3-Leitlinie“ ab (diese ist eine Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. zur Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE)): Der Muskelfaserriss des Klägers sei ein kleinerer Weichteilschaden mit einem lediglich niedrigen Thromboserisiko, bei dem es sogar gar nicht ratsam sei, eine Prophylaxe durchzuführen. Nach der S3-Leitlinie gebe es auch keine Indikation für eine Prophylaxe bei Mobilität. Der Beklagte habe nach Entlassung aus dem Krankenhaus selbst eine Entscheidung über die Verordnung einer Thromboseprophylaxe treffen und dabei deren Risiken abwägen müssen. Es gebe „durchaus gewichtige Nebenwirkungen“ – und zwar in Form von Blutungen, Allergien und Leberschäden, sodass im Rahmen einer Prophylaxe immer ein Kontrollblutbild erstellt werden müsse, um schwerwiegende Nebenwirkungen rechtzeitig zu erkennen. Die Entscheidung des niedergelassenen Arztes, das Fortführen der Thromboseprophylaxe zu unterlassen, sei medizinisch daher nicht zu beanstanden – und damit nicht fehlerhaft.

Bedeutung der Entscheidung für die Praxis:

Man kann nicht aus dem Umstand, dass im Krankenhaus eine Thromboseprophylaxe durchgeführt worden ist, automatisch auf die Verpflichtung des weiterbehandelnden niedergelassenen Arztes schließen, diese fortzuführen.

Zwar muss bei allen Patienten mit operativen Eingriffen, Verletzungen oder akuten Erkrankungen das Risiko venöser Thromboembolien bedacht werden. Die Frage der Erforderlichkeit einer Thromboseprophylaxe ist dabei jedoch im Einzelfall individuell unter Berücksichtigung der jeweiligen Risiken zu beantworten. Im Rahmen der Abwägung sind die Empfehlungen der S3-Leitlinie zu berücksichtigen.

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Rechtsanwältin Maike Bohn, Hamburg



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