Keine Rechtsmittelerklärung des gesetzlichen Vertreters für den Beschuldigten

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Mit Beschluss vom 06.07.2016 – 4 StR 149/16 - hat der BGH die Ermächtigung des gesetzlichen Vertreters des Beschuldigten gemäß § 302 Abs. 2 StPO zur Rücknahme eines vom Verteidiger für den Beschuldigten eingelegten Rechtsmittels für unwirksam erachtet und daher über die Revision entschieden.


Im vorliegenden Fall hatte das Landgericht im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Hiergegen erhob der Pflichtverteidiger des Beschuldigten Revision, deren Rücknahme er sodann auf Anweisung des Betreuers des Beschuldigten erklärte. Dies entfaltete nach Auffassung des BGH indes mangels ausdrücklicher Ermächtigung des Beschuldigten zur Rücknahme keine Wirksamkeit. Gemäß § 302 Abs. 2 StPO bedarf der Verteidiger zur Zurücknahme eines Rechtsmittels einer ausdrücklichen Ermächtigung. Der gesetzliche Vertreter des Beschuldigten kann nach Auffassung des BGH nach der Regelungssystematik der §§ 296 ff. StPO die hiernach erforderliche ausdrückliche Ermächtigung zur Rücknahme einer vom Verteidiger für den Beschuldigten eingelegten Revision  nicht wirksam erklären: Gemäß § 296  Abs. 1 StPO hat der Beschuldigte unabhängig von seiner zivilrechtlich zu beurteilenden Geschäftsfähigkeit die Befugnis, Rechtsmittel einzulegen. Hiervon kann er eigenständig, aber auch durch seinen Verteidiger Gebrauch machen. Auch hierbei handelt es sich stets um ein Rechtsmittel des Beschuldigten. Dementsprechend bedarf die Rücknahme des Rechtsmittels durch den Verteidiger nicht nur der Zustimmung, sondern der ausdrücklichen Ermächtigung des Beschuldigten. Ein Recht, von der Rechtsmittelbefugnis des Beschuldigten aus § 296 Abs. 1 StPO Gebrauch zu machen, räumt die Strafprozessordnung dem gesetzlichen Vertreter nicht ein. Dieser hat vielmehr gem. § 298 Abs. 1 StPO eine eigenständige Befugnis, sogar unabhängig vom Willen des Beschuldigten zu dessen Gunsten Rechtsmittel einzulegen. Diese Befugnis steht selbstständig neben der Rechtsmittelbefugnis des Beschuldigten aus § 296 Abs. 1 StPO, so dass die jeweiligen Erklärungen nur für das eigene Rechtsmittel Wirkung entfalten. Der gesetzliche Vertreter kann daher für den Beschuldigten selbst keine Rechtsmittelerklärungen abgeben, d.h. weder ein von diesem selbst eingelegtes Rechtsmittel zurücknehmen noch die hierzu erforderliche Ermächtigung für eine Rücknahme durch den Verteidiger erteilen. Im übrigen bedarf auch er seinerseits für die Rücknahme seines Rechtsmittels der eigenen Zustimmung des Beschuldigten.


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