Keine Steuerhinterziehung durch Unterlassen (370 Abs. 1 Nr. 2 AO) bei Kenntnis der Finanzbehörde

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Steuerhinterziehung durch Unterlassen

Wird eine Steuererklärung nicht oder verspätet eingereicht und kommt es deshalb zu Verzögerungen bei der Steuerfestsetzung, können die Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Satz 2 AO) vorliegen.

Es ist jedoch nicht abschließend geklärt, ob die Kenntnis der Finanzbehörde von den steuerlich maßgeblichen Umständen die Strafbarkeit entfallen lässt.

"Zustand der Unkenntnis" erforderlich

In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird dazu die Ansicht vertreten, dass eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht in Betracht kommen kann, wenn dem Finanzamt die wesentlichen steuerlich relevanten Umstände bekannt sind.

Das Finanzamt befinde sich dann nicht in einem „Zustand der Unkenntnis“, wie von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO gefordert, sondern könne den Steuerbescheid auch ohne Steuererklärung erlassen. Dies sei ausreichend, um den Vorwurf der Steuerhinterziehung zu beseitigen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 31.01.2017, III-1 RVs 253/16 und OLG Oldenburg, Beschluss vom 10.07.2018, 1 Ss 51/18).

Aktuelle finanzgerichtliche Rechtsprechung

Dieser Ansicht haben sich nun in zwei aktuellen Entscheidungen das Finanzgericht Düsseldorf (Urteil vom 26.05.2021, 5 K 143/20 U) und das Finanzgericht Münster (Urteil vom 24.06.2022, 4 K 135/19 E) angeschlossen.

Zur Begründung führt das Finanzgericht Düsseldorf (Tz. 43 der Entscheidungsgründe) aus:

„Schon begrifflich kann der Steuerpflichtige die zuständige Finanzbehörde nicht in „Unkenntnis“ lassen, wenn diese in Wirklichkeit über alle wesentlichen für die Steuerfestsetzung maßgeblichen Umstände informiert ist."

Welche Informationen lagen dem Finanzamt vor?

Diese Rechtsprechung bietet Beschuldigten in einem Steuerstrafverfahren mitunter einen geeigneten Verteidigungsansatz. 

Es ist jedoch genau zu prüfen, welche Informationen dem Finanzamt vorlagen und ob sich das Finanzamt auf Grundlage dieser Informationen in der Lage befand, einen Steuerbescheid zu erlassen. 

Hat der Steuerpflichtige etwa laufende Umsatzsteuer-Voranmeldungen, nicht aber die Umsatzsteuer-Jahreserklärung eingereicht und ergeben sich insoweit keine Abweichungen, dürfte das Finanzamt über die erforderlichen Kenntnisse für den Erlass des Umsatzsteuer-Jahresbescheides verfügt haben.

Gleiches dürfte gelten, wenn der Steuerpflichtige ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht und dem Finanzamt die Lohnsteuerbescheinigung vorliegt.

Noch keine höchstrichterliche Entscheidung

Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Thematik liegt weiterhin nicht vor. 

Schon aus diesem Grunde sollte grundsätzlich strengstens darauf geachtet werden, die gesetzlichen Fristen für die Einreichung der Steuererklärung einzuhalten. Überdies ist bei verspäteter Einreichung von Steuererklärungen mit Verspätungszuschlägen und Nachzahlungszinsen zu rechnen.

Wurde die Frist nicht eingehalten, sollte zudem erwogen werden, eine strafbefreiende Selbstanzeige (§ 371 AO) einzureichen.

Foto(s): RAe Dr. Haverkamp, Dr. Mäscher & Partner mbB

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