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Keine Stornokosten für Tunesien-Reise 2015 – Höhere Gewalt vs. Auswärtiges Amt

  • 2 Minuten Lesezeit

Ein bekannter Leipziger Reiseveranstalter erteilte außergerichtlich einer kostenfreien Stornierung einer im Internet gebuchten Tunesien-Reise eine Absage.

Die Klägerin wollte ursprünglich mit Partner und Kindern nach Zarzis reisen, sah aus Sorge um das Wohlergehen aller aber nach den Anschlägen in Sousse, bei denen 38 Menschen in einem Strandhotel getötet wurden, von diesen Plänen ab.

Der Reiseveranstalter weigerte sich, diese Stornierung wegen „höherer Gewalt“ anzunehmen und behielt zunächst 40 % des Reisepreises ein – obwohl der Bundesgerichtshof klar gemacht hatte, dass diese vertraglichen Stornokosten weit übersetzt sind. Unter Verweis auf die BGH Rechtsprechung vom 9.12.2014 (Az.: X ZR 13/14) und nach Klageerhebung leistetet der Urlaubsveranstalter den hälftigen Betrag und erkannte die Rückforderung insoweit an.

20 % wollte er aber behalten, schließlich habe das Auswärtige Amt keine Reisewarnung erteilt und damit sei auch keine „höhere Gewalt“ anzunehmen, die zum jederzeitigen Rücktritt berechtigen würde.

Das Amtsgericht Leipzig (Urt. vom 30.3.2016, Az: 109 C 7002/15) sah diese Frage aber (zutreffend!) anders und folgte unserer Auffassung:

„Entgegen den Rechtsvorstellungen der Beklagten kommt es für die Beurteilung der rechtlichen Frage eines wichtigen Grundes für die Stornierung der Reise nicht auf eine ausgegebene Reisewarnung des Auswärtigen Amtes an.

Die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes können für die Beurteilung der rechtlichen Fra­ge, ob eine Kündigung wegen höherer Gewalt im Sinne von § 651 j BGB vorliegt oder nicht, inzwischen nicht mehr als ausschlaggebend angesehen werden. Die Entscheidungen des Auswärtigen Amtes folgen sachfremden Erwägungen. Wegen des Terroranschlages von Sousse am 27.06.2015 sind Reisewarnungen von Dänemark, Großbritannien, den Vereinigten Staaten und Australien ausgesprochen worden. Da für diese Urlauber die Gefährdungslage nach verständigem Ermessen nicht anders zu be­urteilen sein dürfte als für deutsche Reisende, ist davon auszugehen , daß bei der unterbliebe­nen Reisewarnung der Bundesrepublik Deutschland und ihres Auswärtigen Amtes der Fokus nicht auf die Sicherheit der Bundesbürger gerichtet war.

...

Der Klägerin stand für die Kündigung ihres Reisevertrages der rechtliche Gesichtspunkt der höheren Gewalt zur Seite. Die Prognose der Wiederholung bewaffneter Terroranschläge gegen Urlauber ist für die Zukunft ohne weiteres gerechtfertigt. Der muslimische Übergriff in Sousse hatte sich direkt gegen Touristen gerichtet und es han­delte sich auch nicht um den ersten muslimischen Anschlag auf unbewaffnete Gäste dieses Landes. Es sei auf den Anschlag auf die Al-Ghriba-Synagoge auf der Insel Djerba am 11.04.2012 (19 Tote, 30 zum Teil Schwerverletzte) und auf den Terroranschlag auf das Nationalmuseum Bar­de in Tunis (18.03.2015; 24 Tote) verwiesen. Eine Tötung der Klägerin und der mitreisenden Kinder durch gewaltbereite Muslime auf der hier streitbefangenen Reise ist daher nicht als fernliegend von der Hand zu weisen. Vor dem Hintergrund der unmittelbaren Gefährdung von Leib und Leben der Reisenden führt eine Güterabwägung mit den wirtschaftlichen Interessen der Beklagten vorliegend zu einem Rücktrittsrecht der Klägerin im Hinblick auf die gebuchte Tunesien-Reise.“

Fazit: Obwohl durch den BGH eindeutig die Unwirksamkeit der Stornoregelung von 40 % Stornokosten bestätigt war, weigerte sich der Urlaubstourenveranstalter, die überhöhten Stornokosten außergerichtlich zurück zu zahlen. Auch bezüglich der weiteren Stornokosten war der Einbehalt nach Auffassung des Amtsgerichts ungerechtfertigt – den ein berechtigter Rücktrittsgrund lag vor. Es lohnt sich, sich zu wehren und sich „nicht abwimmeln“ zu lassen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet Reiserecht

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