Kettenauffahrunfall: Komplexer Sachverhalt – Holen Sie sich Hilfe vom Fachanwalt!

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Massenkarambolage auf der A 81 Richtung Stuttgart

Ein am 27.10.2023 verursachter Kettenauffahrunfall führte in der Folge zu einem Massencrash mit 82 beteiligten Fahrzeugen (119 Menschen, davon 27 leicht verletzt).

Die betroffene Strecke umfasste rund 3,5 Kilometer mit 19 verschiedenen Unfallstellen. Der daraus resultierende Stau erstreckte sich zeitweise bis auf 20 Kilometer – Umleitungen wurden durch die Polizei eingerichtet.

Menschen, die zwischen den verschiedenen Unfallstellen feststeckten, sind nach Angaben eines Polizeisprechers mit Decken, Essen und Getränken durch das das Technische Hilfswerk versorgt worden. Erst gegen 02:30 Uhr am Samstag wurde der Abschnitt wieder freigegeben. Der Polizeisprecher sprach von einem außergewöhnlichen Einsatz: "Da muss man schon Jahre zurückschauen, um etwas Vergleichbares zu finden."


Anwaltlicher Rat ist gefragt - Mehrere Kollisionen erschweren den Sachverhalt

Es wird insbesondere dann kompliziert, wenn bei mehreren Kollisionen unklar ist, wer zuerst auf wen kollidiert ist oder geschoben wurde.

Als Betroffener in einer solchen Situation ist es unbedingt ratsam einen Fachanwalt für Verkehrsrechthinzuzuziehen!

Auch entscheidungsrelevant ist die Aussage des Vordermannes. Hat dieser einen oder zwei Anstöße gespürt? Wieviel Zeit lag zwischen den verschiedenen Anstößen?


Mitschuld bei Bremswegverkürzung

Eine Bremswegverkürzung kann zu einem Mitverschulden führen, wenn man durch eigenes Auffahren den Bremsweg des Hintermanns verkürzt.

Es wird hier also schnell mal komplizierter und sollte daher in die Hände eines Fachanwaltes gegeben werden!


Wichtig: Aufgefahren oder aufgeschoben?

Bei Kettenauffahrunfällen ist entscheidend, ob man auf den Vordermann aufgefahren ist oder aufgeschoben wurde. Die Versicherung versucht oft, nur den Heckschaden zu bezahlen und behauptet, den Frontschaden hat der Fahrer durch das Auffahren selbst verursacht. Hier wird im Zweifel ein Sachverständiger benötigt.


Dieser prüft sodann, ob es sich um einen gebremsten oder einen geschobenen Aufprall handelt. Denn durch den "Schwung" eines fahrenden Fahrzeuges entsteht eine viel größere Krafteinwirkung im Gegensatz zu einem bereits stehenden Auto, welches auf ein anderes Auto geschoben wird. Demnach fällt der Schaden bei einem gebremsten Aufprall höher aus.


  • Gebremst:

Das vor Ihnen befindliche Fahrzeug bremst und Sie fahren auf.

  • Geschoben:

Sie stehen am Stauende, werden angefahren und infolgedessen auf das vor Ihnen stehende Fahrzeug geschoben.

  • Gebremst und geschoben:

Das erste Fahrzeug bremst, das zweite fährt auf, ein drittes fährt auf das zweite und das zweite wird nochmal gegen das erste geschoben und so weiter.


Um bei der Thematik Kettenauffahrunfall zu bleiben, hier ein Beispiel aus der realen Praxis:

Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 08.11.2022, 7 O 243/21

Hier war u. a. genau das ausschlaggebend. Aufgefahren oder aufgeschoben?

Aufgrund eines hohen Verkehrsaufkommens verlangsamte sich der fließende Verkehr und Fahrzeug 1 bremste verkehrsbedingt stark ab und kam vor Fahrzeug 2 zum Stehen.

Wegen Unaufmerksamkeit fuhr Fahrzeug 2 sodann auf Fahrzeug 1 auf. Im Anschluss daran, fuhr ein weiteres Fahrzeug – Fahrzeug 3 – auf Fahrzeug 2, wodurch dieses nochmals auf Fahrzeug 1 geschoben wurde.

Wie groß die Zeitspanne zwischen den beiden Kollisionen war, war zwischen den Parteien umstritten und konnte nicht aufgeklärt werden.

Der Kläger fordert einen Schadenersatz hinsichtlich der dem Kläger entstandenen Front- und Heckschäden.


Unfall war kein unabwendbares Ereignis

Der Beklagte zu 1 konnte nicht darlegen, dass er die Kollision mit dem klägerischen Fahrzeug infolge der Bremswegverkürzung – verursacht durch die Kollision des klägerischen Fahrzeuges mit dem Fahrzeug 1 – nicht hätte vermeiden können.

Gleichzeitig konnte die Zeugin (klägerisches Fahrzeug) nicht beweisen, dass der Beklagte zu 1 trotzdem auf das klägerische Fahrzeug aufgefahren wäre, wenn dieses rechtzeitig zum Stehen gekommen und somit keine Bremswegverkürzung für den Beklagten zu 1 entstanden wäre. Zudem räumte sie selbst ein unaufmerksam gewesen und daher für den ersten Auffahrunfall verantwortlich gewesen zu sein.


Frontschaden – Beklagte müssen nicht zahlen

Der Kläger/Fahrzeug 2 konnte nicht beweisen, dass der Beklagte zu 1/Fahrzeug 3 für die Verursachung seines Frontschadens (durch Aufschieben) verantwortlich ist. Somit ist diesbezüglich kein Schadenersatz zu leisten.

Vielmehr ist das Gericht nach erfolgter Beweisaufnahme (inkl. Sachverständigengutachten) der Überzeugung, dass der dem klägerischen Fahrzeug entstandene Frontschaden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bereits durch den ersten Aufprall mit Fahrzeug 1 entstanden ist.


Auszug aus dem Urteil:

"In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei Auffahrunfällen, auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen, der erste Anschein dafür sprechen kann, dass der Auffahrende den Unfall schuldhaft dadurch verursacht hat, dass er entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat [...], unaufmerksam war [...] oder aber mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist [...]."


Weiter heißt es:

Aufgrund des Umstandes, dass sich die Zeugin [...] nicht einmal sicher ist, den Aufprall des Beklagtenfahrzeuges auf das klägerische durch einen Schlag gespürt zu haben, ist anzunehmen, dass [...] insbesondere auch der zweite Aufprall des klägerischen Fahrzeuges auf dasjenige der Zeugin [...] in der Intensität geringer war, als der erste."


Heckschaden – Haftungsquote Fifty Fifty

Im Hinblick auf den Heckschaden am klägerischen Fahrzeug ließ sich das Gericht weder davon überzeugen, dass der Heckschaden durch eine Sorgfaltspflichtverletzung des Beklagten zu 1 (Fahrzeug 3), noch durch die Sorgfaltspflichtverletzung der Zeugin (klägerisches Fahrzeug) verursacht wurde.

Der Unfallhergang ist damit nicht aufgeklärt, weshalb die Haftungsquote mit 50 % zu 50 % zu bestimmen ist,


Auszug aus dem Urteil:

"Bei einem Kettenauffahrunfall kommt ein Anscheinsbeweis für eine schuldhafte Verursachung des Heckaufpralls durch den letzten in der Kette [...] nur dann in Betracht, wenn feststeht, dass das ihm vorausfahrende Fahrzeug des Geschädigten rechtzeitig hinter seinem Vordermann zum Stehen gekommen ist und nicht durch einen Aufprall auf das vorausfahrende Fahrzeug den Bremsweg des ihm folgenden Fahrzeuges verkürzt hat [...]."


Wird also – ohne erkennbaren Grund – abrupt gebremmst, erschüttert dies den Anscheinsbeweis und hat ein Mitverschulden des Vordermannes zur Folge.

Ebendies konnte vorliegend nicht abschließend geklärt werden.


Ergebnis:

Der ausgeurteilte Schadenersatzbetrag ist deutlich geringer ausgefallen, als vom Kläger beantragt.


Wer trägt die Rechtsanwaltskosten?

Wichtig zu wissen ist, dass die Anwaltskosten vom Unfallverursacher zu tragen sind. Wenn man nicht am Unfall schuld ist, trägt man auch nicht die Anwaltskosten.

Ein Kettenauffahrunfall ist eine komplexe Sache, daher ist die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts in der Rechtsprechung als notwendig anerkannt und muss deshalb vom Schädiger oder Rechtschutzversicherer getragen werden!


SFW Baumeister & Partner – Nutzen Sie unsere kostenfreie Erstberatung!

Sofern Sie in einen Kettenauffahrunfall verwickelt waren, sollten Sie sich schnell mit einem Fachanwalt für Verkehrsrecht in Verbindung setzen. Abgestimmt auf Ihren Einzelfall kann sodann die für Sie bestmögliche Verteidigungsstrategie erarbeitet werden.

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