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Kind erhält Kindergeld – Rückforderung von Eltern zulässig?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

Das Kindergeld wird gemäß § 31 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) zwar wie eine Steuervergütung behandelt, soll aber zumindest die Grundversorgung eines Kindes gewährleisten. Anspruch auf die Leistung hat allerdings nicht das Kind selbst, sondern haben seine Erziehungsberechtigten, in der Regel also seine Eltern, vgl. § 62 EStG. Die beantragen aus Einfachheitsgründen häufig die Auszahlung an das Kind, wenn dieses bereits volljährig ist und sich in einer Berufsausbildung befindet. Erfolgte die Kindergeldzahlung jedoch zu Unrecht, stellt sich die Frage, wer die Leistung dann erstatten muss: das Kind oder seine Eltern?

Familienkasse fordert Kindergeld zurück

Eine 22-Jährige begann im Jahr 2008 mit einer Ausbildung zur Altenpflegerin. Ihre Mutter beantragte daher Kindergeld. Auch erteilte sie der Familienkasse die formlose Anweisung, die Zahlung des Kindergelds an die Tochter selbst vorzunehmen, die das Geld in der Folgezeit auch beständig erhielt.

Im Januar 2011 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung jedoch rückwirkend ab November 2010 wieder auf, nachdem sie erfahren hatte, dass sich die junge Frau aufgrund einer Kündigung zum 31.10.2010 nicht mehr in Ausbildung befand. Ferner verlangte sie von der Mutter die Rückzahlung des seit November 2010 geleisteten Kindergelds.

Die Mutter lehnte eine Zahlungspflicht ab. Erstens verfüge sie nicht über die nötigen finanziellen Mittel, zweitens habe sie keinen Kontakt mehr zu ihrer Tochter und drittens müsse ihre Tochter das Kindergeld selbst zurückzahlen. Die habe die Beträge schließlich jeden Monat erhalten. Außerdem habe sie bereits vor Jahren förmlich die Zahlung an ihre Tochter beantragt. Zwar habe die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung im Jahr 2007 aufgehoben – weil ihre Tochter 21 Jahre alt wurde und keine Ausbildung machte –, die sog. Abzweigung nach § 74 I EStG gelte aber nach wie vor. Der Streit der Parteien endete vor Gericht.

Leistungsempfänger muss Kindergeld zurückzahlen

Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied, dass die Mutter als Leistungsempfängerin zur Rückzahlung der geforderten Beträge verpflichtet war, vgl. § 37 II Abgabenordnung (AO).

Geldempfänger nicht unbedingt Leistungsempfänger

Gemäß § 37 II AO kann unter anderem eine Steuervergütung, die ohne rechtlichen Grund gezahlt wurde, vom Leistungsempfänger zurückverlangt werden. Gleiches gilt, wenn der Grund – z. B. die Kindergeldfestsetzung – später wegfällt, weil die Finanzbehörde oder die Familienkasse ihren Bescheid wieder aufhebt.

Auch wenn der Wortlaut zunächst anderes vermuten lässt: Leistungsempfänger des Kindergelds ist nicht zwangsläufig auch die Person, die monatlich die Leistung erhält. Maßgeblich ist vielmehr, gegenüber wem die Familienkasse ihre Verpflichtung zur Zahlung des Geldes erbringen möchte. Das war vorliegend zweifelsfrei die Mutter, denn die war gemäß § 62 EStG kindergeldberechtigt. Sie hatte der Familienkasse die formlose Anweisung erteilt, das Kindergeld an die Tochter zu überweisen. Mit Befolgung dieser Anweisung hat die Familienkasse lediglich ihre oben genannte Verpflichtung erfüllt.

Allerdings hat die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung im Januar 2011 wieder aufgehoben – und zwar mit Wirkung ab November 2010. Damit hatte sie drei Monate lang grundlos Leistungen erbracht, die nun die Mutter als Leistungsempfängerin zurückzahlen musste.

Keine Fortwirkung der Abzweigung

Bei einer sog. Abzweigung nach § 74 I EStG erhält das Kind auf förmlichen Antrag des Erziehungsberechtigten das Kindergeld. Voraussetzung ist unter anderem jedoch, dass der Erziehungsberechtigte seiner Kindesunterhaltspflicht nicht nachkommen kann oder will. Verlangt die Familienkasse dann das Kindergeld zurück, ist allein der Nachwuchs erstattungspflichtig, nicht der Erziehungsberechtigte.

Zu beachten ist allerdings, dass die Abzweigung mit Aufhebung der Kindergeldfestsetzung ihre Wirkung verliert. Wird später erneut Kindergeld beantragt, muss also auch die Abzweigung neu beantragt werden. Die Familienkasse ist allerdings nicht verpflichtet, den Kindergeldberechtigten darauf hinzuweisen bzw. diesbezüglich zu beraten.

Vorliegend war die Abzweigung mit der ersten Aufhebung der Kindergeldfestsetzung im Jahr 2007 gegenstandslos geworden. Anstatt einen neuen Antrag auf Abzweigung zu stellen, hat die Mutter der Familienkasse im Zusammenhang mit dem neuen Antrag auf Kindergeld lediglich eine Anweisung erteilt, wonach das Geld fortan auf das Konto ihres Kindes zu überweisen ist. Diese formlose Anweisung stellte keinen Antrag auf Abzweigung dar – und änderte daher nichts an der Erstattungspflicht der Mutter.

Fazit: Erziehungsberechtigte können die Familienkasse anweisen, das Kindergeld an ihr Kind zu überweisen. Bei einer sog. Abzweigung muss das Kind dann den erhaltenen Betrag im Fall einer Rückforderung erstatten. Liegt allerdings nur eine formlose Anweisung an das Familiengericht vor, bleibt der Kindergeldberechtigte zur Rückzahlung verpflichtet, obwohl nicht er, sondern sein Kind das Geld erhalten hat.

(BFH, Urteil v. 10.03.2016, Az.: III R 29/15)

(VOI)

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