Klimaaktivismus und Recht: Ein Fall von zivilem Ungehorsam und rechtfertigendem Notstand

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Der Fall: Klimaaktivist und Universität

Ein Student und Klimaaktivist (A), glaubt, dass seine Universität (L) Geld bei einer Bank anlegt, die in nicht nachhaltige Gas- und Kohleenergieunternehmen investiert. Um auf die drohende Klimakatastrophe aufmerksam zu machen und die Gesellschaft zum Handeln zu bewegen, greift er zum Mittel des "zivilen Ungehorsams". Er beschmiert die Fassade der Universität mit Wandfarbe und sprüht die Worte "L divest: Kohle aus der N-Bank" auf. Die Reinigung kostet die Universität rund 13.000 Euro.

Rechtliche Konsequenzen: Sachbeschädigung und Revision

Das Amtsgericht verwarnt A wegen Sachbeschädigung und behält sich vor, ihn zu einer Geldstrafe zu verurteilen. A legt daraufhin Revision zum Oberlandesgericht (OLG) Celle (OLG Celle, Beschluss vom 29. Juli 2022 – 2 Ss 91/22) ein.

Rechtliche Fragen: Notstand und ziviler Ungehorsam

Die Frage ist, ob A's Aktionen durch einen Notstand nach § 34 des deutschen Strafgesetzbuches (StGB) oder durch zivilen Ungehorsam gerechtfertigt sein könnten. Der rechtfertigende Notstand setzt eine Notstandslage, eine taugliche Notstandshandlung und ein subjektives Rechtfertigungselement voraus. Ziviler Ungehorsam ist ein Widerstand des Bürgers gegenüber einzelnen gewichtigen staatlichen Entscheidungen, um durch demonstrativen, zeichenhaften Protest bis hin zu aufsehenerregenden Regelverletzungen zu begegnen.

Urteil des OLG Celle: Keine Rechtfertigung

Das OLG Celle lehnt eine Rechtfertigung durch Notstand oder zivilen Ungehorsam ab. Es argumentiert, dass A's Aktionen nicht geeignet sind, den Klimawandel unmittelbar aufzuhalten. Sie könnten zwar Aufmerksamkeit erregen und die Gesellschaft und die Universität zu mehr Klimaschutz bewegen, aber das reicht nicht aus, um einen Notstand zu begründen. Ziviler Ungehorsam kann die Beschädigungen ebenfalls nicht rechtfertigen, da niemand zur Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit und Geltendmachung seiner Ansichten in die Rechte Dritter eingreifen darf.

Auswirkungen und Kritik

Die Entscheidung des OLG Celle hat weitreichende Auswirkungen für Klimaaktivisten und die rechtliche Beurteilung ihrer Protestaktionen. Es gibt jedoch auch Kritik an der Entscheidung, insbesondere an der knappen Begründung des Gerichts und der Ablehnung der Figur des zivilen Ungehorsams. Es wird argumentiert, dass zwischen rechtlich vollkommen zu tolerierenden Bagatellfällen und rechtlich nicht hinzunehmenden Extremfällen Raum für die Legitimierung von Protesten des zivilen Ungehorsams auf Rechtfertigungsebene sein sollte. 

Schlussfolgerung

Obwohl das Urteil des OLG Celle in diesem speziellen Fall zustimmt, dass die Protestaktionen des Klimaaktivisten nicht gerechtfertigt waren, sollte es keine grundsätzliche Ablehnung von zivilem Ungehorsam als möglicher Rechtfertigungsgrund geben. Jeder Fall sollte individuell betrachtet werden, und es sollte eine Abwägung zwischen dem grundrechtlichen Schutz von Protestaktionen und der Beeinträchtigung Dritter geben. Es ist wichtig, dass Proteste Aufmerksamkeit erregen, und manchmal bedeutet das, dass sie für Dritte ungemütlich sein müssen. Dies ist besonders relevant, wenn es um dringende Themen wie den Klimaschutz geht.

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Ihr Rechtsanwalt und Strafverteidiger

Christian Keßler

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