Kommentar zum EuGH-Urteil zum Ausschluss des Widerrufsrechts

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Die Entscheidung des EuGH vom 11.09.2019 (Rechtssache C 143/18), über die ausführlich in den Medien berichtet wurde, hat hohe Wellen geschlagen.

Im konkreten Fall hatte ein Ehepaar in Deutschland bei der DSL Bank ein Immobiliendarlehen aufgenommen. In der Widerrufsbelehrung hieß es, dass das Widerrufsrecht vorzeitig erlösche, wenn der Vertrag vollständig erfüllt sei und der Darlehensnehmer dem ausdrücklich zugestimmt habe. Ca. 9 Jahre nach Vertragsschluss hatten die Darlehensnehmer den Vertrag unter Berufung auf eine fehlerhaft erteilte Widerrufsbelehrung widerrufen. 

Das Landgericht Bonn hatte angesichts von Zweifeln daran dass die deutsche Rechtsprechung zum prinzipiell „ewigen Widerrufsrecht“ im Einklang mit der maßgeblichen EU-Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen stehen würde, den EuGH angerufen, Der EuGH urteilte nunmehr, dass im vorliegenden Fall ein Widerruf ausgeschlossen sei und forderte die deutsche Rechtsprechung zur Anpassung an die europarechtlichen Vorgaben auf.

Der allgemeine Tenor der Berichterstattung zu dieser Entscheidung geht dahin, dieser eine bahnbrechende Bedeutung im Sinne einer grundlegenden Verschlechterung der Rechtsposition von Darlehensnehmern beim Widerruf von Verbraucherdarlehensverträgen beizumessen. 

So berichtete beispielsweise das Handelsblatt über die EuGH-Entscheidung unter dem Titel „EuGH schließt späten Kredit-Widerruf aus. Die Richter am Europäischen Gerichtshof grenzen sich von der deutschen Rechtsprechung ab. Das Urteil könnte zum Präzedenzfall werden.“ Eine ähnliche Einschätzung konnte man in einem Kommentar der FAZ-Net lesen, wo von einem weiteren „Sargnagel“ in Sachen Kreditwiderruf die Rede ist.

Bei Licht betrachtet jedoch dürfte die praktische Bedeutung des EuGH-Urteils eher gering sein. Denn erstens gilt es nur für Kreditverträge, die auf dem Wege des Fernabsatzes zustande gekommen sind, also nicht für Präsenzgeschäfte, die in den Geschäftsräumen der Bank abgeschlossen werden. 

Zweitens – das ist der entscheidende Punkt – liegt eine „vollständige Erfüllung“ bei einem Darlehensvertrag nur dann vor, wenn der Kredit vom Darlehensnehmer zurückgezahlt worden ist. Dies kann bei einer Immobilienfinanzierung entweder nach Ende der Zinsbindung erfolgen oder vorzeitig – durch Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Dementsprechend sind laufende Immobilienkreditverträge vom Urteil des EuGH überhaupt nicht betroffen.

Fazit: Verbraucher, die ihren Immobilien- oder Autofinanzierungsvertrag widerrufen haben oder einen Widerruf erwägen, sollten sich daher durch die öffentliche Berichterstattung über das Urteil des EuGH nicht von der Wahrnehmung ihrer Verbraucherrechte abschrecken lassen.


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