Komplexe Finanzinstrumente nur für professionelle Kunden

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Nach § 31 Abs. 7 WpHG dürfen Wertpapierdienstleistungen und -nebendienstleistungen an Privatkunden bei komplexen Finanzinstrumenten nicht erbracht und nicht angebahnt werden, es sei denn, die Erbringung erfolgt auf Veranlassung des Kunden (execution only). Komplexe Finanzinstrumente sind z. B. solche, die in Derivate „eingebettet“ sind.

In § 7 WpDVerOV sind komplexe Finanzinstrumente geregelt (Negativkatalog). Nicht komplex im Sinne von § 31 Abs. 7 Nr. 1 WpHG sind neben den dort genannten Wertpapieren und Geldmarktinstrumenten solche Finanzinstrumente, die nicht unter § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b oder Absatz 2 des WpHG fallen.

Sind Schuldverschreibungen als Derivat ausgestaltet, besteht (außer bei execution-only-Erwerb) ein Verbot von Wertpapierdienstleistungen (z. B. Geschäftsbesorgung, Vertrieb, Beratung, Vermittlung, Verwaltung, Veranstaltungen und Werbereden). Hier (wenn komplex) können Wertpapierdienstleistungen nur für professionelle Kunden erbracht werden (z. B. Bankinstitute, Versicherungsunternehmen nach § 31 a WpHG) oder gewillkürte (d.h. eingestufte) Privatkunden mit einem Privatvermögen ab 500.000 Euro.

Warum ist eine Schuldverschreibung komplex?

Aber was ist mit einfachen Schuldverschreibungen (also ohne „eingebettetes“ Derivat)? Etwa auf der Grundlage des Schuldverschreibungsgesetzes 2009 oder aufgrund von Schneeballsystemen? Hier dürfte nach § 7 WpDVerOV (regelt „nicht komplexe Finanzinstrumente“) der Verweis auf § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b WpHG einschlägig sein.

Komplexe Finanzinstrumente sind danach sonstige Wertpapiere, die … zu einer Barzahlung führen, die in Abhängigkeit von Wertpapieren … oder anderen Erträgen …bestimmt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b WpHG).

Werden Schuldverschreibungen also durch neue Schuldverschreibungen finanziert, liegt nicht nur ein Schneeballsystem vor. Es handelt sich dann bei den Schuldverschreibungen um ein komplexes Finanzinstrument. Denn: Es kommt zu einer Barzahlung, die in Abhängigkeit von anderen Wertpapieren bestimmt wird, nämlich vom Eingang „frischen Geldes“ durch neue Emissionen. Das ist nicht alles. Auch ohne Schneeballsystem ist § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b WpHG einschlägig. Gemeint ist eine Finanzierung durch „Erträge“. Es handelt sich hierbei um die Unternehmenserträge.

Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Legalentwertung durch das Schuldverschreibungsgesetz 2009. Hiernach können solange Schuldverschreibungsgläubigersammlungen einberufen werden, bis ein einziger Besucher (mit entsprechendem Stimmanteil) einen Globalverzicht für alle erklärt. Auch diese Möglichkeit rechtfertigt die Einstufung einer Schuldverschreibung als komplex und für den Privatanleger (Privatkunden nach § 31a WpHG) ungeeignet und als im Prospekt nach dem Wertpapierprospektgesetz gezielt aufklärungsbedürftig. Die umständliche Darlegung von Risiken unter Verwendung komplexer Wortgebilde und von philologischen Rätseln dürfte ungeeignet sein, den tatsächlichen Liquidationswert der Finanzinstrumente nach der Einzahlung den breiten Schichten kohärent und kohäsiv zu vermitteln. In dem Aufsatz „Anlageberatung nach MiFID II“, Buck-Heeb, Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft, 15. August 2014, Seite 221, wird in Bezug auf die Komplexität von Finanzinstrumenten festgehalten, dass eine Komplexität dann bereits vorliegen soll, wenn es dem Kunden durch strukturelle Einbettung von Produkten erschwert wird, die damit verbundenen Risiken zu verstehen, Seite 231.

Die Prospekthaftung für Prospektfehler nach dem Wertpapierprospektgesetz (Inhaberschuldverschreibungen) richtete sich vor Einführung des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG) zum 01.07.2012 nach § 13 VerkaufsprospektG (Fassung vom 01.07.2005). 


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