Kontaktverbot, § 1666 BGB - Jugendamt und Kindeswohlgefährdung. Was tun? [Update 2.12.23]

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Besprochen wird hier der Fall eines Kontaktverbots wegen einer Straftat mit Bildern (Kinderpornographie). Die rechtliche Wirkweise ist aber immer dieselbe. Es kann auch Kontaktverbote wegen Auffälligkeiten des Kindes geben, z.B. sog. sexualisiertes Verhalten u.a. Sprechen Sie uns an.

Der Situation: Sie sind Familienvater, egal ob verheiratet oder nicht, und in das Visier der Polizei geraten wegen Besitz von Kinderpornographie. Doch damit nicht genug, die Auswirkungen eines solchen Verdachts, ob berechtigt oder nicht, ziehen sich bis in das Familienleben hinein. So wird Ihnen nun angedroht, dass Sie aus der gemeinsamen Familienwohnung ausziehen müssen (sog. Wegweisung), Sie erhalten ein Betretungsverbot für die Familienwohnung und der Umgang mit Ihren Kindern ist nur noch in Anwesenheit der Kindsmutter oder eines Dritten gestattet. Im schlimmsten Fall ist bereits ein Beschluss des Familiengerichtes ergangen, der diese Schutzvorkehrungen mit sofortiger Wirkung anordnet. Und ein Ermittlungsverfahren kann Jahre dauern. Doch geht das so einfach?

Berichte wie dieser sind dabei nicht hilfreich, sondern kontraproduktiv. Die Autorin versteht nicht, welche negativen Folgen ein Kontaktverbot für die gesamte Familie haben kann – Vater, Mutter und Kinder. Furcht vor Übergriffen mag zwar auf den ersten Blick nachvollziehbar sein, ist aber sehr häufig nicht berechtigt und die Folgeschäden für Eltern und Kindern sind enorm. Die dem Artikel zugrundeliegende Entscheidung des OLG Koblenz (Beschluss vom 4. Juni 2020 - 7 UF 201/20) ist fehlerhaft.

Rechtliches: 
Die sog. Schutzanordnungen nach dem Schutzplan richten sich nach § 1666 Abs. 1, 3 BGB. Danach darf das Familiengericht Maßnahmen ergreifen, die zur Abwendung einer Gefahr für Kinder erforderlich sind. Das Jugendamt macht das auch, das ist aber nicht verbindlich. Zu diesen Maßnahmen zählt nach Absatz 3 auch das Wegweisungsrecht eines Elternteils aus der Familienwohnung, also das Verbot, die Familienwohnung zu benutzen.

Die Maßnahme darf gem. §§ 1666a, 1684 Abs. 4 BGB nur ergehen, wenn andernfalls das Kindeswohl gefährdet wäre. Doch wann liegt eine solche Gefährdung vor? Und stehen Ihnen nicht auch Rechte zu, die Sie der Anordnung entgegenhalten können?

Der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 21. September 2022, Az.: XII ZB 150/19) musste sich vor kurzem mit einer solchen Konstellation auseinandersetzen. Dabei hat der BGH klargestellt, dass eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegt, wenn eine gegenwärtige Gefahr vorliegt,

- die bei ungehindertem weiterem Verlauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu
- einer erheblichen Schädigung des geistigen und leiblichen Wohls des Kindes führen wird.
- Eine abstrakte Gefährdung reicht nicht aus, man spricht von einer „ziemlichen Sicherheit eines Schadenseintritts“.

Daher bedarf es einer konkreten Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles.


• Insbesondere sind in diese Abwägung der besondere Schutz zu beachten, unter dem die Familie nach Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes steht und den Eltern das Recht auf Pflege und Familie garantiert. Jeder Eingriff in das Elternrecht muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Viele wissen nicht, dass auch die Kinder selbst geschützt sind in ihrem Recht auf unbeobachteten Umgang mit dem umgangsberechtigten Elternteil.

•    Sog. Schutzanordnungen (Schutzplan) stellen einen erheblichen Eingriff in den familiären Alltag dar und führen zu schweren Störungen der Eltern-Kind Beziehung – bis zur totalen Entfremdung. Daher sind diese Anordnungen im Einzelfall zu beurteilen und nicht pauschal. Das verkennen sowohl Jugendämter als auch Gerichte.

Das Bundesverfassungsgericht führt in einem Beschluss vom 29. November 2007 (Az.: 1 BvR 1635/07) aus, dass, wenn eine Einschränkung des Umgangsrechts auf pädophile Neigungen des umgangsberechtigten Elternteils gestützt wird, dies die Feststellung dieser pädophilen Neigung sowie eine daraus resultierende konkrete Gefährdung für das Kind voraussetzt. Nur ein „Restrisiko“ für das Kindeswohl reicht nicht aus; das Gericht muss anhand des Einzelfalles die Interessen der Eltern, die Persönlichkeit des Elternteils und deren Einstellungen einbeziehen, und die Belange des Kindes, um eine kindeswohlorientierte Entscheidung treffen.

•    Zudem besteht nach dem jetzigen Forschungsstand kein monokausaler Zusammenhang zwischen dem Konsum von Kinderpornographie und sexuellen Übergriffen mit Körperkontakt (sog. Hands-On-Delikte).

Fazit:
Wenn Sie unter dem Verdacht des Besitzes von Kinderpornographie stehen, dürfen nicht ohne konkrete Verdachtsmomente Anordnungen ergehen, die den Umgang mit Ihren Kindern für unbestimmte Zeit erschweren oder gar verhindern. Auch Sie haben ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf Erziehung und Pflege Ihrer Kinder. Und die Kinder auf Sie.

Was also tun?
Melden Sie sich. Wenn ein Beschluss bereits ergangen ist, sofort. Wir werden gemeinsam den Sachverhalt aufarbeiten und zeigen Ihnen auf, welche Möglichkeiten gegen diese Schutzanordnung vorzugehen bestehen. Die strafrechtlichen Vorwürfe können zu einer großen Belastung für Sie und Ihre Familie werden. Zudem führt bereits der Verdacht zu einer Stigmatisierung, halten Sie daher den Kreis der Personen, die Sie ins Vertrauen ziehen, klein.

Wenden Sie sich an uns. Senden Sie alle Unterlagen an koetz@koetzfusbahn.de Wir beraten bundesweit – auch per Telefon, MailWhatsApp und Zoom. 


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Dr. Daniel Kötz hat sich Schwerpunkte im Medienstrafrecht und im angrenzenden Familienrecht erarbeitet. Denn als Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht ist er im Persönlichkeitsrecht zu Hause. Er berät seit 1996 Unternehmen und Einzelpersonen.

Foto(s): Frank Beer

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