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Kontrollen nach dem Prostituiertenschutzgesetz – "Razzia" in Lübeck am 06.11.2019

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Wie Presseberichten zu entnehmen ist, wurden am 6. November 2019 diverse „Etablissements“ in Lübeck – Bordelle, Apartments, Massagestudios usw. – von den Ordnungsämtern und der Polizei kontrolliert. Hierbei seien diverse Verstöße gegen das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) festgestellt worden. So seien u. a. Notrufsysteme defekt gewesen, Prostituierte hätten in den Arbeitszimmern gewohnt (nicht nur gearbeitet), Anmeldebescheinigungen seien nicht überprüft worden und erforderliche Unterlagen seien nicht vorhanden gewesen. 

Die Kontrolle erfolgte offenbar unangemeldet und wurde von einigen Betroffenen als geschäftsschädigend angesehen, zumal neben den Behördenmitarbeitern auch die Polizei mit einer nicht unerheblichen Anzahl an Beamten vor Ort aufgetreten sein soll. Im Einzelfall, also wenn es sich um bekanntermaßen „schwarze Schafe“ der Branche handeln sollte, kann ein solches Auftreten noch gerechtfertigt erscheinen. Es darf hier aber die Frage erlaubt sein, ob ein massives Aufgebot der Polizei bei solchen Betrieben bzw. Prostitutionsstätten, die seit Jahrzehnten bekanntermaßen „sauber“ arbeiten, verhältnismäßig ist. 

Dem Unterzeichner sind aus der Bundeshauptstadt Fälle bekannt, in denen sich Behördenmitarbeiter als vermeintliche Gäste in Bordellbetriebe „eingeschlichen“ hatten, um dann in einem unbeaufsichtigten Moment die Tür zum Betrieb für eine Vielzahl von Kollegen zu öffnen, die den Betrieb grund- und ansatzlos „stürmten“. Zum Teil bedienten sich die Beamten dann nachfolgend ohne Rückfrage beim Betreiber an den für Gäste vorgehaltenen Süßigkeiten und fotografierten – ebenfalls ohne vorherige Rückfrage – das exotische Inventar sowie vorhandene Toys mittels Ihrer Mobiltelefone offenbar zur privaten Belustigung ab. Dass ein solches Verhalten nicht nur unsäglich, sondern auch rechtswidrig ist, liegt auf der Hand. 

Auf der anderen Seite kündigen Behörden in anderen Bundesländern etwa eine Woche vor der Kontrolle schriftlich oder telefonisch bei den Betreibern ihren „Besuch“ an. Diese für die Betreiber sehr angenehme Praxis erscheint ebenfalls fragwürdig, da so kaum damit zu rechnen ist, einen „ungeschönten“ Blick in den Betrieb werfen zu können. Eventuelle Missstände könnten nach Mitteilung des Termins vor der Kontrolle noch schnell beseitigt werden. 

Was aber genau darf die Behörde bei derartigen Kontrollen nach dem ProstSchG? 

Nach § 29 Abs. 1 ProstSchG sind die Beauftragten der zuständigen Behörde befugt, zum Zwecke der Überwachung

  1. Grundstücke und Geschäftsräume der betroffenen Person während der für Prostitutionsgewerbe üblichen Geschäftszeiten zu betreten
  2. dort Prüfungen und Besichtigungen vorzunehmen
  3. Einsicht in die geschäftlichen Unterlagen und Aufzeichnungen zu nehmen
  4. zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben an Orten, an denen Prostitution ausgeübt wird, jederzeit Personenkontrollen vorzunehmen.

Abs. 2 des § 29 ProstSchG sieht vor, dass Grundstücke usw. zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung auch außerhalb der üblichen Geschäftszeiten betreten werden können; Betroffene haben in diesem Fall die oben genannten Maßnahmen zu dulden. 

Soviel zur Theorie. Nun zur Praxis: Der Verfasser war bei mehreren Kontrollen in Hamburger Betriebsstätten vor Ort. Kontrolliert wurde hier insbesondere: 

  • die Übereinstimmung eingereichter Unterlagen mit den tatsächlichen Gegebenheiten, zum Beispiel dem eingereichten Grundriss mit den Räumlichkeiten, 
  • das Vorhandensein sowie die Funktionalität des Notrufsystems,
  • das Vorhandensein der Hinweisschilder zur Kondompflicht,
  • die Ausstattung an Kondomen/Gleitmitteln/Hygieneartikeln,
  • die Erfüllung der Aufzeichnungspflichten der Betreiber nach § 28 ProstSchG,
  • die Erfüllung hygienischer Anforderungen/Sauberkeit,
  • welche Personen sich im Betrieb befinden,
  • ob anwesende Prostituierte die erforderlichen Unterlagen bei sich führten. 

Verstöße gegen das ProstSchG wurden hier in der Regel zunächst lediglich gerügt nebst Fristsetzung zur Beseitigung, ohne dass sofort ein Bußgeld verhängt wurde. 

In anderen Bundesländern wurden bereits die ersten, zum Teil empfindlichen Bußgelder wegen Verstößen gegen das ProstSchG – soweit es sich um Ordnungswidrigkeiten handelte – verhängt:

  • Beschäftigung einer Prostituierten ohne Anmeldebescheinigung: EUR 120 (NRW in einer Kleinstadt)
  • Beschäftigung mehrerer Prostituierter ohne Anmeldebescheinigung und Arbeitserlaubnis: EUR 3.000 (SH). In einem ähnlich gelagerten Fall in NRW wurde die Angelegenheit an die Staatsanwaltschaft übergeben, die wegen eines Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz ermittelt. 
  • Beschäftigung einer Prostituierten ohne Anmeldebescheinigung: EUR 500 (BW)
  • Verstoß gegen die Auflage, nur eine Prostituierte zur Zeit in einer Betriebsstätte arbeiten zu lassen: EUR 1.000 (BAY)

Es kann also teuer werden. Betreibern ist deshalb dringend zu empfehlen, die Regelungen des ProstSchG zu beachten. Ordnungswidrigkeitsverfahren sollten aber auch aus folgendem Grund tunlichst vermieden werden: Die Erlaubnisbehörden können insbesondere aus wiederholtem Fehlverhalten Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit des Betreibers ziehen und im „worst case“ eine bereits erteilte Erlaubnis widerrufen. 

Es bleibt abzuwarten, welche Folgen die „Razzia“ in Lübeck für Betreiber mit sich bringen wird. Betreibern, gegen die ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet wird, sollten sich dringend anwaltlich beraten lassen. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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