Kriterien für die Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis zur Schulwahl bei gemeinsamem Sorgerecht der Eltern

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Sind die Eltern eines Kindes verheiratet, üben sie automatisch das gemeinsame Sorgerecht aus. Waren die Eltern bei Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, kann das gemeinsame Sorgerecht auch nachträglich durch Sorgeerklärung, spätere Heirat oder gerichtliche Entscheidung erlangt werden. Eine spätere Trennung bzw. Scheidung der Eltern ändert nichts an der gemeinsamen Sorge für das Kind, diese besteht weiterhin fort.

Der Elternteil, bei dem sich das Kind für gewöhnlich aufhält, hat die alleinige Entscheidungsbefugnis in Angelegenheiten des täglichen Lebens, § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB. Bei Entscheidungen von erheblicher Bedeutung ist das gegenseitige Einvernehmen der Eltern erforderlich. Bedeutende Angelegenheiten sind solche, die die Entwicklung des Kindes prägen - beispielsweise Entscheidungen über die Kindergartenwahl, die Schulwahl, die Religion oder größere medizinische Eingriffe. Es kommt vor, dass Eltern sich jedoch über bedeutende Angelegenheiten nicht einigen können. Ist das der Fall kann ein Elternteil die Alleinentscheidungsbefugnis für eine bestimmte Situation / Entscheidung gerichtlich für sich beantragen, § 1628 BGB. Das Gericht entscheidet dann nicht über die generelle Übertragung des Sorgerechts, sondern nur über eine einzelne streitige Angelegenheit und welches Elternteil die Entscheidungskompetenz erhalten soll. Dem Elternteil, dessen Lösungsvorschlag den Interessen des Kindes im konkreten Einzelfall am besten entspricht, ist die Entscheidungsbefugnis zuzuweisen. Maßgeblich ist dabei stets das Kindeswohl nach § 1697 a BGB.  

So entschied kürzlich das OLG Hamburg (OLG Hamburg, Beschluss v. 22.6.2021 – 12 UF 61/21), welcher Elternteil die Alleinentscheidungsbefugnis zur Bestimmung der Schulwahl des gemeinsamen Kindes übertragen bekommt. Die Eltern des sechsjährigen Kindes üben die gemeinsame Sorge für ihr Kind aus und waren sich uneinig darüber,  welche Schule das gemeinsame Kind besuchen solle.  Das Gericht entschied nicht darüber, welche Schule am besten geeignet sei, sondern welcher Elternteil am geeignetsten war, eine Entscheidung im Interesse des Kindes zu treffen. Das Gericht trifft sodann keine eigene Sachentscheidung, da es ansonsten in verfassungswidriger Weise in das Recht der von der Entscheidung betroffenen Eltern aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG eingreife.

Bei der Entscheidung über die Schulwahl ist insbesondere die Auswirkung der jeweiligen Schulwahl auf das soziale Umfeld des Kindes in die Gesamtabwägung miteinzubeziehen. Das Gericht traf anhand folgender Kriterien eine Entscheidung:

  • Die Mutter sei als Hauptbezugsperson von der Entscheidung besonders betroffen und müsse die Umsetzung überwiegend organisieren
  • Die Belastungen des Kindes durch Schulwege, sowie das soziale Umfeld des Kindes sind zu berücksichtigen
  • Das Schulkonzept aus pädagogischer Sicht ist zu berücksichtigen
  • Die Schulwahl kann Auswirkungen auf das Betreuungsmodell haben, insbesondere kann der Ort der Schule zur Erleichterung des Wechselmodells beitragen
  • Auch ist der Wille des Kindes zu beachten, wobei dem Willen eines sechsjährigen Kindes keine entscheidende Bedeutung zuzumessen sei

Diese Kriterien dienten zur Gesamtabwägung aller Umstände um den Interessen des Kindes am besten gerecht zu werden. Je nach Einzelfall müssen verschiedene Kriterien für die Gesamtabwägung herangezogen werden. Das Kindeswohl ist in jedem Fall maßgeblich.


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